vonWolfgang Koch 14.12.2011

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Nicht erst seit Alfred Gusenbauers missglückter Kanzlerschaft, doch seit dieser mit Aplomp, ist jeder Arbeiteraristokrat in Österreich ein höchstdekorierter Feinschmecker.

Man erinnert sich gerade noch dunkel an die Gründung jenes ominösen Clubs 45 durch sozialdemokratische Amtsträger 1973. Bereits damals trieb die Genussfreude der Genossen an der Seite des Décadent Udo Proksch mörderisch-sinnliche Blüten.

Was ist das gegen heute?  

Um den Anspruch auf klassenkämpferisches Brutzeln, Braten und Blanchieren vor Jahresende noch einmal kräftig aufzupflanzen, erhalten dieser Tage die Mitglieder der Wiener SPÖ einen Kalender mit politisch korrektem Küchenwissen zugesandt. Titel: »Die besten Rezepte für Wien 2012«.

Die Parteipublikation ist randvoll mit Inseraten parteinaher Unternehmen und Organisationen. Da gibt es eine Sozialbau AG, die »mehr als ein Dach über dem Kopf« anbietet; eine adrette Samariterin, der angeblich Gutes zu tun »gut tut«; eine Bank, die versichert, dass das »Leben voller Höhen und Tiefen« sei, und quasi im Gegenzug eine Versicherung, die »unsere Sorgen haben« will.

Österreich, du hast es besser! Da gibt es eine Bank, die behauptet, »mitten im Leben zu stehen«; und heimische Wirtschaftstreibende, die mindestens »größer denken für Wien«; und da fragt eine Baugenossenschaft frei von der Leber, ob denn der Mensch in Gestalt des Wiener Sozialdemokraten überhaupt noch eine Wohnung braucht.

Denken, wohnen, wohlfühlen… Ach was! Die Frage, die in Wien alle bewegt, heißt doch: »Was schlemmen wir heute?« Wenn der Wiener Sozialdemokrat nicht das Beste aus dem Bestehenden herausholt, warum sollte er kämpfen? Hat nicht schon Friedrich Engels Jenny Marx ins Album geschrieben: »Auffassung vom Glück: Château Margaux 1848«? Na, eben!

Da gut zu Tafeln erklärtermaßen das Beste ist, was die Wiener SPÖ 2012 auf die Agenda setzt, beginnt der Reigen der besten Rezepte gleich mit »Fleischlaberln á la Häupl«, einem Gustostückerl des Langzeitvorschmeckers der Partei. Der sozialdemokratische Bürgermeistermagen empfiehlt für den dazugehörigen Kartoffel-, pardon: Erdäpfelsalat »kleinere rote Zwiebel klein zu schneiden«.

Aber Achtung, im Februar wartet die SPÖ-Kulinarik den urgesunden Inkareis Quinoa mit Kürbis und Melanzani auf – und dafür dürfen dann die »roten Zwiebel in nicht zu kleine Stücke geteilt werden«. Wieder ganz á la Häupl verhält es sich beim Kräutersalat im Juni: »kleine rote Zwiebelstücke schneiden«, bitte!

Kleinklein, nicht zu klein, kleiner, … – Jetzt haben wir es endlich gecheckt! Nicht um die Größe geht es beim Großen Wiener Zwiebelschippseln, sondern um die Parteifarbe.

Völker, hört die Signale! Die lukullischen Gaumenfreuden sind die neuen Plattformen für Chancengleichheit. »Mitreden. Mitmachen. Mitschneiden« lautet das Motto im neuen Jahr. – Und hier die stärksten Imperative der geballten Profi-Kochansagen aus der Parteizentrale ans internationale Finanzkapital:

01  Der Wiener Sozialdemokrat schreckt gekochte Fisolen gnadenlos in Eiswasser aus der Hochquellwasserleitung ab.

02  Um Waldboden zu erhalten, ein taktisches Zugeständnis an die Grünen KoalitionspartnerInnen im Rathaus, zerreibt der Wiener Sozialdemokrat im Induktionsbackofen getrockneten Pumpernickel zu Pulver. Woher im März frische Pilze kommen sollen, wird zwar im »besten Rezept« für den Monat nicht verraten. Dafür aber, dass sich Waldgeschmack für Ökos auch mit Gundelrebe, Schafgarbe, Olivenkraut oder Steinpilz-Thymian simulieren lässt.

03  Der Wiener Sozialdemokrat besitzt ein Feigenblatt. Da kann man in dieser Welt nichts machen. Aber der Wiener Sozialdemokrat benutzt sein Feigenblatt, very tricky, um im Schmortopf Feigen (!) zu überdecken. Mal ehrlich, wären Sie da drauf gekommen?

04  Der Wiener Sozialdemokrat kauft – auf zum letzten Gefecht – Fleisch im einem Fachgeschäft, also einer »Fleischerei, oder Ähnliches«. Der Fleischerei ähnliche Fachgeschäfte sind meiner Meinung nach Apotheken, Gemüseläden, Musikaliengeschäfte.

05  Sollte er keine österreichischen Fleischteile aus dem Simmental bekommen, erwirbt der Wiener Sozialdemokrat also in Apotheken, Gemüseläden oder Musikaliengeschäften »amerikanische Fleischteile«. Auch die bieten – Sonn’ ohn’ Unterlass – sehr gute Fleischqualität.

06  Der Wiener Sozialdemokrat bestreut seinen Marillenschmarrn seit den Zeiten von Victor Adlers Oma mit Staubzucker. Der jährliche »Massenaufmarsch« am 1. Mai ist schließlich bitter genug.

07  Falls der Wiener Sozialdemokrat keinen Kräutersalat zur Verfügung hat, darf er  Ruccola nehmen.

08  Der Wiener Sozialdemokrat kennt sehr schöne Fremdwörter in der Küche. Zum Beispiel »emulgiert« er eine »Brandade« mit Olivenöl. Mischen tun nur Hackler in der Mischmaschine, und Püree löffeln Kinder.

09  Für Saltimbocca alla romana – irgendwo muss ja der San Daniele Schinken hin – benötigt der Wiener Sozialdemokrat Safran aus Pannonien, – falls er dieses Land mit Google-Maps findet.

10  Der Wiener Sozialdemokrat beherrscht die hohe Kunst des Unter- und Übergießens. Er übergießt z. B. ein schmorendes Kalbsschulterscherzl im Dezember immer wieder mit dem eigenen Saft, und untergießt es, falls erforderlich, mit etwas Wasser. Abwechselnd, nicht gleichzeitig.

11  Der Wiener Sozialdemokrat zerdrückt einen Saibling, der zunächst 10 Stunden lang in kaltem Wasser quellen musste, mit seinen starken Proletarierarmen zu Kartoffelpüree-Konsistenz.

12  Der Wiener Sozialdemokrat kann die Zeitung (womit die Drecksblätter aus der U-Bahn gemeint sind) durch seinen megadünnen Apfelstrudelteig lesen.

13  Der Wiener Sozialdemokrat benutzt seit der Novemberrevolution 1918 für die Panier nur gleichkörnige Semmelbrösel von der Kaisersemmel.

14  Der Wiener Sozialdemokrat klopft das panierte Schweinskarree zwischen beöltem Zellophan dünn, dass es in der offenen Designerwohnküche nur so spritzt.

15  Das Schweinsschnitzel des Wiener Sozialdemokraten muss immer über den Tellerrand ragen.

© Wolfgang Koch 2011

 

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