vonHelmut Höge 01.09.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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All business is local!” (Attac -Globalisierungsinfo)

Die Galerie im Saalbau und die Alte Post, in die nacheinander die Verkaufsausstellung für Produkte von europäischen Produktivgenossenschaften “Le Grand Magasin” einzieht, befinden sich an der Neuköllner Karl-Marx-Strasse, eingerahmt von mehreren kleinen “Schnäppchen-” bzw. “1 Euro”-Läden sowie einem mittelgroßen – Woolworth – und einem ganz großen: das ehemalige Bekleidungshaus “SinnLeffers”. Es gehörte zum “Arcandor Konzern” (Karstadt-Quelle) und ging 2006 pleite. Arcandor ist Gläubiger im Konkursverfahren und Hauptmieter des an SinnLeffers für 4,4 Mio Euro jährlich vermieteten Kaufhauses in der Karl-Marx-Straße, deswegen muß Arcandor die Immobilienmiete noch 10 Jahre lang an den eigentlichen Eigentümer ICN zahlen. (1)
Im riesigen ICN-Arcandor-Kaufhaus an der Karl-Marx-Strasse befindet sich jetzt ebenfalls ein “Schnäppchenmarkt” – von “Quelle”.

Aber auch das Kaufhaus “Hertie” schräg gegenüber machte 2006 dicht. Man weiß noch nicht so recht, was da nun reinkommen soll – in diesen riesigen Kasten. Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) bezeichnet die ungeklärte Immobilien-Situation als sehr gefährlich: “Da kreist sehr schnell der Pleitegeier über der Geschäftsstraße.” Daneben macht Buschkowsky sich auch noch Sorgen um seine Bewohner, jeder zweite Türke ist arbeitslos und jeder dritte Jugendliche hoffnungslos: “Ich habe im Bezirk 180 völlig verrohte und verwahrloste Serientäter, die täglich Opfer produzieren.” Der “Berliner Kurier” meint dazu, der “Bezirk leidet unter seiner Jugend, die die Bewohner terrorisieren. Ganze Viertel kippen ins Chaos aus Armut, Gewald und Angst.”

Von einer angesehenen und soliden habe sich die Karl-Marx-Straße zu einer billig anmutenden Straße entwickelt, schreibt die Berliner Zeitung. “Die Schließung des Traditionshauses ist für uns eine Katastrophe”, sagt Jürgen Friedrichs, Inhaber eines Fachgeschäfts für Gardinen und Dekostoffe an der Anzengruberstraße. Hertie sei bis zum Schluß ein Kundenmagnet für die kleineren umliegenden Geschäfte gewesen. Das habe sich gut ergänzt.

Die Kaufkraft der Anwohner wird immer geringer, zudem haben die Gropiuspassagen an der Johannisthaler Chaussee Publikum abgezogen. Mit der Konkurrenz können selbst die Neukölln Arcaden mit 60 Geschäften am Rathaus, die vor sechs Jahren eröffnet wurden und in die eine reduzierte Post und die Stadtbibliothek einzogen, nur schwer mithalten. Damit die Straße wieder konkurrenzfähig wird, erarbeitet jetzt der Bezirk laut Berliner Zeitung ein Konzept, wie sie umgebaut und der Verkehr reduziert werden kann.

Anders als in Kreuzberg gab es in Neukölln immer wieder sogenannte Stadtschreiber. Einer der ersten war wahrscheinlich Olga Groschen – noch unberufen und als Neuneuköllner auch eher unqualifiziert. Das derzeitige Bild des “Problembezirks” Neukölln wurde jedoch in seinem “Neukölln-Report”, den die taz in ihren Ausgaben vom 7. bis zum 9. Januar 1988 abdruckte, erstmals und bis heute gültig umrissen. Es war das komisch verzerrte Bild eines langsam von allen guten Geistern der Arbeiterbewegung verlassenen Bezirks, der sich nun in scheinbar fortwährender Wandlung befand, gleichsam in Fluß, obwohl er sich bloß kontinuierlich zurückentwickelt(e) – bis vor die Zeit von Sarajewo nun.

