vonWolfgang Koch 31.08.2012

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Wie wird die Alpenrepublik am Zahltag befinden? / Foto: E. Obermayr

Die österreichischen Oppositionparteien FPÖ, Grüne und BZÖ sind im Spätsommer 2012 wieder einmal das Papier nicht wert, auf dem ihre MandatarInnen gewählt wurden. Seit letzte Woche die rotschwarze Regierungskoalition ihren Entschluss, eine Volksbefragung zu zwei problematischen Wehrkonzepten abzuhalten, bekannt gegeben hat, ist nur ein einziger Formulierungsvorschlag an die Öffentlichkeit gelangt: der Vorschlag der ÖVP. Er lautet:

 

Sind Sie für eine Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes in Österreich – ja oder nein?

 

Diese Fragestellung enthält gleich zwei Unwahrheiten. Wir haben in Österreich keineswegs eine Allgemeine Wehrpflicht; das Wehrsystem beruht auf einem Zwang, der – wie das »Allgemeine Wahlrecht« 1907 als Recht – ohnehin nur die Männer umfasst.

 

Zweitens ist der ersatzweise Zivildienst zwingend an die Verpflichtung zur bewaffneten Verteidigung der Landesgrenzen gebunden; er kann völkerrechtlich in keiner Kombination mit einer anderen Rekrutierungsform verpflichtend gemacht werden.

 

Nun wäre es an die vornehmste Aufgabe der Opposition, an diese zwei Punkte zu erinnern: dass nämlich die zwei von der Regierung ins Auge gefassten Heeresmodelle, Wehrpflicht und Berufsheer, eigentlich deren drei sind. Und dass es zweitens ohne Militärzwang keinen effizienten Zivildienst mehr geben kann.

 

Zum Streit über die Geschlechtergerechtigkeit kommt, dass sich heute zwar keine der Parlamentsparteien für eine Abschaffung des Bundesheeres stark macht, es aber in Österreich eine lange Tradition dieser Forderung  – vom Völkerrechtler Heinrich Lammasch über den renommierten Physiker und SPÖ-Bundesrat Hans Thirring und den Publizisten Günther Nenning bis hin zu meiner Wenigkeit  – gibt. Der Internationalen Versöhnungsbund bestreitet die Existenzberechtigung eines Heeres in der Alpenrepublik ebenso wie die Sozialistische Jugend in Niederösterreich und Reste der Friedensbewegung.

 

Eine breite demokratische Legitimation hätte darum nur eine Volksbefragung mit vier Zukunftsoptionen im Heeresbereich. Die Fragestellung müsste berechtigerweise lauten:

 

Sind Sie für:

         a) eine Beibehaltung der Allgemeinen Wehr- und Zivildienstpflicht für Männer,

         b) eine Ausweitung der Allgemeinen Wehr- und Zivildienstpflicht auf Frauen,

         c) eine Berufsarmee und den Ausbau des Freiwilligen Zivildienstes,

         d) eine Abschaffung der Bundesheeres, unbewaffnete Neutralität und Freiwilligen Zivildienst?

 

Nur eine solche vierteilige Fragestellung berücksichtigt alle politischen Konzepte in der Diskussion über Sinn und Aufgaben der österreichischen Landesverteidigung. Nur diese offene Befragung wäre geeignet, ein wahrheitsgetreues Meinungsbild der Bevölkerung zum jährlich zwei Milliarden Euro verschlingenden Verteidigungsbudget einzuholen.

 

Allein der faire und öffentliche Wettstreit aller vier Konzepte könnte einer politischen Klasse, welche aus freien Stücken den klügsten Weg nicht zu gehen wagt, die Richtung zu einem wirklichen Friedensbeitrag für die Welt weisen.

 

© Wolfgang Koch 2012

 

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