vonWolfgang Koch 11.08.2010

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

Mehr über diesen Blog

Es könnte eigentlich das schönste Sommerfestival überhaupt sein, das es in Wien gibt: die nahe der Floridsdorfer Brücke stattfindenden Afrika-Tage. Wäre da nur nicht diese bombastische Bühne, der martialische Zaun, ein bekloppter Ordnerdienst und ein auf Profitmaximierung fixierte Veranstalter: die Messe und Veranstaltungsorganisation aus der Lindwurmstraße 126 in München.

Es gibt jeden Tag spontane Trommelsessions abseits des Bühnengeschehens. Das würde für eine heitere Stimmung vollkommen genügen, dazu die Hydranten mit Frischwasser. Man würde den Bazar und die Gastronomiestände gerne hinnehmen, wie ja auch bei Weihnachtsmarkt niemand auf die glorreiche Idee kommt, einen Zaun drum herum zu ziehen und für den Besuch eines Verkaufsgeländes Eintritt zu verlangen.

Genau aber das tut der deutsch-arabische Geschäftsmann Medhat Abdelati aus München. Von 14 bis 17 Uhr zahlen die Festivalgäste einen Eintritt von 5 Euro, ohne dass da irgendetwas dafür geboten würde, was nicht ein zweites Mal zu bezahlen ist. Im Gegenteil: es wird nicht nur der Messeeintritt verlangt, sondern die Security-Truppe filzt an den Eingängen auch noch Rücksacke und Taschen, um mitgeführte Getränke und Essbares zu konfiszieren.

Da sich unter den Nachmittagsbesuchern natürlich zahlreiche Menschen mit Kleinkindern befinden, wird Eltern sogar die Kinderjause abgenommen, und an den Eingangstischen stapeln sich täglich die mitgebrachten  Getränkeflaschen der Kleinen. Der Leiter des Einsatzdienstes, ein Jürgen ohne Dienstnummer, verweist einfach wirsch auf die Hausordnung.

Diese 6. Afrika-Tage sind nicht bloß ein Nepp, bei dem den BesucherInnen jede Würde abgesprochen wird. Sie sind darüber hinaus eine moralisch verlogene Sache. Während nämlich von der Bühne herunter weinerliche Sprecher das Weltelend der kapitalistischen Globalisierung beklagen, schnürt der Veranstalter die gutgläubigen Zuhörer auf der Wiese zu finanziellen Melkpaketen zusammen.

An jeder Ecke werden bei den Afrika-Tagen sanfte Drogen konsumiert. Das ist schon in Ordnung, Marihuana ist nun mal das Bier der Black Community. Absurd wird die unbehelligte Mitnahme illgaler Substanzen aber, wenn am selben Gelände den Kindern ihre Kinderkekse abgenommen werden. Nichts gegen Bekiffte, aber was bitte ist das für eine grottenpeinliche Coolness, die über den Konsumterror gegen die anderen einfach bedrönt hinwegsieht?

Was beinhaltet der Eintritt? – »Die Tageskarte berechtigt zum Eintritt auf das Festivalgelände, zum Besuch des Afrika-Tage-Musikprogramms und zur Teilnahme an vielen Aktionen«, erklärt der Veranstalter auf seiner Webpage. Eine glatte Lüge. Denn es gibt keine irgendwie gearteten Aktionen, die diesen Namen verdient hätten. Sie können auf diesem Gelände Zuhören, Tanzen und Konsumieren, sonst nichts. Selbst ein Tonklümpchen im Kinderbastelzelt wird für sage und schreibe 2 Euro verkauft.

Sie können Trinken, Essen, Sie können Ihr Monatsgehalt in afrikanische Nippes investieren, Sie können sich von einer Heiltrommlerin gegen Bares beschallen lassen, Sie können gegen Euro auf einem Kamel durch die engen Bazarstraßen reiten, Sie können ihre Solidaritätsunterschrift beim Amnesty International, der SPÖ oder Falun Gong abliefern, sie können indische Götterstatuen, Massai-Röcke, Rasta-Mützen oder Tuareg-Schmuck erwerben, Fetzenkram und minderwertiges Kunsthandwerk ohne Ende, aber wehe, Sie kaufen nichts!

