vonHelmut Höge 28.04.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Was die Siemens-Krise betrifft, überschlagen sich gerade alle führenden Meinungsmacher mit Kommentaren zum Rücktritt von Pierer und Kleinfeld – wobei alle das selbe sagen: Der Konzern muß nun aber endlich “zur Ruhe kommen”, wieder in “ruhigere Fahrwasser” gelenkt werden, die “Krise” offiziell beenden…usw.. Von der Aufklärung ist keine Rede mehr, die Süddeutsche Zeitung wird sogar gescholten, dass sie immer wieder “Interna” veröffentlichte – aber eigentlich, so die meisten medialen Wichtigtuer, ist durch die ganze “Öffentlichkeit” schon alles so gut wie gelöst – gemeint sind damit die “Korruptionsprobleme” deutscher Unternehmen. Der Tagesspiegel ist fast das einzige Blatt, das dazu ein paar Siemensianer zu Wort kommen ließ. Einer meinte: Für die Arbeiter sind die Rücktritte und Querelen an der Konzernspitze nicht so wichtig. Ein anderer: Man sollte bloß keinen Topmanager von außen jetzt nehmen – es laufen eh schon zu viele Managerdeppen im Konzern herum. Ich erinnere mich noch an einen Aushang der Geschäftsführung in einer Berliner Siemensbude, auf dem es hieß: “Wir sind erfolgreich, aber wir wissen zur Zeit noch nicht, welche Parameter dafür gelten”. Auf solche “Manageräußerungen” bezog sich glaube ich dieser eben erwähnte Siemensianer.

Die Siemens-Hausmeister sind bisher noch nirgends zu Wort gekommen – seit den Rücktritten der “Konzernumbauer” von Pierer und van Kleinfeld.

Das sei hier wenigstens in Ansätzen nachgeholt:

Klaus R. (43), Regensburg: “Diese ganze Kiste geht mir am Arsch vorbei. Wir haben hier ganz andere Sorgen!”

Hans-Jürgen P. (41), Bremen: “Die Führungskrise ist bisher noch nicht bis zu uns hier unten durchgedrungen!”

Wilm K. (38), Frankfurt/M: “Kein Kommentar!”

Riza Ch. (52), Luxemburg: “Es sieht schlecht aus, wenn die Neuen jetzt wirklich korruptionsmäßig einen anderen Stil fahren, dann sehen wir hier alt aus!”

Detlef B. (55), Berlin: “Wir haben in unserer Brigade gerade beschlossen, das Siemens-Führungsproblem wegen des guten Wetters erst mal auf sich beruhen zu lassen. Das läuft uns nicht weg. Und ganz ignorieren tun wir es ja auch nicht, unser Gewerkschaftsfunktionär will uns nämlich auf dem Laufenden halten. Soll doch die IG Metall erst mal ihren Meinungsbildungsprozeß in dieser Sache abschließen, dann sehen wir weiter.”

Und dann ist das noch der “göttliche Hausmeister” – Enki: ein wunderbarer Schauspieler, der den selben spielt – in einem Film von Robert Bramkamp, der gleichzeitig Teil der Wirklichkeit eines Segelsportclubs im Brandenburgischen ist sowie eines WWW-Netzwerks. Es scheint derzeit jedoch so zu sein, dass es da und dort Hausmeisterprobleme gibt – jedenfalls erreichte uns folgende Mail:

Lieber Helmut H. (59),

bis zum 1. Mai läuft der Relaunch, auch mit einem direkt an Dich

adressierten Film vom göttlichen Hausmeister. Anbei, s.u.

Wegen Totalausfall von 1€ Jobs ist das Me lokal/global in eine

religionswissenschaftliche Frage hineingeraten. Vielleicht kannst Du

eingreifen oder hinlinken.

Beste Grüsse!

Robert

In einem attachten kurzen Filmbeitrag heißt es weiter: “Jetzt braucht Enki lokale und globale Helfer, weil alles andere sonst größenwahnsinnig wäre”. Ja, so reden Hausmeister (nach Streichung ihres 1-Euro-Jobs) – und keine Topmanager. Aber das ist genau das Problem!

Ich hänge hier noch Näheres über Enki, den Segelsportclub und Robert an:

Erden und Abheben zugleich

Der Regisseur Robert Bramkamp und die Künstlerin Susanne Weirich haben das Problem des Widerspruchs zwischen Lokalismus und Globalisierung noch einmal in Angriff genommen. Dieses Problem drängt sich auf, es zeigt sich vor allem an der derzeitigen Auflösung der Volkswirtschaften, dadurch, dass die Betriebswirtschaften sich transnational verflüchtigen, während Staat und Nation ans Territorium gefesselt sind und ihnen so nichts anderes übrig bleibt, als ebenfalls betriebswirtschaftlich zu agieren – einmal, indem sie ihr “Tafelsilber” (die Infrastruktur) verscherbeln, und zum anderen, in dem sie bis runter zu den Regionen und Gemeinden eine absurd konkurrente “Standortpolitik” betreiben. Das Vergesellschaftungs-Problem bleibt: Wie kann man sich immobilisieren (verankern) und gleichzeitig Welt erfahren (internationalisieren)?

