vonWolfgang Koch 30.08.2013

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Wahlkampf ist Kommunikationskrampf, sei also auf’s Schlimmste gefasst! Als der geniale texanische Anti-Politiker Kinky Friedman vor einigen Jahren als Country-Sänger durch Europa tourte, resümierte er ein Besichtigungsprogramm in Österreich mit den Worten: »In 90 minutes we saw Mozart’s birthplace, Hitler’s birthplace, Arnold Schwarzenegger’s birthplace – the story of mankind in less than two hours«.

 

Mozart, Hitler, Schwarzenegger – exakt diese Bleigewichte der Menschheitstradition lasten auch auf dem Nationalratswahlkampf 2013 und erstickt jeden aufklärerischen Moment schon im Keim. Während Sozialdemokraten, Konservative und Grüne durchwegs auf die Leichtfüßigkeit Mozarts setzen, also mit gutgelaunter Sympathiewerbung und  Allerweltsforderungen (»Arbeit! Kontrolle! Qualität!«) Wähler mobilisieren möchten, schreibt die rechte FPÖ Hitlers identitäre Gedankenbrühe fort. Das nationale Lager setzt diesmal umständlich mit dem Slogan der »Nächstenliebe« auf die Produktivität des Hasses gegenüber Zuwanderern und Asylanten.

 

Und Schwarzeneggers naives Weltverbesserertum? Das wird vom Austro-kanadischen Milliardär Frank Stronach tumultierend fortgeschrieben. Er posiert nackt wie Putin, umgibt sich mit Blondinen und Anhimmlern. Die Idee eines neuen Weltzustandes entfesselter Marktkräfte impliziert bei Stronach die Aktivierung der politischen Verfeindung als Widerstand. Der Tatterpatriarch, der nicht einmal ein einigermaßen korrektes Deutsch spricht, kennt als Habitus nur Unduldsamkeit. Der ganze Staat wird in seinen Augen von »Parteien« und »Berufspolitikern«, die nicht regieren können, in Geißelhaft gehalten. Die Arbeiterklasse habe kapitalistisch zu ticken oder gar nicht.

 

Haben die Österreicher denn keine anderen Sorgen? Kümmern sie die 30 Millionen Arbeitslosen in der Union nicht? Nein, nicht einmal zu Koalitionsaussagen sind Politiker im Land bereit, obwohl sich Werner Faymann (SPÖ) und Eva Glawischnig (Grüne) locker zum Bekenntnis: »Mit allen koalieren wir gerne, außer mit der FPÖ« herablassen könnten.

 

Ganz unverfroren wurde diese zutiefst undemokratische Geflogenheit, das Beschweigen von erwünschten Macht-Optionen, vom ohnehin hoffungslosen KPÖ-Kandidaten Mirco Messner ausgesprochen: »Realistisch ist immer das, was sich dann (am Wahlabend) konkret ergibt«.

 

Die österreichischen Medien berichten keineswegs aus dem Wahlkampf, also über Köpfe und ihre Haltungen, sie gleichen keine Ideen mit Realitäten ab, sondern sie machen selbst Wahlkampf. Zeitungen und Gratisblätter featuren Spitzenkandidaten, deren Parteien die meisten Werbeeinschaltungen im eigenen Anzeigenteil gebucht haben. Und die Interviewer der liberalen Tageszeitung Der Standard versuchen in allerei Kombinationen eloquente Leute zur Vernunft zu bringen, statt vernünftige Leute zum Sprechen.

 

Falter-Chef Armin Thurnher zieht einen angefaulten Begriff aus der Mottenkiste der Kommentatoren und fordert von der politischen Elite des Landes mehr »Würde« zu zeigen. Es mutet aber recht seltsam an, wenn ein Journalist von seinen Frühstückspartnern verlangt, dass sie die Serviette benutzen.

 

Das Enfant terrible der Innenpolitik, Mister Stronach aus den steirischen Weiten Kanadas, kann praktisch jeden Blödsinn in die Öffentlichkeit hinausposaunen. Zum Beispiel, dass es das Ziel der österreichischen Schulpflicht sein müsse, dass der Hauptschulabgänger am Ende eine Steuererklärung ausfüllen kann. Mit Dutzenden solchen Jux-Parolen erobert der Tattermillionär die Herzen jener, die jede Häme gegenüber der politischen Klasse goutieren.