Die EZA ist da, die Uni Wien, der Falter, lauter gute Namen. Aber bei den Afrika-Tagen wird »kein Zeichen für Toleranz und Verständnis zwischen den Kulturen« gesetzt, wie das der Veranstalter behauptet … hier wird mit dem Wort Kultur Schindluder betrieben. Die auftretenden Bands bewegen sich zu 90 Prozent auf dem musikalischen Niveau von Volkshochschul-Workshops. Und für diese drittklassigen Darbietungen in Überlautstärke wird dem Abendpublikum ein Eintritt von 15 Euro pro Nase abgeknöpft.

Statt »17 Tage Lebensfreude pur« – Kaufen, Kaufen, Kaufen. Zugeben, der Wettergott macht es dem Veranstalter nicht einfach. Etliche Geschäfte fielen wegen Regenfällen aus. Aber rechtfertigt das schon zu allem? Wäre es nicht ehrlicher in eine Versicherung zu investieren oder Konkurs anzumelden, als die Daumenschrauben immer nur beim Publuikum anzuziehen?

Als sich heute ein Wolkenbruch ereignete, da erschrack eines der Kamele vor Blitz oder Regen so heftig, dass das unglückliche Tier ein etwa fünfjähriges blondes Mädchen in der Menge niedertrat. Rettungshubschrauber und ein Rettungsfahrzeug waren sofort zur Stelle, um das besinnungslose Kind in eine Notaufnahme zu bringen. Darauf ist in Wien Verlass.

Was aber hatte die Security des Veranstalters in dieser Situation zu tun? Die Ordner, die es beim langsam herandräuenden Unwetter verabsäumt hatten, Tiere und Menschen zu trennen, diese Sicherheitsleute jagten nun aggressiv die aus der Ferne das Unfallgeschehen beobachten BesucherInnen aus dem Gesichtsfeld des Hubschraubers. Niemand sollte das klägliche Versagen dieser Truppe zu sehen bekommen.

Das war vor drei Stunden. Glauben Sie bitte nicht, dass Sie morgen in einem österreichischen Medium etwas über diese Zustände auf der Donauinsel erfahren werden. Wie haben hier keine Journalisten, die nach dem Rechten sehen.

© Wolfgang  Koch 2010

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/wienblog/2010/08/11/groteske_afrika-tage_auf_der_wiener_donauisnel/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Hallo an alle.herr Koch ist eine person die bei denn afrikatagen als security arbeiten wollte er aber Keinerlei Qualifikationen vorweisen konnte und nur erfahrene securitys gesucht würden.darum die negative einstellung.lgt

    +++++++

    Sehr nette Zuschrift des mir unbekannten Hr. Jürgen Endres:
    In Österreich nennen wir so etwas eine glatte Verleumdung. Jeder, der beweisen kann, dass ich mich je irgendwo um einen Security-Job beworben habe, zahle ich eine Kiste feinster Jamswurzel.
    Wolfgang Koch, 22.7.2011

  • Sehr geehrter Herr Koch,
    als jahrelanger AFRIKA TAGE WIEN – INSIDER (KulissenGUCKER, Journalist & Reporter) weise ich Ihr Urteil, – VAriables KOmmentar, STRENGSTENS zurück. PS. Ich war heuer wieder 17 Tage live/life bei den Afrika Tagen Wien und war mit den Mitmenschen von/wie Aussteller, Künstler und Vereinen dort wieder sehr GLÜCKLICH % ZUFFIEDEN!