Der damalige Bezirksbürgermeister Arnulf Kriedner (CDU) antwortete darauf mit einem langen Artikel in der taz, in dem er konstatierte: Olga Groschen “hat sich nicht weit genug unter die Oberfläche gewagt. Ihr hat sich Neukölln verschlossen. Warum schreibt diese couragierte Frau [in Wahrheit handelt es sich um einen jungen Mann] nichts über die Folterkeller des Rathauses. Ach, hätte sie sich doch, Karl-Marx-/Ecke Erkstraße, einmal nächtens bewegt. Dort könnte sie vernehmen, wie (vorher in den Straßen) Eingefangene stöhnen und schreien. Sie hätte hören können, wie Bürgermeister Kriedner (CDU) seine Bürger blutig peitscht, um aus ihnen echte Neuköllner zu machen. Olga Groschen hat es ferner versäumt, die oberen Zehntausend in Rixdorf zu beobachten, wenn sie unter sich sind. Da muß vor allem ein Massage-Salon sein, gediegen mit rotem Plüsch und Goldkordeln, leicht abgeschabt, aber weich. Und Damen, die alles verschweigen und alles zeigen. Dort sind sie zu Hause, die sonst Weisskragen-Gedressten, in Woolworth-Jeans (zumeist Ausverkaufsware bis 49 DM) und von Raubzügen auf AL-Volksvertreter erbeuteten Schlabberpullis. Da kannst du sie gröhlen hören: “Komm her, du geile Gold-Sau!” Oder: “Was kostet es bei Dir, wenn Du ohne Schlüpfer im Minirock Handstand machst?” Aber dort, in diesen Neuköllner Lasterhöhlen, wird auch Politik gemacht… Das ist Leben, an dem Frau Olga vorbei spazierte. Oder die Sonntage! Geliebte Olga, warum hast Du die heiligen Neuköllner Sonntage vergessen? Mutti im Lederrock, imitiert und garantiert in Rimini oder an der Costa Brava erstanden; Vati mit Seppelhosen von der letzten Oktoberfestreise nach Berlin/Funkturm; und die Gören im Karl-May-Look, aber immer mit Fönfrisur (Mädchen) oder Brillantine (Jungen). Und dann geht’s raus. Da wird der Opel gewienert, die Kühltasche mit Bier und Hochprozentigem gefüllt, die Ear-Phones am Kopf installiert und ‘In Rixdorf is Musike’ angestimmt. Durch die Hasenheide wabern Öldünste aus Sonnenschutzmitteln und Maizola. Neben der Familie sind Opa und Oma ans Auto gekettet, und die Kinder spielen ‘Schlachtefest’ mit feststehenden Messern: ein echtes Volksspiel der Neuköllner Jugend. Sieger ist, wer am Körper eines anderen möglichst viele Stichwunden plazieren kann. Papa hört wohlwollend Lieder wie ‘Da hat sich Onkel Bolle ganz köstlich amüsiert’, während er dem Ältesten aufmunternd zubrüllt: ‘Nu stech ihm doch ab, det bleede Stick’.” So geht es noch endlos weiter…

Olga Groschens/Arnulfs Kriedners Neukölln-Bild wurde nach der Wende von allen möglichen und unmöglichen Medien schärfer konturiert. Von SFB, Sat 1, Spiegel-TV und vor allem immer wieder aufs Neue vom “Spiegel”. Jedesmal protestierten die Neuköllner – und sprachen von “übler Hetze”.

Das “Ambrosius” in der Sonnenallee – es liegt heute mitten im “Gazastreifen” (so nennt man diesen Abschnitt laut Spiegel wegen der vielen Palästinenserläden dort) – bewirbt sich noch 2008 standhaft mit “Alt-Berliner Atmosphäre”. Eine quasi-offizielle, aber nicht vom Neuköllner Quartiersmanagement, vom Bezirksamt oder vom Heimatmuseum berufene “Stadtschreiberin von Neukölln” suchte dagegen ab dem Sommer 2006 schon das ganz Neue – als Arbeitsaufgabe (sie wohnt im “Reuterkiez” und berief sich selbst):

“Wo bin ich? Neukölln ist der größte Stadtteil Berlins, an Einwohnern gemessen: 300.000 Menschen aus über 160 Ländern leben hier. Und so ist es auch logisch, dass der Bezirk fast täglich Schlagzeilen macht. Die Neuköllner haben jedoch die Themen dieser Nachrichten gründlich satt: ‘Das größte Sozialamt Europas’ – steht natürlich in Neukölln. Hier soll demnächst eine große Moschee samt Schulungzsentrum entstehen – die Regierenden haben erst einmal Veto eingelegt. Noch geöffnet hat (außer in den Ferien) die Rütli-Schule, in der deutsche Schüler eine Minderheit darstellen. Deren Rektor hatte im Frühjahr die Waffen gestreckt vor der Gewalt in den Klassenzimmern und offiziell um die Schließung der Schule nachgesucht. Detlev Bucks letzter Film, der zeitgleich zu diesen Schlagzeilen ins Kino kam, fand dafür eindrucksvolle Bilder. Und sonst?”