 

Und dennoch ist Stronach gleich mehrfach zu danken: dass er so viele Werbemillionen über Österreich abwirft, dass er die FPÖ zu einer politischen Randgröße degradiert, dass er für alle gut sichtbar die Käuflichkeit der Volksvertreter vor Augen führst, die Dummen zum Abzählen anlockt und dem Versagen der Opposition seinen Namen gibt.

 

Die Geldpartei Stronachs veranstaltet momentan einen politischen Ideenwettbewerb mit der Gewinnsumme von 100.000 Euro und nährt damit gefährliche Illusionen der Machbarkeit. Ein österreichischer Bundeskanzler ist in einer Koalitionsregierung ja kaum mehr als ein schlecht informierter Zuschauer des Weltgeschehens.

 

Monika Lindner, eine Ex-Funktionärin des Staatsfunks, blamierte sich selbst, Stronach und die Medien durch ihrer Kandidatur und einen gleich darauf erfolgenden Rückzug aus dem Team Stronach. Allein, zu dem Zeitpunkt war es bereits zu spät; Lindner kann jetzt ihren Namen von den Listen nicht mehr »zurückziehen«, sie kann nur ihren zukünftigen Verzicht auf das zu erwartende Mandat erklären. Für Österreichs ahnungslose Medien kein Unterschied.

 

Der Poltergeist Stronach akzeptiert übrigens nicht einmal die einfachste Grundregel der demokratischen Pressefreiheit, nämlich die strikte Trennung von Redaktion und Anzeigengeschäft. Er ist ein Aufklärer wider Willen, wie ihn Österreich, und vielleicht Europa, noch nie gesehen hat.

 

Am politischen Himmel hängen aber nicht nur Stronachs Lügen. Erst vor wenigen Tagen behauptete die Kolumnistin Barbara Coudenhove-Kalergi, ernstzunehmende Parteien entstünden in einer Demokratie immer dann, »wenn es im bestehenden Parteienspektrum eine Lücke gibt«. Doch Politik ist nirgendwo ein »Markt«, sie ist ein klar umrissener Machtraum, in dem die Interessen der Gesellschaft nur notdürftig zivilisiert miteinander im Krieg stehen. Das muss eine liberale Dauerschwätzerin natürlich nicht wissen.

 

Sozialdemokratische PolitikerInnen behaupten ohne schamhaft zu erröten, dass erstens Ganztagsschulen in total veralteten Schulgebäuden, zweitens der kostenlose Universitätszugang für Ausländer und drittens die Verlängerung der Familienbeihilfe für Studierende »links« seien. Das ist das alles mitnichten.

 

Ausgerechnet der Grünen-Vize Werner Kogler diffamierte im August den Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer als »schwarzen Klotz«, »Apparatschik« und als »Kuh, die quer im Stall liegt«. Eine solche Dämonierung politischer Konkurrenten wäre vor ein paar Jahren bei den Grünen noch undenkbar gewesen.

 

Eine lebendige politische Kultur bräuchte übrigens auch keine Staatsmedien. Die Grünen versuchen dieser Tage mit einer beauftragten Studien zu belegen, dass sie in Punkto Sendeminuten gegenüber der Regierung benachteiligt sind. Die Studie ergab allerdings auch, dass die FPÖ im ORF doppelt so stark diskrimiert wird wie die Grünen selber.

 

Soviel lässt sich jetzt schon sagen: Der Rückstand der österreichischen Gesellschaft hinter dem zeitgeschichtlich Möglichen, der wird nach dem 29. September bestehen bleiben. Die einzige Reformperspektive, oder sagen wir besser: den letzten Funken Verstand, verkörpert die Grünen-Partei, obwohl sie gerade dort, wo sie in Österreich endlich an die Macht gekommen ist, nur sehr kleine Mäuse gebiert.

 

© Wolfgang Koch 2013

 

 

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