vonHelmut Höge 30.11.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Die taz hatte immer eine gute Küche (Kantine), d.h. die taz-köche gaben sich immer große Mühe. Der Unmut über das Essen setzte erst ein, als die Kantine outgesourct wurde – im neuen taz-domizil in der Kochstraße. Kurz vorher hatten Hausbesetzer auch noch – zum zweiten Mal – den großen taz-konferenz- bzw. eßtisch geklaut.  Meistens ging es dann darum, dass die Mitarbeiter nicht jeden Tag das selbe (Nudeln) essen wollten. Seitdem die Kantine aber wieder ingesourct wurde (mit dem taz-café) und Nancy wieder Köchin ist, haben die Klagen erst mal aufgehört – nicht jedoch das Reden über das Essen. Schon allein die tägliche Speisekarte ist sprachlich ziemlich elaboriert. Überhaupt hat mit der Ökobewegung eine allgemeine Hinwendung zu “gutem Essen” stattgefunden, was sich u.a. in regelmäßigen taz-beilagen über Wein niederschlägt. Sogar in der Jungen Welt gibt es neuerdings so etwas.

Den Altlinken – wie Christian Semler – ist dieser Hang zur Wohllebe immer noch suspekt. Er spricht gerne von “fressen gehen” – und meint damit irgendeinen Schweineimbiß rund um den Check Point Charly, wo auch ich gerne  hingehe, wenn auch weniger wegen des billigen Essens als wegen der proletarischen Kellner, die mir lieber sind als überkandidelte “Menüberater”, auch macht es mich nervös, groß über Speisezubereitungs-Begriffe zu diskutieren – die landwirtschaftliche Produktion ist mir wichtiger als die Konsumption.

Am 11. Juni 1941 begann der vom Mitarbeiter an der deutschen Botschaft in Moskau erst zum Leiter der Abteilung “Wirtschaft – Russland” des Auswärtigen Amtes und dann zur “Dienststelle Rosenberg” (dem späteren Ostministerium) beförderte Jurist Otto Bräutigam mit der Führung eines  Tagebuchs. Am ersten Tag notierte er:

Wir bereiten große Ereignisse vor.

Am 15.6.: Dann aßen wir im Esplanade zu Mittag.

22.6.: Ausbruch des Krieges mit der Sowjetunion…Wir aßen abends mit Dr. Dittloff im Krollgarten.

24.6.: Mit Vortr.Leg-Rat Rittmeister von Etzdorf in Insterburg im Ratskeller gemütliche Stunden verbracht.

13.7.: Am Nachmittag fuhren wir zu unserem neuen Haus in Zehlendorf. Ich betätige mich tüchtig beim Pflücken von Kirschen.

16.7.: Wir fuhren gleich zum Führer, der nach kurzer Zeit erschien, um mit uns Mittag zu essen…Von der Kaffeetafel ist noch nachzutragen, daß der Führer die völlige Eindeutschung der Krim als notwendig bezeichnete.

17.7. Das Essen fand im Speisewagen des Zuges statt und war recht gut. Der Reichsführer SS erschien plötzlich und erkundigte sich, ob wir auch Kaffee und Kuchen bekommen hätten.

21.7.: Mit Mackeben, Rost und v. Etzdorf auf Jägerhöhe zu Mittag gegessen.

25.7.: Dr.Kleist abgeholt. Hinterher zu meinem Regimentskameraden Dr.Reuß, wo wir zu Abend aßen.

11.8.: Nachmittags fuhr ich nach Kemeri heraus, dem lettischen Badeort…und trank mit meinen beiden Begleitern, dem Fahrer Friedrich und dem Gefreiten Stücker gemütlich Kaffe bei reichlich Butter.

12.8. Einige Einkäufe im “Kaufhaus der Wehrmacht”. Viel gab es nicht. Aber mein Fahrer hatte 25 kg Butter besorgt, das wir uns redlich teilten.

