vonHelmut Höge 29.01.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Bei dem Berliner Treffen der Ex-Simensianer wurden nicht nur, wie erwähnt, die “Freimaurer” als Drahtzieher  bemüht, sondern auch der alte Spruch: “Siemens, das ist gar kein Produktionsunternehmen, sondern in Wahrheit eine Bank, die sich den Luxus der Produktion leistet.”

Dieser “Einschätzung” mit dem Charakter einer Volksmeinung (“Wer eine Meinung hat und sie vertritt – ist ein Meinungsbildner,” laut der hierbei generösen FAZ ) werde ich fortan in lockerer Folge nachgehen. Ich wußte bisher nur von General Electric, dem Siemens-Partner in der IEA, dass dessen Bank in jedem tschechischen Städtchen mindestens eine Filiale seiner “GE Moneybank” besitzt und dass sie in fast allen “interessanten Ländern” inzwischen tätig ist – auch in Deutschland, wo es heißt: “Unser Tagesgeldkonto hilft Ihnen, flexibel und nach Ihren eigenen Vorstellungen Geld zu sparen. Bei uns ist Ihr Geld in den besten Händen.”

Hier habe ich erst mal alle diesbezüglichen Stellen, die Siemens betreffen, aus dem Buch “Die Globalisierungsfalle” (1997) der beiden Spiegel-Redakteure Hans-Peter Martin und Harald Schumann rausgesucht (letzterer verließ 2005 die Redaktion, wenn ich mich richtig erinnere, wegen eines Artikels über “Windenergie”, den er pro geschrieben hatte, die Chefredaktion entschied sich jedoch für contra – angeblich weil Stefan Austs Landhaus wegen dieser Scheißwindräder in nächster Nähe im ideellen und materiellen Wert gesunken war. Siemens Power Generation ist übrigens der größte Windkraft-Anbieter – was Offshore-Anlagen betrifft: “Mit der Übernahme des dänischen Windenergiekonzerns Bonus Energy stieg der Siemens-Konzern in das Windenergie-Geschäft ein.”)

Nun zu Schumann/Martin über die Siemens-Bank:

“Zahlreiche Konzerne sind längst ihre eigene Bank. Dafür steht wie kein anderer die Siemens AG, die mit ihren Geldgeschäften mehr verdient als  mit ihren weltbekannten Produkten. Hunderte von Großunternehmen besorgen sich mittlerweile ihre Kredite, indem sie selbst weltweite Anleihen auflegen. Mit Ausnahme der  tatsächlich global tätigen Finanzriesen aus New York und Tokio bleibt der Mehrzahl der Geldhäuser nur die Funktion des Transmissionsriemens für die Märkte. Ihre Handelsabteilungen stellen nur noch die Söldner der elektronischen Finanzarmeen. Die Befehlshaber kommandieren von ganz anderen Höhen: Sie sitzen in den Chefzimmern de Verwaltungszentralen der Investment- und Pensionsfonds. Mit zweistelligen Wachstumsraten  sind sie in den vergangenen zehn Jahren zu den eigentlichen Kapitalsammelstellen der Welt geworden. Gut 8000 Milliarden Dollar Spargeld und Rentenrückstellungen verwalten alle Amerikas Fondsgesellschaften und sind damit die größte Quelle des endlosen und unbeständigen Kapitalstroms.”

Das ist in bezug auf Siemens als Bank zwar arg widersprüchlich argumentiert, aber weiter geht es:

“Binnen weniger Jahre Jahre stieg die « Electronic City » der Millionenstadt Bangalore im Zentrum des indischen Hochlandes zu Weltruhm auf. Siemens, Compaq, Texas Instruments, Toshiba, Microsoft un Lotus – alle Global Player der Computerbranche unterhalten inzwischen Filialen oder geben Entwicklungsarbeit bei ortsansässigen indischen Subunternehmen in Auftrag….

