vonWolfgang Koch 13.06.2010

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Wie soll man sich Kunst nähern? In kleinen Schritten, da ihr eigentliches Geheimnis zwar erfahrbar, aber kaum rational vermittelbar ist. Kunst wirkt bekanntlich noetisch, das heißt wir verstehen sie, ohne zu wissen, wie wir verstehen. Wir entwickeln in unserem Inneren Kriterien, die uns erlauben zu sagen »Ja, es stimmt, was ich da sehe«; die Sache ist stimmig oder eben nicht. Ich komme mir durch das Werk nahe, oder es sagt mir nichts.

Der wichtigste aller Zugänge ist sicher der sinnliche; allerdings ist er für Erwachsene kaum rein, also ohne Vorwissen, zu haben. Selbst wenn Sie den Namen Walkensteiner noch nie gehört haben, wissen Sie, dass in einer Galerie Bilder an der Wand hängen und dass man diese nicht angreifen darf. Sie wissen, dass jeder Künstler einer Spezialist für das Kreative ist, usw. usf. – Es ist schon eine ganze Menge da, bevor wir über die Schwelle treten.

Wenn uns die sinnliche Wahrnehmung von Farben und Formen nicht befriedigt, haben wir noch drei weitere Möglichkeiten uns dem Kunstwerk zu nähern. Wir können als nächstes nach der Technik fragen; jede Formgestaltung hat ja ihre eigene Wahrheit. Wir können drittens nach dem Produzenten fragen: Wer hat das gemacht? Ist das ein ernsthafter Mensch, ein Sonntagskünstler oder ein Scharlatan?

Und als letzte Möglichkeit können Sie Leuten wie mir ihr Gehör schenken: Interpreten, Kritikern, Theoretikern, Kunsthistorikern, Kuratoren, professionellen Vermittlern. Ich betone: als letzter der Möglichkeiten, denn ich verbinde mit diesen vier Stufen durchaus eine Wertung.

Wir leben heute in einer Zeit, in der sich die Kuratoren zur Herrschaft über die Kunst aufschwingen, in der sich allerorts Spezialisten und Händler zwischen das Werk und das Publikum drängen. Ich stelle mich in diesem Konflikt bedingungslos auf die Seite der KünstlerInnen, schon weil ich als Schriftsteller ja denselben Konflikt mit den Germanisten erlebe.

Also bitte folgen Sie meinen Ausführungen nur bis zu dem Punkt, an dem Bilder »stimmig« für sie werden; mehr ist in der Kunst nicht zu haben. Und Interpretationen sind stets die schwächste Hilfestellung bei der Annäherung; das gilt auch für die Selbstinterpretationen der Werke durch die Künstler, die sie hergestellt haben.

Wer ist Wolfgang Walkensteiner? Eine Doppelbegabung aus Maler und Plastiker. Er lebt und arbeitet seit vierzig Jahren in Wien. Schon diese Dauer bürgt in hohem Maß für die Ernsthaftigkeit seines künstlerischen Wirkens.

Walkensteiner ist ein Exilkärntner, und vielleicht haben Sie noch im Ohr, was der Doyen der österreichischen Architekturkritik, Friedrich Achleitner, kürzlich in einen Interview gesagt hat: Wenn man aus der österreichischen Provinz nach Wien kommt, so Achleitner, verfügt man über mehr Migrationshintergrund, als jemand, der aus Sarajewo oder Istanbul hierher zieht. Das gilt auch für Walkensteiner; doch im Unterschied zu anderen Exilkärntnern mischt der Mann im Kärntner Kulturbetrieb immer noch kräftig mit.

Für Walkensteiner spricht weiters, dass er liest, Philosophen und Dichter, Heidegger, Bataille, in jüngster Zeit Paul Valery, dem ein Bild dieser Ausstellung den Titel Xiphos verdankt. Damit ist eine fiktive »Insel des Nichtwissens« gemeint … also ein Hinweis auf jene noetische Erfahrung gegeben, von der ich zu Beginn sprach.

Man kann nicht sagen, dass Walkensteiner mit seinen Bildern philosophiert. Das wäre ganz falsch. Er ist einfach jemand, der sich beim Lesen und beim Verfassen von Texten ein intensives Gegenüber schafft. Er sagt: »Ich denke mich daran satt« – Gedankenarbeit ist für ihn geistige Nahrung.

Walkensteiner ist aber kein Bibliothekshocker. Er sucht ebenso die lebendige Auseinandersetzung mit Kollegen und Kolleginnen. Im letzten Winter mit KünstlerInnen aus dem fernen Turkmenistan. – Wenn Sie in dieser Ausstellung auf die Goldfarbtöne achten, werden Sie das Leuchten vielen Bilder unschwer als von Walkensteiners aktueller Wüstenerfahrung inspiriert erkennen. (Fortsetzung)

© Wolfgang Koch 2010

Rede in der BKS Bank Direktion Wien am 9. Juni 2010

 

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