    MfG
    Joe Leitner

  • Ihr Artikel, Herr Koch, – ist eine Beleidigung an alle dortigen Aussteller, Live-Künstler, Besucher und NGO´s von/für engagierte Vereine und soziale (weltoffene) Initiativen. Nicht zu vergessen auch an alle freischaffenden und beruflichen Medienvertreter, FotografInnen, – die sehr wohl ZAHLREICH dort waren (so wie ich) und ganz andere (positive!) Eindrücke von den Afrika Tagen Wien gesammelt und auch hautnah recherchiert und hinterfragt haben. SIE oder jemanden von der “taz” habe ich dort nicht gesehen und erkannt.
    Zum Veranstalter der 6. Afrika Tage Wien: Herr Medhat Abdelati aus/in München bekommt keinerlei finanzielle Förderung von der Stadt Wien, irgendwelcher Austria-Parteikassen (von welcher Farbe auch immer) und auch nicht von der EU. Im Gegenteil, – er zahlt mit den “NEPP-EINTRITTS-PREISEN” (Ihr Copyright/Zitat) das Festivalgelände (Miete, Wasser, Strom, Reinigung, Rettungungsdienste, usw.) an die Stadt Wien), – sämtliche Künstler (nationale und Internationale), Werbung, Presse, PR, Mitarbeiter, Leihfirmen (für Bühne, Equipment, usw.) und unterstützte auch heuer wieder viele in Wien ansässige Vereine (wie den Verein Ute Bock: http://www.fraubock.at ) mit einem beträchtlichem Geldbetrag (heuer 23.000 Euro). Natürlich zahlt er Veranstalter auch sämtliche Steuern, erfüllte (bereits zum 6. Mal) alle Auflagen der Stadt Wien (Magistrate) und bewies einmal mehr IN WIEN, – wie Völkerverständigung, – gut gemixt mit Gastronomie, Kunst und natürlich auch mit Kommerz BESTENS FUNKTIONIERT/FUNKTIONIEREN kann!

    PS: Wenn Sie einmal eine derartigige Veranstaltung auf der Donauinsel Wien machen wollen, – informieren Sie mich. Werde mir das dann auch genau anschauen, – objektiv NATÜRLICH!!!

    Mit freundlichen Grüssen und hochachtungsvoll Hochwürden,
    Ihr Ergebener und Aufrichtiger
    J. JOE LEITNER

  • Herr Koch,
    Kultur kostet und ist nun mal (auch) ein Geschäft!
    Österreichs Kultur kostet Sie Steuergelder die Sie nur nicht sehen können (Christkindlmarkt, nicht alles wird von den Pächtern bezahlt!)
    Und geboten wurde allemal was.
    Sie waren anscheinend zu beschäftigt Ihr Geld zu zählen um das Wesentliche zu erkennen.
    Schade für Sie.

  • Für 2 Konzerte 5 Euro (oder auch 15-20) Eintritt zu zahlen ist meiner meinung nach kein Nepp. Ich habe die Veranstaltung heuer 5mal besucht, und bin jedesmal zufrieden und sehr gut gelaunt gegangen, ohne etwas gekauft zu haben. Und komischerweise hat mich deswegen niemand angepöbelt o.O Möchte gerne wissen was Sie genau in dem Artikel meinen mit “aber wehe, Sie kaufen nichts!” ??? Was passiert dann? Woher erfahren die denn überhaupt ob man was gekauft hat – wird man auch während dem Besuch ständig gefilzt um zu kontrollieren ob man denn auch brav konsumiert hat? Wie wird man dann bestraft wenn man nix kauft?
    Hatte ich etwa alle 5 Tage (jeweils mindestens 4 Std am Gelände verbracht) nur Glück das ich von all den nichts mitbekommen habe? Das Getränkeflaschen nicht mehr auf Veranstaltungen mitgenommen werden dürfen ist zwar ärgerlich, aber leider mittlerweile überall so – möglicherweise ist es sogar Vorschrift? Hat mich aber auf den relativ kleinen, übersichtlichen Gelände bei weitem nicht so gestört wie beim Inselfest wo man sich kilometerweit durch Menschenmassen “durchkämpfen” muss in der Hitze, ohne eine Wasserflasche mitführen zu dürfen… Ich hab auch kein einziges Mal erlebt das Kinderjausen konfisziert worden wären…
    “Marihuana ist nun mal das Bier der Black Community” – na bravo. Das ist einfach nur rassistisch und dumm, mehr will ich dazu gar nicht sagen.
    Und dann noch die Frechheit hier:
    “Die auftretenden Bands bewegen sich zu 90 Prozent auf dem musikalischen Niveau von Volkshochschul-Workshops.” Aha… Marla Glen, Angelique Kidjo, Supermax – und Volkshochschul-Workshops, verstehe. Auf welchen Niveau bewegt sich denn die musikalische Bildung des Autors? 😀

