vonWolfgang Koch 30.04.2012

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Vom Zen-Lehrer Taego [1301-82] sind uns im »Taego Hwasang Orok« die rätselhaften Sätze überliefert:

 

»Geist ist Buddha, Buddha ist Geist. Außerhalb des Geistes kein Buddha, außerhalb Buddhas kein Geist«
 

 

oooooOOOOOooooo

 

 

Wissen mit diesen Sätzen, wollte meine Lehrerin wissen, nur Praktiker des koreanischen Zen etwas anfangen, oder können Sie das auch?

 

ICH (zögernd): Gui Do, der in Frankfurt wirkende Guido Keller, hat das kürzlich in seinem Asso-Blog zitiert, nicht wahr?

 

LEHRERIN: Sie lenken ab.

 

ICH: Wenn sich Buddha in Geist auflöst, brauchen wir uns mit Siddharta Gautama nicht mehr zu beschäftigen. Was kümmert und da, ob er irgendwo studiert hat, wer seine Lehrer waren, wer seine Schüler! Wenn Buddha nichts als Geist ist, brauche ich auch seine Worte nicht an seinem Leben zu überprüfen – also, ob das eine dem anderen auch wirklich standhält. Es genügt, den Sinn der Lehre nachzuvollziehen.

 

LEHRERIN: In der Tat sieht Zen das genau so. Wozu die kritische Lektüre der Reden, wozu archäologische Grabungen nach Wirkungsstätten, wenn es nur auf geistige Verfeinerung ankommt, auf das Leerwerden, auf eine Dekonditionierung von Ursachen der Neurose! Aus der Gleichsetzung ergibt sich so etwas wie ein feststehender Wahrheitsgehalt in einem zeitlosen Raum. Vermag da überhaupt noch jemand zu erkennen, dass wir es mit einer Welt der sich wandelnden Wahrheiten und Tischsitten zu tun haben?

 

ICH: Das würden die verschiedenen Schulen verschieden beantworten.

 

LEHRERIN: Ich will auf Folgendes hinaus. Wenn wir die Gesamtheit der Lehren des Buddha als Buddhayana auffassen, dann diskutieren die Schulen immer nur eine relative Wahrheit. Denken Sie bitte mal daran, in wie viele stark konkurrierende Kreise die psychoanalytische Bewegung im 20. Jahrhundert zerfallen ist: in die die Freud’sche Psychoanalyse, die Analytische Psychologie nach Jung, die Individualpsychologie nach Adler, die Chicagoer Schule, die Englische Schule, die Französische Schule Lacans, dann noch Daseinsanalytik, Existenzanalyse, Neopsychoanalyse, Ich-Psychologie, Kulturschule, schließlich die Kinderanalysen nach Anna Freud und Melanie Klein. Aus all diesen Schismen und Revisionen der Freud’schen Lehre ist ein großer und lebendiger Marktplatz der Ideen entstanden.

 

ICH: Ja, aber wie sollen die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der buddhistischen Schulen überwunden werden?

 

LEHRERIN: Wieso überwinden? Vielleicht müssen sie gar nicht überwunden werden, vielleicht bringt uns das Fordern einer buddhistischen Identität keinen Schritt voran. Vielleicht behindert die Synposis der verschiedenen Richtungen die Dynamik der Innovationen eher als sie sie vorwärts bringt …

 

ICH: Sie plädieren mal für Diskussion und Austausch, und dann wieder für getrenntes Marschieren. Verstehe ich nicht.

 

LEHRERIN: Natürlich ist eine Basis-Identifikation mit Buddha notwendig, um zum wilden Heer der Praktizierenden gezählt zu werden. Doch der Zerfallsprozess des monastischen Buddhismus ist nicht unbedingt negativ. Es gibt immer mehr nicht an Schulen gebundene Meditierende, immer mehr Lehrer, Selbstdenker und Philosophen des Dhamma/Dharma. Der Buddha-Geist individualisiert sich; das Spaltungspotential steigt quasi mit dem Kauf jeder Statue im Möbelmarkt. Hier haben wir noch so eine Parallele: wie die Psychoanalyse bildet auch der Buddhismus eine erfolgreiche Neuauflage der alten Denkschulen und der Lebenskunst der griechisch-römischen Antike.

 

ICH: Wieso, Buddha war doch ein Kopf aus vedischer Zeit, nicht aus der Antike?

 

LEHRERIN: Mir geht es hier um den Begriff der Schule, um die Schule als Gebäude von Lehrmeinungen und als Trainingslager für Techniken der Versenkung. Sokrates unterrichtete die vornehmen Jünglinge Athens im Gehen. Einer von ihnen, Platon, unterwies später seine eigenen Schüler in Grammatik und Naturkunde, und er tat das im Garten; die berühmte platonische Akademie, die saß am Boden im Gras.

 

Wir blickten auf den ockerfarbenen Teppich. Die Sonne malte schöngelbe Flecken auf den matten Untergrund. Dann schob die Lehrerin lachend hinterher:

 

»Kommt Ihnen das nicht irgendwie bekannt vor?«

 

© Wolfgang Koch 2012

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