Zu dieser Eintragung gibt es eine Fußnote des Historikers H.D.Heilmann in dem Rotbuch “Biedermann und Schreibtischtäter”, wo er einen Teil des Tagebuchs wiederveröffentlichte: “Als der Spiegel (12/19556) auch diese Butter-Passage abgedruckt hatte, meldete sich ‘der Fahrer Friedrich’ im Leserbrief zu Wort: Bräutigam haben nichts von diesem ‘Einkauf’ gewußt, sei ‘ziemlich entrüstet’ gewesen, es hätte nicht viel gefehlt, und er habe die Ware in der nächsten Militärkantine abgeben müssen. ‘In dieser Zeit wurden große Mengen Butter an Militärpersonen abgegeben, weil Riga in Butter schwamm und diese in der heißen Zeit zu verderben drohte’.”

15.8.: In Bromberg aßen wir zu Mittag.

16.8. Zu Hause. Im Garten war Großbetrieb. Die Kirschenernte ging langsam zu Ende und die Pflaumenernte begann.

21.8.: …in einem Nest zwischen Bromberg und Thorn schlecht zu Mittag gegessen…Dann tranken wir in einer Konditorei echten Tee und trennten uns.

2.9.: Ich wurde abends im Kasino zum Pilzessen eingeladen. Es waren von Kameraden selbst gepflückte Champignons, die ausgezeichnet schmeckten.

5.9. Morgens mit einem Glas Sekt bei Major Cranz und Hauptmann Zimmermann gefeiert.

8.9. Mit Henckes bei Peltzer (Atelier) zu Mittag gegessen.

16.9. Weiter über Tuchel nach Konitz, wo wir zu Mittag aßen (Restaurant Engel)…gegen 9 Uhr in Berlin. Im Garten herrschte Pflaumenreife.

22.9. Bei Mutti Entenbraten gegessen.

30.9. Wir aßen etwas früher allein und fuhren dann durch das Lager Quelle über Goldap nach Rominten, um den Reichsmarschall zu besuchen.

7.10. Frühstück mit Hauptmann Zimmermann bei Schlichter.

8.10. Frühstück mit Stabsleiter Schickedanz bei Horcher.

9.10. Im Konzert…Rückkehr mit Gertrud, im Fürstenhof gegessen.

15.10. Frühstück bei Gesandten von Saucken.

18.10. Tee bei uns mit Frau Mertens

19. 10. Nachmittags beim Minister…Hinterher zum Tee bei Scheidts.

20.10. Mit Dr. Köbcke im Eden gefrühstückt.

22.10. Um 17 Uhr 30 mit Dr. Krüger bei Stöckler Hummer gegessen.

26.10. Wir arbeiten uns langsam an Moskau heran. Im Führerhauptquartier mit Dr. Köppen unter Vertilgung zahlreicher Stücke Pflaumenkuchen Kaffee getrunken.

27.10. Besprechung mit Major i.G. v. Altenstadt über Propagandafragen. Dann Sonderessen der Abteilung Kriegsverwaltung (Lachsforellen).

2.11. Zu Hause…Eine schöne von Daffi gebackene Torte würzte den Teetrank.

8.11. Nachmittags zum Tee bei Twardowski. Abends bei Windeckers zum Essen.

11.11. Bei uns Gänseessen.

17.11. Mit Leibbrandt und Dittloff im Kaiserhof gegessen; hinterher Vernehmung des Sohnes von Molotow.

18.11. Mit (unleserlich) im Eden gegessen.

20.11. Röntgenaufnahmen durch Dr. Motz…,weil ich in den letzten Tagen größere Magenbeschwerden hatte.

21.11. Nochmals zum Röntgen. Auch der Darm war in Ordnung.

30.11….zu Muttis neuem Heim in Klein-Machnow…Bei einer Flasche Wein wurde die Einweihung vollzogen.

12.12. …bei Dr.Wagner. Der Abend verlief sehr gemütlich bei gutem Essen und reichlichen Getränken.

24.12. Wir feierten eine gemütliche Weihnachtsfeier. Mit meinen großen, aus Ostpreußen mitgebrachten Vorräten machte ich einen guten Eindruck.

13.1. 1942 Putenessen bei uns mit Dr.Koebecke und Frau.

20.1. Mittags Frühstück bei Horcher auf Einladung von Admiral Canaris.

2.2. Regimentsessen im Gardekavallerieklub.

5.2. Essen mit dem Gesandten von Mandschukuo im Künstlerclub (Victoriastrasse)

15.2. Rosenberg beim Führer, der die Agrarordnung…gut heißt. Nachmittags Frau Schließ bei uns zum Essen. Zum Kaffee kamen Fritz, Irmchen, Gerda und Robert.