  • Sehr geehrter Herr Koch,

    Ich weiß ja nicht, was Ihr persönliches Problem mit dem Münchner Veranstalter ist, aber so eine undifferenzierte Auseinandersetzung mit diesem wunderbaren Fest ist ein starkes Stück. Genau genommen bezieht sich Ihre gesamte Kritik darauf, dass man tagsüber 5 Euro und abends 20 Euro Eintritt zahlen muss. Vielleicht sind Sie ja knapp bei Kasse, wer weiß. Aber ich war in den vergangenen zwei Wochen mehrmals bei den Afrika Tagen und ich habe viel geboten bekommen. Hier ein kurzer Auszug aus meinen Erfahrungen: Angelique Kidjo, eine weltweit erfolgreiche Künstlerin mit einer grandiosen Stimme, für deren Konzerte man sonst auch 60 Euro zahlen muss, habe ich für 5 Euro gesehen. Ich habe Marla Glen gehört, eine deutsche Band namens Jamaram, die mir noch kein Begriff war und mich sehr begeistert hat. Unser Kind hat mit anderen Kindern Fußball gespielt, ohne dass wir uns Sorgen machen musste, dass es verloren geht oder ohne dass es jemanden gestört hat, wie es oft in Wien der Fall ist. Nach jedem Konzert gab es eine Party im Festzelt, wo afrikanische DJs aufgelegt haben, von denen ich weiß, dass Sie es schwer genug haben, hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und von denen ich weiß, dass sie für Ihre Arbeit bei den Afrika Tagen bezahlt wurden. Ich habe tolle exotische Gerichte gegessen, die weniger gekostet haben, als in durchschnittlichen Wiener Lokalen für ein Hauptgericht verlangt wird. Ich habe die Atmosphäre und die gute Organisation genossen.

    Aber vor allem: Die Afrika Tage sind eines der wenigen Fest, wo es tatsächlich um Toleranz und Verständnis geht. Gerade in Wien, wo viele Afrikaner gleich den Stempel “nigerianischer Drogendealer” aufgedrückt bekommen, bieten die Afrika Tage die Möglichkeit, in einer ungezwungenen Atmosphäre ein bisschen Einblick in die afrikanische Kultur zu bekommen. In Wien werden AfrikanerInnen oft angestarrt, diskiminiert, von vielen Türstehern wird ihnen der Eintritt verwehrt. Genau das ist bei den Afrika Tagen nicht der Fall. Dort können sie sich frei bewegen, sich wohl fühlen und sehen auch, dass nicht ganz Wien rechts ist weil auch viele Wiener dort feiern. Und genau das ist der Grund, warum viele meiner afrikanischen Freunde in den vergangenen zwei Wochen fast jeden Tag dort waren. Haben Sie – bevor Sie das geschrieben haben – vielleicht zwei Sätze mit einem Afrikaner oder einer Afrikanerin gewechselt? Wissen Sie, was die sagen? Die schwimmen alle nicht im Geld, aber für so etwas zahlen sie gerne Eintritt.

    Für all das, Herr Koch, zahle ich liebend gerne 5 Euro Eintritt und wenn ich erst später am Abend dort bin auch gern 20 Euro. Ich kann dieses Fest nur jedem empfehlen und bin froh, dass es die Afrika Tage gibt. Wenn Sie sich so sehr daran stoßen, dass Sie die eigene Jause nicht mitnehmen dürfen und dafür in Kauf nehmen eine der wenigen Veranstaltungen zu verreißen, bei der sich auch Menschen mit dunkler Hautfarbe wohl fühlen können, dann wäre mein Tipp: Bleiben Sie doch auf den von Ihnen gelobten Weihnachtsmärkten. Da sind Sie wohl besser aufgehoben.

    Elisabeth

    Elisabeth

  • Wir waren verzaubert hingerissen beeindruckt fasziniert und empfehlen dieses Fest unbedingt zu besuchen . Es lohnt sich !!!!
    Liebe Grüsse Christine und Heinz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert