vonHelmut Höge 20.09.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Jedesmal, wenn in unseren Lebensmitteln Gifte oder Krankheitskeime festgestellt werden, bricht eine (Medien-) Panik aus. Danach beruhigen sich aber die Konsumenten wieder – und alles  geht wieder zur Tagesordnung über.

Als z.B. der “Rinderwahn” ausbrach und überall auf der Welt die Herden zu tausenden “gekeult”, d.h. getötet wurden, verkündete die US-Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey, sie werden fortan keine Hamburger mehr essen. Prompt wurde sie daraufhin von texanischen Rinderzüchtern auf 12 Millionen Dollar Schadensersatz verklagt – der Betrag entsprach den Verlusten, die ihnen durch den Rückgang des Rindfleischverkaufs seit der Talkshowsendung entstanden. In Nordfriesland demonstrierten die Bauern gegen die staatlichen Rinderwahn-Eindämmungsmaßnahmen – vor allem um die existenzzerstörenden Massentötungen von Rindern zu verhindern. Sie forderten eine “Kohortenlösung”, d.h. im BSE-Fall nicht eine “Keulung” der gesamten Herde, sondern nur des betroffenen Tieres, seiner Familie und seines Jahrgangs. Der Bauernführer José Bové kritisierte in diesem Zusammenhang die Kapitalisierung der Landwirtschaft in toto: “Nur verrückte Menschen machen die Rinder wahnsinnig”.

Bei der dann auftretenden Vogelgrippe gab es solche Reaktionen nicht, obwohl Experten rieten, alle  Farmen, die Geflügel in riesigen Mengen züchteten, kurzerhand zu schließen. Weil man das Verbreiten der Krankheit den Zugvögeln anlastete, wie der Biologe Cord Riechelmann schreibt, wurden diese stattdessen verfolgt. 2007 brach die Seuche aber im Sommer aus, da Zugvögel nicht unterwegs sind – und prompt wurde das Geflügel nun ohne große Medienhysterie quasi heimlich “gekeult”. Zuletzt tötete man 560 Enten bei 25  fränkischen Mästern und 205.000 Enten allein in einem oberpfälzischen Mast-Großbetrieb.

Zwischendurch kam es in den letzten Jahren fast schon regelmäßig zu Fleischkandalen. Sie betrafen meist bayrische Fleisch-Großhändler, die mit ihrem “Gammelfleisch” osteuropäische Abnehmer bzw. inländische  Döner-Hersteller belieferten. 2004 ging es um 333 Tonnen “Ekelfleisch”, das ein Kühlhausunternehmen nach Osteuropa verschob, 2005 erwischte man dabei erst einen Münchner Großhändler und dann 50 weitere Fleischlieferbetriebe. Der Spiegel schrieb: “Dass weder eine Fleischmafia noch ein übergreifendes Netzwerk dahinter steckt, macht das Ausmaß des Lebensmittelskandals umso bedenklicher.” Heuer ging es nun um 180 Tonnen “Schlachtabfälle”, die ein  bayrisches Unternehmen auf dem Berliner Markt  “entsorgte”. Jedesmal verschärfte man anschließend die Fleischkontrollen, aber aufgedeckt wurden die Fälle stets von gemobbten Mitarbeitern. Einmal war es ein gescholtener LKW-Fahrer, zuletzt ein geohrfeigter Azubi.

Nun fordern die 2500 deutschen Lebensmittelkontrolleure 1500 weitere Stellen, zudem soll das nicht mehr zum Verzehr zugelassene  so genannte “K3”-Fleisch grün eingefärbt und eine Datenbank namens “Tizian” dafür eingeführt werden . Zuvor hatte man bereits mit BSE-Prionen oder Dioxyn verseuchtes “K1”-Fleisch schwarz eingefärbt und das mit Tierseuchen infizierte “K2”-Fleisch gelb. Betroffen sind von dem jüngsten “Gammelfleisch”-Skandal vor allem die Dönerläden: Um 40-50% sanken ihre Umsätze in Berlin und in Ostdeutschland sogar um 60%. Nicht nur tausende von Arbeitsplätze in diesen Imbissbuden sind dadurch gefährdet, sondern mindestens noch mal so viel in den von ihnen abhängigen türkischen Gemüseläden und Bäckereien.

Die türkische Presse meint, das sei von der deutschen Politik so gewollt: Sie wolle damit das von Arbeitslosigkeit gebeutelte Land entlasten, indem sie massenhaft Türken mit deutschen Pässen quasi zwinge, in die derzeit prosperierende Türkei auszuweichen, indem man hier ihre Existenzgrundlage zerstört. Dieser paranoische Gedanke wurde kürzlich vom (Ost-)Berliner Kurier erhärtet, der am 11.9. “Der Döner-Gau” titelte. In dem  Artikel wurden mit keinem einzigen Wort die skupellosen und deswegen reich und mächtig gewordenen bayrischen Fleisch-Großhändler erwähnt, stattdessen legte der Text nahe, dass die deutschen  Lebensmittelkontrolleure überfordert seien bei der Kontrolle aller  kleinen und kleinsten Dönerbuden, Kantinen usw.: “14 Tonnen Ekelfleisch waren im Juli in Berlin zu Döner verarbeitet worden. Mafia-Methoden…”  Das ist reinster “K3”-Journalismus, die Redaktion hat ihn jedoch falsch – nämlich gelb – eingefärbt bzw. umetikettiert.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/09/20/mediale-mafiamethoden/

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