Für Bramkamp/Weirich begann die Beantwortung dieser Frage zunächst mit Ausflügen über Land. Einmal stießen sie auf halber Strecke nach Frankfurt (Oder) auf einen See, an dem Dichter und Intellektuelle kurten. Heute haben sich dort – am Scharmützelsee bei Bad Saarow – die Neureichen aus Berlin mit Golf- und Tennisanlagen eingepflanzt. Aber am Seeende gibt es noch laut Bundeskulturstiftung den alten “sozialen Mikrokosmos ,Seesportclub Wendisch-Rietz'”, wo man auf zweimastigen, noch immer nicht vom Westen offiziell anerkannten DDR-“Kuttern” seinen Segelschein machen kann. Dies taten die Berliner Freiberufler. Damit hatten sie sich dort schon mal freizeitmäßig verankert. Aber dann kamen sie auch noch mit einem Filmteam an und drehten mit dem sich bereits leicht zur Agonie neigenden Verein und seinen Aktivisten eine Dokufiktion, die sich nun im Internet fortsetzt, wobei der Film wie die Exposition für das Internet-Projekt wirkt.

Im Film fungiert als ABM-Kraft vor Ort und gleichzeitiger sumerischer Schöpfergott Enki, den man quasi in die Scharmützelsee-Topografie projiziert hat, der Schauspieler Schortie Scheumann. Die Lexika zählen Enki zu den halb-anthropomorphen “chtonischen Unterweltgöttern”, dessen Unterleib in ein Boot ausläuft. Er gilt als “Kulturbringer”, weiter heißt es über ihn: “All die verschiedenen Aspekte der von ihm eingesetzten Stadtgötter sind in Enki selbst vereint”, konkret und für den Scharmützelsee bedeutet dies: Er disponiert dort eine wachsende Zahl von “Me”s – und diese wiederum äußern sich, wenn in Funktion, in bestimmten “Fähigkeiten”, die kommuniziert werden, u. a. im Netz. Es handelt sich bei dem Ganzen um ein “Erzählprojekt”- und damit um Kunst. Im Gegensatz zu vielen Internetideen ist es jedoch primär-geerdet – und muss nicht erst über seine Warenform um reale Anerkennung bzw. Clicks ringen.

Zur Premiere des Films “Der Bootgott vom Segelsportclub” in Duisburg gab es einen Shuttleservice des Vereins. Ins Internet verlängert sich das Projekt nun zum einen mit weiteren “Lokalismen” (wie die ortsansässigen Fischer, ein Honda-Händler aus der Umgebung, der die Bootsmotoren des Vereins wartet sowie die Klosterbrauerei in Neuzelle mit ihrer Biersorte Enki).

Da es Bramkamp/Weirich um “möglichst unterschiedliche Erzählperspektiven” geht, kommt dazu noch eine wachsende Zahl von “Internationalismen” ins Spiel: Auf Mesopotamien spezialisierte Archäologen und verschiedene Künstlergruppen etwa. Das Projekt “Enki100.Net” ist nach oben hin offen, nach unten fokussiert es die virtuellen Kräfte jedoch, das ihrige zum Erhalt und Ausbau des Soziotops Seesportclub e.V. beizutragen. Das reicht vom Sponsoring (Klosterbrauerei) über “den besten Büchertisch” (b-books), die individuelle Vereinsmitgliedschaft und die Wasseranalyse eines limnologischen Instituts bis zum gemeinsamen Kampf gegen das Röhrichtschutzgesetz. All diese Netzteilnehmer figurieren als “Me”s im Internet und sind durchnummeriert, wobei ihre Identifikationszahlen sich auch noch mal als Pappschilder in den Sumpf- und Schilf-Rändern des Scharmützelsees wiederfinden, wodurch sie sich gleichsam um das Vereinsheim herum (optisch) verorten.

Einerseits wird der Seesportclub dadurch an die Welt angeschlossen, die er mit dem Ende der DDR scheinbar verloren hatte, und andererseits wird damit die Welt (oder das, was sich dafür ausgibt) am Scharmützelsee gleichsam geerdet. Dadurch soll das vermieden werden, was schon Herbert Achternbusch einst beklagte: “Da wo früher Weilheim, Starnberg und Passau war, ist jetzt Welt … Die Welt hat uns vernichtet, das kann man sagen.”

In Berlin stößt man auf Schritt und Tritt auf solche schwarzen Löcher – durch Welt liquidierte Orte, aber auch auf solche, die aufgrund eines fehlenden oder weggefallenen Weltanschlusses in Agonie versinken. Das “Weltniveau” ist eine Frage des Kapitaleinsatzes (als scheues Reh bzw. gefräßige Heuschrecke), beim Erzählprojekt “Seesportclub” kommt im Gegensatz zum Recreation Center Bad Saarow vor allem symbolisches Kapital zum Einsatz. Die Teilnehmer sind optimistisch.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/04/28/hausmeister-hinweis/

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kommentare

  • Hier noch eine weitere Stellungnahme eines Siemenshausmeisters – von Jens S. (59) aus Hannover:
    “Von mir bekommen Sie zum derzeitigen Siemenskandal bestimmt keine Auskunft. Zwar könnte ich Ihnen als alter Siemensianer Betriebsinterna erzählen – ohne Ende, da wären Sie platt, aber ich halte dicht – erst recht gegenüber der Presse. Wenn es die nicht gäbe, dann hätten wir doch gar keinen ‘Siemensskandal’ und alles wäre in bester Ordnung. Denken Sie mal drüber nach!”

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