In Deutschland strichen allein die drei Computerriesen IBM, Digital Equipment und Siemens-Nixdorf seit 1991 mehr als zehntausend Stellen, nicht nur, aber auch wegen des Aufbaus ihrer Filialen in Bangalore.

Inzwischen haben viele Konzerne sich schon wieder von Indien ab- und Osteuropa zugewandt. Dort wird günstiger angeboten als in Indien. Rene Jötten, Indienexperte bei Siemens meint: “Wir überlegen auch bald, woandershin zu gehen”.

In einigen Entwicklungsländern herrscht bereits fast Vollbeschäftigung, Schumann/Martin meinen:

“Darum muß Siemens in seiner malaysischen Chip-Fabrik die einheimischen Fachkräfte schon relativ gut bezahlen, nicht aber die 600 indonesischen Fließbandarbeiterinnen, die sich der Weltkonzern wie Leibeigene hält. Für 350 Mark im Monat schuften sie sechs, oft sogar sieben Tage in der Woche und wohnen in einem werkseigenen Wohnheim, das nachts verschlossen wird . wie ein Gefängnis. Um die Flucht der Arbeitsbienen vor Ablauf ihrer Dreijahresverträge zu verhindern, ließ ihnen der örtliche Siemens-Chef sogar den Paß abnehmen.”
Jetzt die andere Seite – das Kapital:

“Auf der Kommandobrücke des Schiffes der Getriebenen in den Ozeanen der Weltmarkt- Konkurrenz steht auch Hermann Franz, 13 Jahre Vorstandsmitglied bei Siemens und jetzt Aufsichtsratschef des Konzerns. Jahr um Jahr meldet das transnationale Unternehmen bemerkenswerte Gewinne, 1995 waren es weltweit 1,27 Milliarden Dollar, 18,8 Prozent mehr als 1994. Und doch baut der mit 383000 Beschäftigten fünft-größte Weltkonzern in Deutschland weiter Arbeitskräfte ab. « Schauen Sie », sagt Franz in den barocken Räumen der Firmenzentrale am Wittelsbacherplatz in München,« die Arbeitsstunde einer Frau in der Kabelbaum-Herstellung für Volkswagen kostet uns in Nürnberg 45 Mark. In Litauen sind das nicht einmal eine Mark fünfzig, und die Werkshalie wird uns noch kostenlos bereitgestellt. Da müssen wir doch auch an Volkswagen denken und möglichst preiswert produzieren.»

Vermutlich plagen den Siemens-Vormann dabei Skrupel und Unbehagen über die neue soziale Frage, immerhin prophezeit er, es werde «Friktionen geben», fügt aber sofort hinzu: «Doch die Industrie ist dafür nicht verantwortlich.» So wird Franz selbst zum Gefangenen in dem Netz, das er eigenhändig mitgeknüpft hat. Sehenden Auges treibt er so die soziale Spaltung mit voran und fühlt sich doch nur als gehorsamer Vollstrecker der Gesetze des Weltmarktes. Siemens sei ein global tätiges Unternehmen, das zwar in Deutschland seinen Sitz habe, «aber wir sind doch allen unseren Beschäftigten in aller Welt verpflichtet ». Würde sich die EU abschotten wollen, müßte der Konzern, wenn auch schweren Herzens, seine Zentrale in die USA oder nach Fernost verlagern. Vor allem im Osten gebe es neue Chancen, schwärmt der Global Player.

Schon 1993 prophezeite Franz den Deutschen ein radikal verändertes Land: «Wir müssen alle zur Kenntnis nehmen, daß bei uns die Arbeit zu teuer geworden ist, auch wenn das vielen Arbeitnehmern noch nicht bewußt ist.» Dabei, so Franz,« werden wir uns von vielen einfachen industriellen Tätigkeiten in Deutschland verabschieden. Anstelle der Bank- und Kaffeeautomaten müssen wieder mehr Menschen aus Fleisch und Blut arbeiten» – zu entsprechend verringerten, zumeist wohl extrem niedrigen Löhnen.

