vonWolfgang Koch 02.08.2009

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Cornelius Kolig, dem das Museum Essl derzeit eine grosse Ausstellung widmet, gehört nicht zu meinen Lieblingskünstlern. Zwar werde ich die künstlerische Freiheit mit Fäkalien zu arbeiten, die Kolig exzessiv für sich in Anspruch nimmt, stets mit Zähnen und Klauen gegen die unzivilisierte Meute verteidigen; diese Parteinahme für die Freiheit der Kunst verpflichtet mich aber bitte noch nicht, die einzelnen Resulate des künstlerischen Schaffensprozesses für zu gelungen zu halten.

Zu Cornelius Kolig muss man wissen, dass sich einflussreiche österreichische Rechtspolitiker – wie der verstorbene Landeshauptmann Jörg Haider – diesen Konzept- und Installationskünstler aus Kärnten als Jausengegner gewählt haben. Jahrelang kampagnisierten heimische Holzmedien gegen Koligs »grausliche« und »abstossende« Misthaufenperspektive.

Kolig hat es den Kunstfeinden sehr leicht gemacht. Man ist in Österreich ja verständnislos gegen alles, was im funktionellen Getriebe nicht mitrollt, was den praktischen Bedürfnissen und der Bequemlichkeit nicht dienstbar gemacht werden kann. Man empfindet grosse Fremdheit gegenüber allem Zwecklosen, allem Eigenleben, aller Kultur.

Kolig setzt mit seinem Schaffen aber nicht nur Piero Manzonis in Büchsen verpackte Merda d’artista (Künstlerscheisse) von 1961 fort. Er realisiert eine nahezu endlose Reihe seiner Ideen gegen das Praktische und Unmittelbare in Hochglanzobjekten, in Videos und Installationen. Das Hochzeitskleid von 2001 zum Beispiel präsentiert den nackt auf dem Rücken liegenden Unterkörper einer Frau im Kreisrund eines pinkfarbenen Stoffes, wobei das Kleid über den Kopf geschlagen wird und sich die angewinkelten Beine der Frau in längeren Zeitintervallen öffnen und schliessen wie Falterflügel.

Man konnte darin eine Anspielung auf Christos Surrounded Islands (1980-1983) sehen – eine Ikone der Landschaftskunst, bei der einst 14 in der Biscaye-Bay von Miami vorgelagerte Inseln eine Schürze bekamen. Andere halten den rosa-irisierenden Stoff, der den Ausstellungskatalog ziert, für ein Zuständnis des Künstlers an das Corporate Design des Essl-Museums. Auch das ist möglich.

Eine Arbeit von Kolig aus dem Vorjahr besteht aus einem Sperrholzsarg, der von sechs Lautsprechern mit reanimierenden Lebensgeräuschen beschallt wird: Pfeifen, Tinnitus, Herzklopfen, Urinieren, Furzen. – Was soll das nun wieder? Ein Spottobjekt auf den Tod? Oder eine dümmliche Abstrahierung von »Wir müssen alle sterben«?

Nach dem Prinzip einer Wunderkammer reiht sich bei Kolig Metallskulptur an Fotografie, Fotografie an Vitrinenobjekt und das wieder an Videos mit Biednungsanleitung. Der Mann leidet an einem gefährlichen Überschuss an Ideen, erfindet unablässig mehr oder weniger sinnige Bilder des Unpraktischen und Zwecklosen – und das Ergebnis erhebt sich nur selten über die Objektsammlung im valentinesken »Nonseum«, einer Klamaukschau in der weinviertlerischen Ortschaft Herrenbaumgarten, die dort von alkoholfreudigen Juxkünstlern zusammengetragen wird.

