vonWolfgang Koch 15.01.2014

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Lieber Julian Schmid,

ich bewundere deinen Mut außerordentlich, von der Universität hinüber ins Parlament zu wechseln, über die Lebensbaustelle Studium hinaus auch noch die Lebensbaustelle Politik  zu eröffnen. Denn was heisst das?

Es heißt aus einer Sphäre auszusteigen, in der Studierende nie auf die eigene Leistung vertrauen, sondern meinen, in der Ausbildung Glück oder Pech zu haben; und in eine Welt hinüber zu wechseln, in der ausnahmslos alle Akteure unter ihrer Erfolglosigkeit leiden, während sie zugleich vorgeben müssen, in der gesetzgeberischen oder kontrollierenden Arbeit überaus erfolgreich tätig zu sein, in ein Arbeitsgebiet also einzutreten, in dem der einzige wahre Erfolg des Politikers darin besteht, wieder zur Kanidatur aufgestellt und erneut gewählt zu werden.

Kurz: Du enterst ein Boot, in dem man die erfolgreiche Verteidigung seines Sitzes als ein Politikmachen auszugeben gezwungen ist, das so gar nicht existiert.

Sind Politiker und Politikerinnen deshalb heute in unseren Breiten so überaus unbeliebt? Sind sie deshalb die Buhleute der Nation, weil das Publikum einfach keine Lust mehr hat, an dieser Dauerkomödie der Demokratie mitzuwirken?

Es kann doch nicht nur ein unerkanntes, verborgenes Erbe der nationalsozialistischen Pöbel-Kultur in unseren Breiten sein, sage ich mir, dass man an jeder Ecke und in jeder Kolumne auf »die da oben« schimpft.

Ein gutes Beispiel für die allgemeine Politikerverdrossenheit war jene satirische Talksendung des ORF »Wir sind Kaiser«, in der du unlängst aufgetreten bist. Im Grund genommen haben dich die Kabarettisten dort ja nur eingeladen, um in einer Art Ritterspiel mit läppischen Witzchen über die politische Klasse als Ganzes herzufallen; nicht über das Handeln oder die Moral einzelner Volksvertreter, nein, sondern über die Politikmenschen insgesamt. 

Die Comedy putzte sich ab an ihrer Konkurrenz im Unterhaltungsgeschäft.

Du, lieber Julian, dientest in dieser Sendung als unverdorbenes und harmloses Gegenstück zum alteingessenen Parlamentarier, gleich welcher politischen Coleur; und entsprechend piepsmäusig fielen auch deine Antworten aus. Schließlich schienen die Angriffe auf die politische Nomenklatura ja nicht eigentlich dir zu gelten, sondern gestandenen Kerlen, die dem tagsüber fleißgen TV-Zuschauer angeblich nur auf der Tasche liegen.

Hätte sich ein stolzer und mutiger Republikaner so vor hunderttausenden Österreichern vorführen lassen? Hätte ein von der Notwendigkeit des Parlamentarismus überzeugter Demokrat sich für die billige Häme gegen den Interessenausgleich in Staat und Gesellschaft derart missbrauchen lassen?

Ich meine, nein. Gut, du bist jung! Die Dinge sind nicht immer nur entweder wahr oder falsch. Jeder in diesem Geschäft muss Kompromisse machen und sich vor Arroganz hüten.

Nur: die Beziehung von Politik und Medien verhält sich heute in der Regel genau umgekehrt zu dem, wie sie öffentlich dargestellt wird. Nicht die Medienleute sind die Getrieben, die Politikerinnen sind es – und je besser und williger sie in TV-Formaten auftreten, desto schlimmer machen sie die Sache.

Die tiefe Verachtung, die das Massenpublikum heute der Sphäre des Politischen entgegenbringt, hat seine Wurzeln also keineswegs nur in den 1930er-Jahren, als totalitäre Rattenfänger von links und rechts begannen, ihren Hass gegen »das System« und gegen den »Parteienstaat« zu verspritzen.

Nein, die tief eingefleischte Verachtung, die man der Politik und dem Politischen entgegenbringt, hängt genau damit zusammen, dass Politik in der Öffentlichkeit zu einem Unterhaltungselement unter anderen herabgesunken ist.

Erinnere dich an den Sex-Skandal in deiner Heimat Kärnten. Der österreichische Tagesboulevard war hin und weg, als ein Mandatar aus dem Team Stronach die Affaire seiner Frau mit dem Parteifreund und Landesrat Gerhard Köfler öffentlich machte.

Der ORF sendete vor der Nationalratswahl 2013 die komplett informationsfreien Aufzeichnungen von Autofahren mit Spitzenpolitikern durchs Land, bei denen sich die Kandidaten neben einem aufgeblasenen ORF-Redakteur aus dem Handschuhfach filmen ließen. Warum machen vernünftige Erwachsene, die eine Nation führen wollen, bei solchen Peinlichkeiten mit?

Weil ihnen Journalisten die Darstellung ihrer »menschlichen Seite« versprechen; weil sie denken, dass sie mit Witzchen und Grimassen jene Sympathiepunkte bei den Wählern wieder wettmachen können, die sie in der letzten Legislaturperiode mit Sachpolitik verspielen haben. Und haben denn nicht auch die Grünen mit dem passionierten Raucher und erklärten Donaldisten Alexander van der Bellen ein Jahrzehnt lang auf den Primat der Sympathiewerbung für ihre Bewegung gesetzt?

Ich denke, dass die enorme Entpolitisierung der Politik durch den Medienzirkus am meisten zu ihrem Ungemach beiträgt. Nur politisch besonders interessierte Menschen kriegen überhaupt mit, mit welcher Unverschämtheit die Parteien gerade wieder in die öffentlichen Kassen greifen.

Vier unserer Parteien, darunter deine, haben die Parteienförderung des Bundes in nur zwei Jahren von 15,3 Millionen Euro auf 36,1 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die Stadt Wien, in der die Grünen so ungeschickt wie möglich mitregieren, vergütet den Gemeideratsklubs sogar unbenutzte Büroräume mit 120 Euro pro Quadratmeter im Jahr.

Ist das nicht vollkommen absurd? Hier Rekordsummen bei der Parteien- und Klubforderung, und auf der anderen Seite steht dir, dem frischgebackenen Parlamentarier, nicht einmal ein eigenes Büro zur Verfügung?

Hast du die Öffentlichkeit nicht ungefragt wissen lassen, dass du Bud Spencer-Western liebst? Wo bleibt jetzt die »beidhändige Doppelbackpfeife« oder der »senkrechte Schlag mit der Faust auf den Kopf«, um den Neustart der Politik in diesem Land zu befördern?

 © Wolfgang Koch 2014

Foto: Martin Juen

 

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