Markante Satze sind dies, insbesondere in Deutschland, Sätze, in denen Bauchweh mitschwingt. Denn unter den Managern in Europas Republiken geht eine merkwürdige, dumpfe Angst um. Immer häufiger reflektieren sie im kleinen Kreis und unter Vertrauten über die unkalkulierbaren Risiken, die sie im neuen globalen «Casino-Kapitalismus» (so die britische Ökonomin Susan Strange) eingehen, oder vielmehr glauben, eingehen zu müssen. China, Südkorea, Indonesien, Saudiarabien, all diese Hoffnungsmärkte müssen erschlossen werden, argumentieren die Wirtschaftsführer in der Öffentlichkeit, man könnte ja sonst die Chance auf weitere Umsatzzuwächse und Gewinnsteigerungen verpassen. Doch ruhig schlafen kann beim Nahost- und Asien-Gamble keiner mehr.

Durch die natioalistische Brille gesehen bewirkt das Folgendes:

“Auch der Elektrotechnik-Riese Siemens verlegte seinen Konzernsitz steuerrechtlich ins Ausland. Von den 2,1 Milliarden Mark Gewinn des Geschäftsjahres 1994/95 bekam der deutsche Fiskus nicht einmal mehr 100 Millionen, im Jahr 1996 zahlte Siemens gar nichts mehr. Auch im Geschäftsbericht 1994 von Daimler-Benz heißt es nur lapidar, die Ertragssteuern seien «im wesentlichen im Ausland» angefallen. Und selbst Commerzbanker  Kohlhaussen bewies Ende März 1996, daß seine Steuerexperten inzwischen gelernt hab wie sich die Steuerpflicht legal aushebeln läßt. Wie zum Trotz legte er drei Wochen nach  dem Einfall der Fahnder in sein Büro eine Bilanz vor, die einer Verhöhnung des gewöhnlichen Steuerzahlers gleichkommt. Demnach verdoppelte sich der Commerz-Gewinn  1995 gegenüber dem Vorjahr auf 1,4 Milliarden Mark, die Abgaben an den Staat halbierten  sich jedoch auf weniger als 100 Millionen….

Das Imperium Siemens führte noch 1991 fast die Hälfte des Gewinns an die 180 Staaten ab, in denen es Filialen unterhält. Binnen vier Jahren schrumpfte diese Quote auf nur noch 20 Prozent. Somit entscheiden aber nicht mehr demokratisch gewählte Regierungen über die Höhe der Besteuerung, vielmehr legen die Dirigenten der Kapital- und Warenströme selbst fest, welchen Beitrag sie zur Erfüllung staatlicher Aufgaben noch leisten wollen. Wie bewußt dies so manchem Global Player inzwischen ist, brachte Ende April 1996 Jürgen Schrempp, der Vorstandschef von Daimler-Benz, den Haushaltsexperten des Deutschen Bundestages schmerzhaft bei. Mindestens bis zum Jahr 2000, erklärte Schrempp beiläufig während eines gemeinsamen Abendessens mit den Abgeordneten, werde sein Konzern in Deutschland keine Ertragssteuern mehr bezahlen. Schrempp: «Von uns kriegt ihr nichts mehr.»”

