vonWolfgang Koch 13.03.2013

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Lässt das Feuer nach oder wird es zu heftig? / Foto: Oktogon

Seit Jahren weise ich darauf hin, dass die Stadt an der Donau eines ihrer schönsten und friedlichen Volksfeste dem Verein der Vorarlberger in Wien zu verdanken hat. Gemeint ist das Funkenfeuer, kurz: Funken, auf der Himmelwiese am Cobenzl. An diesem Ort, einem der Hausberge der Wiener, wird in jedem März einmal bei Einbruch der Dunkelheit ein kunstvoll aufgeschichteter Holzhaufen mit Stroheinlagen öffentlich entzündet und damit die Winterzeit symbolisch aus dem Jahreskreislauf vertrieben.

 

Letztes Wochenende war es wieder einmal so weit. Die für den diesjährigen Brand verantwortliche Funkenzunft war aus Bregenz-Fluh angereist und übertraf tatsächlich alle Erwartungen der ZuschauerInnen bei weitem. In den Jahren 2011 und 2012 war nämlich beim Funken am Lebensbaumkreis einiges schief gelaufen. So hatte die rotgrüne Stadtregierung im Rathaus das Feuer mit dem fadenscheinigen Argument einer erhöhten Emissionsbelastung der Wiener Luft behindert; es durften nur mehr stark verkleinerte Holztürme am Himmel verbrannt werden.

 

Zudem sahen sich die Wiener Linien mit dem Andrang der Menschenmassen vollkommen überfordert; im letzten Jahr mussten sich Familien ihren Platz in den überfüllten Bussen vom Cobenzl retour nach Heiligenstadt regelrecht erstreiten. Dieses politisch-administrative Doppelfiasko hat sich im zurückliegenden Jahr offenbar so weit herumgesprochen, dass heuer nur mehr ein Bruchteil der schaulustigen Menge zusammenströmte.

 

Die geringere Besucherzahl hatte wunderbare Effekte: nur mehr zwei- bis dreitausend Menschen, so dass man einander nicht mehr gegenseitig auf die Zehen steigen musste; sinnvolle Absperrungen und Schotterhaufen für die Kinder zum Spielen; sinnvolle Busintervalle von drei und später dann zehn Minuten; und, das Wichtigste, ein wieder 14 Meter hoher, perfekt gebauter Funken, dessen Turmkonstruktion den Flammen länger als eine Stunde standhielt.

 

Die Politikerreden beschränkten sich 2013 auf angenehme Kürze, die Atmosphäre war wieder entspannt wie in den Anfangsjahren dieses Voralberger Brauchtumsexports nach Wien. Als die Flammen des Funkens die Hexenpuppe an der Spitze des Stapels erreichte, donnerte ein herzerfrischender Böller über die Wiesen.

 

Kritisieren ließe sich am Szenarium des heurigen Festes nur das überlange Feuerwerk, das vermutlich das Jahresauskommen einer ganzen chinesischen Kleinstadt sichern dürfte. Und auszusetzen hätte ich vielleicht noch ein Wenig an der Dauerbeschallung mit Grooves aus den Lautsprecherboxen. Am Player verdrängte ein gewisser Flo Plattner das schöne Knistern der brennenden Scheiter im Hörraum.

 

Nein, sage ich, noch haben wir gewöhnlichen Verbraucher uns nicht daran gewöhnt, dass bei jeder Spaßveranstaltung synthetische Bässe den Herzschlag der Menge synchronisieren. Noch sind wir nicht alle gleichgeschaltet. Doch in Österreich wird mittlerweile vom Brauchtum über Wahlveranstaltungen bis zum Sport praktisch jeder Großevent mit akustischem Müll zugedeckt.

 

Gibt es denn heute überhaupt etwas Uncooleres als öffentlich wummernde Basslinien?

 

© Wolfgang Koch 2013

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