Egal! Mein Problem mit Kolig ist weder seine Obsession für Erotisches und für die Körperausscheidungen, noch der Nonsenscharakter des Gezeigten. Mein Problem ist die superglatte Ästhetik seiner narkotischen Vaginalrohre, Stockstühle, Flugbretter und Malereien. Alle Kolig-Objekte kommt stets in einer handwerklichen Perfektion daher, wie man das sonst nur von nüchternen Industrieprodukten kennt. In jeder Ecke Nirosta-Optik und Folderfotografie, jede einzelne Infussionsflasche ist millimetergenau auf die Wand geschraubt, jedes Kunstding auf Edelhochglanz poliert, als würden ganze Bataillone von Villacher Handwerksbetrieben im Wettbewerb miteinander stehen.

Fazit: Kolig führt seine Ideen in einer gegenständlichen Perfektabilität aus, die durch ihre Sterilität und Oberflächlichkeit unendlich langweilt. Kein Gedanke wird bloss angedeutet, nirgends herrscht ein Mut zum Fehler. Man erzähle uns bitte nicht, die Ästhetik aus dem Objektbereich moderner Firmen-Showrooms treffe hier doch auf die aufwühlende Welt der Fäkalien, und darin liege ein besonderer Witz. – Das ist akademisches Geschwätz. Ich brauche im Museum keine burlesken Einfälle in der Formensprache des Quelle-Katalogs.

Es ist schön, dass die Konzeptkunst der Siebzigerjahre in der östereichischen Provinz ein warmes Refugium gefunden hat. Aber Künstler wie Kolig oder Werner Hofmeister arbeiten mit Stilmitteln, die sich so eng an die technisch Möglichkeiten gewerblicher Glasereien, Metallschmiede und galvanischer Anstalten anlehnen, dass man genausgut Garagentore oder Kantenverleimungen betrachten könnte.

Am stärksten ist Kolig dort, wo Tiere ins Spiel kommen: Bienen, Katzen, Hunde, Schafe, Schwalben,… – Der Künstler nennt diese Tiere »Freelancer«, freie Mitarbeiter an seinem Werk. Im Kolig’schen Atelier-Paradies hängt irgendwo die schriftliche Aufforderung: »Achtung! Bei Verlassen des Raumes durch lautes Läuten der Handglocke (beginnend am ausgangsfernsten Punkt) Katzen und Vögel zum Ausgang und ins Freie scheuchen! Danke!«

Eine von Koligs verblüffensten Arbeiten heisst »Ich bin ein Hund« (1995). Man sieht das SW-Foto eines auf allen Vieren krabbenden erwachsenen Mannes, dessen Identität mit einer über den Kopf gezogenen Strumpfmaske unkenntlich gemacht ist. Das erinnert uns automatisch an Peter Weibel, wie er an der Leine seiner Künstlerkollegin Valie Export liegt. Diese bekannte Szene aus der »Mappe der Hundigkeit« (1968) gehört zu den Ikonen des Wiener Spätaktionismus. Die eleganten Passanten in der Innenstadt lächeln am Foto zum Teil amüsiert über die Szene, in der Weibel seine schwarze Bundfaltenhose ruinierte.

Neben dem Bild des nackten Mannes hängt bei Kolig ein weiteres Bild mit einer sich in Tropfen dahingeschlängelnden Linien. Die Flüssigkeit ist Urin. Hier hat der Akteur auf allen Vieren und unbekleidet wie ein Hund im Kriechen auf eine schwarz grundierte Bodenplatte uriniert. Die Bildidee dazu lieferte die Natur selbst: Samson, ein von Kolig lange gehaltener Köter, pinkelte in der Phase fortschreitender Alterinkontinenz im Laufen auf die Wege und hinterlies auf diese Weise mäandrierenmde Muster auf Strassen und Bürgersteigen.

Diese Hintergrundinformation vorausgesetzt, laden die beiden Bilder der Aktion »Ich bin ein Hund« durchaus gelungen zu einer Reflexion über die Beziehung von Natur und Kunst ein. An der basalen Perfektionierungswut des Koligsch’en Tuns freilich ändert ein gelungenes Werk unter vielen Blindgängern recht wenig.

© Wolfgang Koch 2009

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