Das verunsichert die Politik, wobei die Konzerne dies auch noch forcieren:

“Mit der Verunsicherung der Politik über die neuen Regeln im globalen Wirtschaftsspiel machte auch Siemens einen guten Schnitt, Über Jahre warnten Anhänger der alten nationalen Industriepolitik wie etwa Konrad Seitz, der frühere Chef des Planungsstabes im Auswärtigen Amt, vor der drohenden Monopolstellung Japans und der USA bei der Herstellung des technischen Rohstoffs für das Informationszeitalter, der Mikrochip-Fertigung. Brav investierten darum der Bund und die EG-Kommission einige Milliarden Mark Forschungsgelder bei europäischen Elektronikkonzernen, allen voran Siemens – völlig umsonst. Heute entwickelt der Konzern mit dem Münchner Hauptquartier die Chips der nächsten Generation gemeinsam mit den vermeintlichen Rivalen IBM und Toshiba. Ab 1998 wird Siemens mit dem US- Technologiekonzern Motorola sogar eine gemeinsame Fabrik im amerikanischen Richmond betreiben, wo der bislang leistungsfähigste, mit europäischer Unterstützung entwickelte 64- Megabit-Speicherchip hergestellt werden soll. Der ruinöse und vielfach unsinnige Subventionswettlauf verrät, wie sich Politik und Regierungen im Labyrinth der Globalökonomie verlaufen haben. «Der Druck des internationalen Wettbewerbs treibt Regierungen dazu, finanzielle Anreize zu bieten, die unter objektiven Kriterien nicht mehr zu rechtfertigen sind», konstatiert die UN- Handelsorganisation Unctad, die fortlaufend die weltweite Subventionspraxis untersuchen läßt. Dringend müsse nach Wegen gesucht werden, «solche Exzesse zu vermeiden», mahnen die UN-Experten.”

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/01/29/die-siemens-bank/

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kommentare

  • […] > 1. Ackermann > .. > Anklage: Schwere Untreue. Sie sollen dem Mannesmann-Konzern beim > Verkauf an den britischen Mobilfunk-Riesen Vodafone einen Schaden von > bis zu 111 Millionen DM (57 Millionen Euro) zugefügt haben. faellt bei ueber 100000000000 DM Kaufpreis nicht so ins Gewicht / Peanuts also ; ) > 2. Breuer > Hat als mächtigster Bänker Deutschlands in einem Fernsehinterview > öffentlich über einen seiner grössten Kunden gequatscht. Hat Kirch > indirekt Kreditunwürdigkeit bescheinigt. Folge: Kirchs laufende > Kreite wurden bei anderen Banken nicht verlängert. Deshalb Konkurs > von KirchMedia AG. 10.000 Mitarbeiter betroffen. Hochmut kommt vor dem Fall > Bieter für eine Ãœbernahme waren zwei Konkurrenten: > -der deutsche Bauer Verlag > -der amerikanische Medienunternehmer Haim Saban. > > Das Insolvenzmanagement der Kirch Media sowie der Großteil der > Gläubiger plädierten schliesslich dafür, die Offerte Sabans > anzunehmen. Damit konnte Saban neuer Haupteigner von Pro Sieben Sat 1 > werden und das bereits über ein Jahr lang andauernde Hickhack um den > Verkauf beenden. Der konkurrierende Bauer-Verlag wurde ausgestochen. > Der jüdische Medienprofi Saban, der in Hollywood großen Einfluß > besitzt und auch schon die US-Botschaft in Berlin für seine > Ãœbernahmepläne eingespannt hatte, soll Columbia Tristar darauf > hingewiesen haben, daß sich Bauer angeblich nicht am Stiftungsfonds > der deutschen Wirtschaft beteiligt habe. Daraufhin teilte das > Filmstudio mit, keine Filme mehr an Pro-Sieben-Sat1 liefern zu > wollen, sollte Bauer dort das Ruder übernehmen. > > Klarer Fall von Erpressung. Aber die Drohung muss wohl gewirkt haben. Die Banken haben gekuscht und den Laden dann dem Juden Saban > verkauft. > Dieser hat unlängst Sat1 Chef Martin Hoffmann gefeuert, der als einer > der engsten Weggefährten Schmidts galt. Da die Deutsche Bank die KZs finanziert hat, ist sie bei Menschen juedischen Glauben ganz toll beliebt – These nicht sehr wahrscheinlich! […]

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