vonfini 25.08.2020

Finis kleiner Lieferservice

Eine philosophische Werkzeugprüfung anhand gesellschaftlicher und politischer Phänomene.

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Nach dem Ausbruch eines tödlichen Virus im Jahre 2020 haben sich Überlebende mit dem Ziel, frei, friedlich und sicher in einer neuen Gesellschaft zu leben, zusammengefunden. Die Überlebenden nannten sich selbst Salutemer (Salutem: lat. für Gesundheit). In den ersten Jahren nach der Gründung entwickelte sich diese Gruppe Überlebender tatsächlich zu einer Gesellschaft. Sie gründeten ein kleines Dorf namens Salutem. Es sollte keinen Eigentum geben, da die Salutemer während des Ausbruches des Virus miterlebten hatten, wie die ungerechte und ungleiche Verteilung des Eigentums zum Tod von Milliarden Menschen, die sich keine medizinische Behandlung leisten konnten, geführt hatte. Zudem sollten alle Salutemer die gleichen Rechte haben um zu garantieren, dass es zu keiner Konzentration der Macht auf eine Person oder Gruppe innerhalb des Dorfes kommen würde. Entscheidungen innerhalb des Dorfes wurden mit allen Bewohnern gemeinsam bestimmt und sollten immer das Wohl aller fördern. Auch sollte ein Salutemer für immer einer bleiben und hatte somit immer das Recht in Salutem zu leben.

Dieses System funktionierte für einige Jahre sehr gut, das Dorf florierte und schon bald kamen Überlende aus allen Teilen der Welt, die von dieser Oase des Friedens und der Sicherheit gehört hatten. Viele Salutemer freuten sich über diese Neuankömmlinge und sahen in ihnen eine Bereicherung für Salutem. Andere sahen in ihnen jedoch eine erneute Ansteckungsgefahr und Bedrohung ihrer Sicherheit. Zwischen diesen beiden Interessengruppen kam es zu vielen Konflikten. 2028 entschlossen sich die Salutemer schließlich dazu, eine Abstimmung unter ihnen zu organisieren, die entscheiden sollte, welchen Kurs Salutem fahren würde. Die Bewohner konnten sich entscheiden, ob sie für oder gegen eine Aufnahme von anderen Überlebenden waren. Das Ergebnis der Abstimmung war sehr knapp. Etwas mehr als die Hälfte der Salutemer entschied sich gegen die Aufnahme von Überlebenden. Da die Abstimmung so knapp verfiel, einigten sich Salutemer darauf, ein Komitee zu bilden, das bei jedem Überlebenden entscheiden sollte, ob diese in Salutem leben dürften oder nicht. Dieses Komitee nannten sie das AV(Antivirus).

Zu Anfang war AV nur für die Aufnahme von Überlebenden zuständig. Im Jahr 2030 kam es innerhalb von Salutem zu einem Ausbruch des Virus, bei dem knapp vierhundert Salutemer verstarben. Da das AV durch dessen Aufgabe, die Überlebenden zu überprüfen, bereits viele Vorkenntnisse bei der Früherkennung des Virus hatte, konnte es sich bei der Eindämmung des Virus als wichtigste Organisation innerhalb von Salutems hervortun. Dem AV wurde noch während des Ausbruches die Aufgabe der allgemeinen Bekämpfung des Virus übertragen. Um die Ausweitung des Ausbruches zu verhindern, legte das AV den Salutemern einige Beschränkungen auf. Anfangs waren diese ein weitgehendes Kontaktverbot und eine Ausgangssperre. Diese Maßnahmen wirkten und reduzierten die Zahl von Neuinfektion nach einigen Wochen bereits stark. Doch nicht alle Salutemer hielten sich an diese Maßnahmen. Nachdem eine Gruppe von rund zweihundert Salutemern eine große Feier veranstalte und die Maßnahmen ignorierte, kam es zu einem erneuten Ausbruch des Virus, der wieder viele Leben kostete. Die Salutemer waren entsetzt und erbost über das Verhalten ihrer Mitbürger und verlangten eine gerechte Bestrafung.

Das AV äußerte, dass vergehen bezüglich des Virus, vom AV verflogt und bestraft werden sollten, da es am besten dafür qualifiziert sei. Die Salutemer stimmten dem AV zu. Das AV beschloss die Organisatoren der Feier aus Salutem auszuschließen. Dies widersprach einem der grundlegenden Gesetze Salutems. So galt bis dahin: „einmal ein Salutemer, immer ein Salutemer“ und noch nicht einmal seit der Gründung Salutems wurde dieses Gesetzt gebrochen. Dies führte zu einem regen Diskurs innerhalb der Salutemer. Man war sich unsicher, ob das AV damit nicht zu weit ging. Eine Gruppe von Salutemern ging zur Zentrale der AV um gegen diese Entscheidung Widerspruch einzulegen.

Doch die AV inhaftierte diese, mit der Begründung, sie hielten sich nicht an die Maßnahmen. Die Organisatoren wurden also aus Salutem verbannt. Die AV hatte somit nicht mehr nur Befugnis Menschen das Einreisen nach Salutem zu verwehren, sondern auch die Verbannung von Salutemern zu bewirken. Das AV weitete in dem folgenden Jahr dessen Macht immer weiter aus. Es begründet diese Machtausweitung stets mit der Bekämpfung des Virus. 2031 verabschiedete das AV die „Bestimmung für Transparenz und Sicherheit“. In dieser verlangt das AV von allen Salutemern vollkommene Transparenz, da bloß dadurch das Virus vollkommen vernichtet werden könne. Währenddessen wurden weiterhin kritische Stimmen innerhalb der Salutemer durch die Androhung der Verbannung und Inhaftierung unterdrückt. Durch die „Bestimmung für Transparenz und Sicherheit“ wurde es Kritikern des AV noch schwerer gemacht sich zu organisieren und etwas gegen die AV zu unternehmen. Im Jahr 2032 wurde schließlich der Virus in ganz Salutem vollkommen besiegt. Für viele war dies nicht nur wegen dem Ende des Virus ein Grund zu feiern, sondern auch weil sie glaubten, dass dadurch die Maßnahmen des AV zu einem Ende kommen würden. Doch verkündete die AV die Maßnahmen, zur Prävention eines erneuten Ausbruches, weiter zu erhalten.

Das Salutem, dass einst als ein Ort der freien und friedlichen Entfaltung gegründet wurde, war inzwischen nichts anderes als ein Gefängnis, dessen Insassen gesund waren.

Von: Schüler*in der 8.-10. Klasse, Gesamtschule Bremen-Mitte

(Text B zu: Stille Zeugen – wie Kinder Corona erleben)

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