vonWolfgang Koch 07.05.2015

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Es gehört schon einige Chuzpe dazu, sich in die pipifeinen Mamorhallen des Bank Austria Kunstforums auf der Wiener Freyung zu stellen und in den Tagen, da der Krieg in der Ostukraine wieder aufflammt, in den Tagen, da der Bürgerkrieg in Syrien ins fünfte Jahr geht, in den Tagen, da in Gefechten in Afganistan und im Irak ohne Ende Menschen sterben, in den Tagen, da illegale Zuwanderer zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken, ganz zu Schweigen vom Sudan und von Nordmali… – es gehört wirklich einige Chuzpe dazu, sich als Künstler in dieser zeithistorischen Situation auf einen Barhocker zu schwingen und in die Kameras zu sagen:

»Dramen sieht man im Fernsehen: 24 Stunden Krieg, Verzweiflung und Tod. Man kann das gar nicht überbieten mit einem Bild. Da hat der Maler gar nichts mehr zu suchen. Das wäre Perversion, da etwas damit zu machen«.

Und es gehört eine gehörige Portion Provinzialität dazu, wenn der ORF dieses heillose Statement des Künstlers Hubert Schmalix in den sogenannten Hauptnachrichten des Fernsehprogramms, der Zeit im Bild 1, der Nation als mitteilenswerte Kulturneuigkeit offeriert.

Aber so ist sie eben, die selbsternannte Kulturhauptstadt Wien, die den Mitgliedern ihrer Bussi-Bussi-Gesellschaft jede nur erdenkliche Dummheit durchgehen lässt.

Kunst muss nichts überbieten. Das ist der erste Irrtum! Kunst muss überhaupt nichts. Darum muss sie auch nicht zu den Gewaltorgien der Gegenwart Stellung nehmen, das stimmt schon, Kunst muss keineswegs engagiert sein, wie das manche Progressive immer noch verlangen.

Aber es macht einen himmelhohen Unterschied, ob die Kunst das Engagement freiwillig links liegen lässt oder jede Möglichkeit einer Thematisierung von Krieg, Verzweiflung und Tod einfach in Abrede gestellt wird.

Schmalix ist ein Abgänger der Wiener Akademie und lebt seit dreißig Jahren vorwiegend in Los Angeles. Erweitert hat das seinen Horizont offenbar nicht. Denn es gibt durchaus sehr gute Gegenwartskünstler, aufgeweckte Zeitgenossen, die nicht vor den TV-Bilder kapitulieren und uns sehr genau Auskunft geben über aktuellen Dramen in der Welt und in den Köpfen. Ich nenne nur die pink leuchtende Kriegsmeditation The Impossible Image des irischen Dokumentar-Fotografen Richard Mosse über die Gewalt im Kongo von 2013; ich nenne die fulminanten Arbeiten des Libanesen Rabih Mroué, der den Blick der Opfer auf den Täter in den Kriegen im Irak und in Syrien untersucht. Hermann Nitsch hat im türkischen Çanakkale vor wenigen Tagen ein monumentales Gemälde mit dem Titel »Mahnmal gegen den Krieg« der Öffentlichkeit präsentiert.

Das alles sollen Perversionen sein? Nein, Herr Schmalix, wirklich nicht! Das sind kluge ästhetische Analysen, die andere Wissenssysteme nicht leisten können, und es sind moralisch notwendige Einsprüche gegen die Brutalitäten der Zeit, die darum auch auf jedes »poppige Image« verzichten können.

Schmalix behauptet von Maria Lassnig malen gelernt zu haben – gut, und warum tut er das dann nicht?

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Wir sehen im Kunstforum Wien ungelenke Gouchen mit nackten Filippas; wir stehen vor Gemälde mit tapetenartigen Hintergründen, auf denen steife weibliche Körper schweben; laue Irritationen mit großflächigen Teppichmustern, Pinselangeberein. Wir sehen Comics-Motive in der Farbpalette japanischer Holzschnitte; Konturenmalerei á la C. O. Paeffgens; wir sehen Formenspiele mit mehr oder weniger glatt aufgetragenen Farben – alles bestens geeignet für das Entré eines Immobilenmaklers, für die Lobbys von Altenheimen und Waffenhändlern.

Diese Montagebilder des Hubert Schmalix sind genau das, von dem Jonathan Meese kürzlich gemeint hat, der Kunstmarkt versuche dem Publikum Design als Kunst anzudrehen.

»Ich sehe mich als Dekorateur«, sagt Schmalix über sich selbst. »Es drängt mich dazu, nichts zu sagen, ich möchte nur den Gegenstand bei mir haben«.

Na, schön!  Aber was haben dann diese Dekos in Galerien, Kunsthallen und Museen zu suchen? »Wir dekorieren die Welt nicht«, hat Susan Hiller 2012 mit bedeutend mehr Gewicht gesagt. »Wir Künstler leisten wirkliche Arbeit«.

© Wolfgang Koch 2015

 

Fotos:

Cathedral von Hubert Schmalix, Öl auf Leinwand, 2014 – Lee Thompson

Ausstellungseröffnung mit philosophischem Adabei, leisure.at/Oreste Schaller

 

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