20.2….zurück über den See zur Insel Upalten, wo Kaffee und Kuchen mich erfrischte.

1.3. Nachmittags Abschiedskaffee für Schwester Hildegard.

28.3. Mittags mit Herrn Schliep und einigen anderen Herren im Ausland-Klub (Leipziger Platz) gegessen.

4.4. Mit Herrrn Generalkonsul Knapp im Kaiserhof gegessen.

16.5. Einnahme von Kertsch. In ‘Onkel Toms Hütte’ Kaffee getrunken.

22.5. Vom Minister feierlich Urkunde überreicht erhalten. Abends mit Mutti und Gertrud im Tusculum gegessen.

28.5. …wir saßen alle recht lange mit dem Minister zusammen, dessen Sekt trinkend, der leider etwas warm war…Im Ratskeller aß ich einen Teller Feldküchengericht, das gut mundete.

4.6. Frühstück mit Schickedanz bei Horcher.

16.6. Große Sitzung mit Reichskommissar Lohse und der Generalkommission über verschiedene Fragen des Ostlandes, darunter die mich sehr interessierende Frage der Reprivatisierung…Gemeinsames Abendessen im Gemeinschaftshaus…Abendessen bei Horcher.

20.6. Mit Hauptmann Müller und Fräulein Krause im Eden gegessen. Schlechte Bedienung.

26.6. Große Feier zu Ehren meiner Ernennung in der abteilung Kriegsverwaltung. 25 Gäste! Kalte Ente. Orchester. Sehr vergnügt!

27.6. Nachmittags mit Brigadeführer Zimmermann und Major Gloger Kaukasusfragen bei echtem Kaffee und Sekt besprochen.

3.7. Frühstück mit Generalkonsul Hollander und Geheimrat Wiedenfall im Esplanade.

27.12. …fuhr ich nach Karlsbad, wo ich …eine Kräftigung meines Magens erstrebte. Mein Arzt, Dr. Walther, verordnete mir die üblichen Brunnen für den Magen…Der Rumänin Frau Maria Zeiske half ich bei der Verlängerung ihres Aufenthaltsvisums. Sie hat sich später durch Übersendung von Lebensmitteln und Salaten aus Bukarest bestens revanchiert. In Berlin, wo inzwischen das Kernobst im Garten gereift war, blieb ich nur ein paar Tage…

Otto Bräutigams Tagebuch gelangte 1945 in die Hände des amerikanischen Geheimdienstes. 1953 wurde er wieder im Auswärtigen Amt eingestellt, 1956 nach Veröffentlichung seines Tagebuchs in der DDR jedoch vorläufig beurlaubt. Im Anschluß an seine Rehabilitierung war er dann bis zu seiner Pensionierung 1960 Generalkonsul der BRD in Hongkong. Danach verlieh man ihm das Große Bundesverdienstkreuz.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/11/30/essen-fuer-deutschland/

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kommentare

  • […] > Das Urteil erscheint mir schon sehr verwunderlich, das es für sowas > juristischen Regelungsbedarf gibt ist schon eigenartig. Wenn zwei sich nicht einigen können, ruft man da, wo das Faustrecht abgeschafft ist, üblicherweise die Gerichte an. Von daher ist das Urteil weder verwunderlich noch eigenartig, sondern es hat ein Gericht eine Entscheidung über widerstreitende Interessen zweier konkurrierender Tauchschulen getroffen. Für was es konkret juristischen Regleungsbedarf gibt entscheiden nicht die Juristen, sondern allein die Kläger. Wie heißt es doch so schön: “Wo kein Kläger, da kein Richter” Wenn in Deutschland solche Entscheidungen ergehen liegt das nicht an der deutschen Justiz, sondern an Klägern, die nicht kompromissfähig sind. (”Ich denke, also habe ich Recht.”) Dass es gerade bei Domainnamen neben der juristischen Lösung oft auch eine ganz einfache vernünftige Lösung gibt, zeigt dieses Beispiel aus der Schweiz: http://www.winterthur.ch/ Es würd micht wirklich interessieren, ob vorliegend die fragliche Tauschschule den anderen Tauchschulen in Dortmund freiwillig eine gemeinsame Nutzung der Domain als zentrale “Verteilerstelle” ermöglicht hätte. Gruß Pi […]

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