Manchmal kann man selbst dreißig Jahre nach der Wende noch die alte DDR erleben. Oder besser: einen unschönen Mix aus Altem und Zeitgemäßem. So wie wir, als wir kurz entschlossen eine späte Urlaubsreise an die Ostsee, genauer gesagt nach Graal-Müritz, antraten. Schon nach einer Nacht in einer als „Ferienbungalow“ deklarierten und nach Schimmel duftenden Raucherbaracke mit zerschlissenem Bettzeug, abgefatzten Küchengriffen und einem zerbrochenen Plastiktisch ergriffen wir die Flucht. Hier wurde seit über dreißig Jahren nichts Wesentliches erneuert, dafür aber ordentlich verdient.
Unser Vermieter sah allerdings keinen Grund, den voraus gezahlten Mietzins zumindest anteilig zu erstatten. Fazit: Kapitalismus ist lernbar.
Wieder zurück im schönen Brandenburg/Havel galt es dann die Landtagswahlergebnisse zu bestaunen. Wobei ich in erster Linie über die Selbstverständlichkeit staune, mit der die SPD nun mit altem Personal einfach zur Tagesordnung zurückkehrt. Nach 29 Jahren Regierungsverantwortung, bei der die AfD zur zweitgrößten politischen Kraft im Land wachsen konnte. Hallo, Genossen! Ist bei Euch irgendwas angekommen?
Fallende Groschen sind eben nicht nur im politischen Berlin sondern auch im Land Brandenburg Mangelware. Zudem ist es ja auch viel spannender, die eigene Nabelschau mit Doppelspitzen zu verzieren, in Kaffeesätzen herumzurühren und wilde Panik zu schüren.

So entstehen Wahlergebnisse aus Reflex. Ich kenne Einige, die aus lauter Furcht vor den Blauen ihre Kreuzchen bei der SPD gemacht haben. Außerdem frage ich mich, was in den ehemaligen Nichtwählern vorgeht, die diesmal AfD gewählt haben und sich bei der nächsten Regierungsbildung wieder nicht repräsentiert sehen.
Das ist alles nicht sonderlich erquicklich und auch nicht beruhigend. Allerdings motiviert es, die Ursachen dieser Entwicklung zu erforschen. Ich habe mir jetzt die Abhandlung von Steffen Mau besorgt: „Lütten Klein. Leben in der Ostdeutschen Transformationsgesellschaft“. Mal sehen, ob ich schlauer werde.
