vonWolfgang Koch 11.06.2018

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Wenn alle wieder von Karl Marx reden, reden wir von dem Mann, der ihm die besten Gedanken geliehen hat. Lektion 4: DIE NATUR.

Den Charakter der Natur (Physis) beschreibt Ludwig Feuerbach ähnlich egoistisch wie den Charakter Gottes, der sich nur zu sich selbst verhalten kann. Sie existiert unabhängig von der Philosophie, und sie kennt kein Gesetz ausser ihr eigenes Sein. Umgekehrt lässt sich das nicht behaupten: Das Denken hat die Natur zur Voraussetzung, weshalb die Philosophie als ein wesentliches Sinnenobjekt des Menschen selbst angesehen werden kann.

Die Aufgabe von uns Menschenkindern ist nun zwischen diesen beiden Instanzen zu vermitteln: Natur und Gott, allerdings mit recht untauglichen Mitteln. Denn Natur ist ja selbst schon Licht, Geist, Vernunft – die wahre Basis der Philosophie. Der Erkenntnisprozess kann letztlich nur als ein Naturprozess aufgefasst werden – und die Tatsache, dass wir das erkennen können, ist der unaufhebbare alogische Moment der Natur.

Natur verfügt über jenes berühmte naturgegebene Recht, aus dem die ewig verlachten Arbeiter der Philosophiegeschichte, die Sophisten, das menschliche Recht heraus geschält haben – und nicht nur das Recht, sondern gleichauf damit auch die menschliche Natur, von der das Menschenwesen bekanntlich nur die eine hat (anthropologisches Prinzip).

Feuerbach billigt der Natur ein unbedingtes Subjektsein zu, ein unantastbares Eigenrecht; sie ist mehr als blosser Rohstoff für das Profitstreben des Kapitals und den Genossenschaftsbonus der Arbeit. Weil der Mensch in keinem substanziellen Widerspruch zu ihr steht, lautet ihr schlichtes Gesetz: Was der menschlichen Natur entspricht, das bleibt. Was ihr widerspricht, vergeht.

In der Geschichte der Denksysteme bleibt bis zu Lukrez die Metaphysik die Wissenschaft von der Natur. Doch dann widerspricht der Aufbruch der Naturforschung und eines mehr pragmatischen Denkens dieser Enge; die neuzeitliche Philosophie neigt sogar dazu, die Logik zur Physik der Seele zu machen. Der empirische Zugang der Naturwissenschaften übergeht den metaphysischen Anspruch und greift lieber auf das materielle Substrat der Ionischen Schule zurück, bekundet sein ausdrückliches Interesse an der Erwähnung des Stoffes in der Definition und bestreitet jede Möglichkeit einer ausserhalb des konkreten Wesens liegenden Form.

© Wolfgang Koch 2018

Themenfolge

Christentum, Religion, Gott, Natur, Leben, Tod, Leib, Sinne, Empfindung, Wahrheit, Erkenntnis, Denken, Philosophie, Wissen, Wissenschaft, Sein, Mensch

Feuerbach-Code

Anschauung = Registration, Sinneswahrnehmung, Weltaneignung

Denken = Seinsfolge

Empfindung = Rezeptivität

Enttäuschung = Aufklärung

Leib = Daseinseinheit der Subjektivität

Sinnlichkeit = Wirklichkeit

Wahrheit = erkannte Lebenstotalität

Foto: Gregor Lechner (Ausschnitt). Der Volksgarten Pavillon wurde in den 1950er-Jahren von dem legendären Wiener Architekten Oswald Haerdtl erbaut. Der Pavillon ist seit Anbeginn ein Wiener Familienbetrieb. Wiener und mediterrane Küche, hauseigene Konditorwaren und abends Grill vom bbq-Smoker.

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