Und sonst war der Film Sat-1-Ranschmeißerisch und mithin Spiegel-Scheiße. Die Stadtschreiberin wechselt das Thema:

“Über 20 % der 4493 Hektar Neukölln sind Grünfläche. Und wie das Unkraut aus dem Boden schießt (laut Stadtbauaumt verfügt man hier leider nur über 10 % des Geldes, das für eine ordentliche Pflege nötig wäre), und wie das Unkraut also aus dem Boden schießt, so schießen auch die neuen Projekte aus Neuköllner Erde. In NN (sprich “Nord-Neukölln”) oder noch genauer: im Reuterkiez hat man sich jetzt eines Problems von zwei Seiten her angenommen: dem Leerstand von Gewerberaum. Zu dem passt nämlich die begrenzte Anzahl von Ateliers und Werkstätten für Bildende Künstler, Designer, Filmschaffende. Ein sehr lebendiges Quartiersmanagement moderiert seit einem Jahr beide Seiten aufeinander zu mit dem Ergebnis, dass die Straßen jünger werden, viele Läden wieder belegt sind und die Vermieter wenigstens ihre Grundkosten reinbekommen. So wirkt Neukölln diesen Sommer eher friedlich, ein wenig verwachsen und auf jeden Fall eins: verdammt kreativ.”

Im Herbst 2006 fragte die Stadtschreiberin sich:

“Und wie ist das nun mit der ‘Neuen Berliner Ökonomie’ hier im Kiez? Mit den Ich-AGs, den kleinen Geschäften, Handwerksbetrieben, dem Tausch von Waren und Dienstleistungen? Vieles entsteht mit Anschlubfinanzierungen eines Staates, der sich hier noch nicht zurückgezogen hat. Sind die Firmen, sozialen und kulturellen Projekte überlebensfähig, wenn eines Tages Förderungen auslaufen? Oder gibt es einfach Bereiche, die immer gestützt werden müssen? Wenn ja, wie groß ist die Rentabilität der Investitionen, mit welchen Summen werden wie viele Menschen erreicht, wie groß ist der Verwaltungsanteil? Und was leisten diese Strukturen in Sachen Aus- und Weiterbildung? Lässt sich der Wert der Waren und Dienstleistungen, die hier getauscht werden, bilanzieren? Wie groß ist der ökonomische Beitrag im Verhältnis zur Investition?

Die Praxis der ‘Neuen Berliner Ökonomie’ (2) schaue ich mir in den nächsten Monaten genauer an, ich freue mich aufs genaue Hinsehen, die Stichworte aus dem Wirtschaftsteil unserer Zeitungen stets im Hinterkopf. Und darauf, über die Grenzen der neokapitalistischen Modelle hinauszudenken. Was bedeuten das soziale Kapital und die Netzwerkarbeit – für unsere Funktionseliten offenbar von zentraler Bedeutung – hier im Kiez? Welche menschlichen Aufgaben und Grundbedürfnisse werden hier erfüllt? Wo kommt das Engagement so vieler her, die ihr Schicksal, oft mit trotzigem Unterton, selbst in die Hand nehmen? Wo haben Schüler wie Leonie, die aus einem “bildungsfernen Haushalt” stammt, ihren Bildungsoptimismus her?”

Die “Stadtschreiberin von Neukölln”, die glaube ich aus Sachsen kommt, scheint dann jedoch eher mit anderem als mit der “Praxis der Neuen Berliner Ökonomie” beschäftigt gewesen zu sein, denn schon bald notierte sie sich in ihrem Stadtschreiber-blog:

“Über die Partnerbörse “lerne” ich Klaus “kennen” (95 PM), den Oberarzt, der bald Kinder möchte, die Villa im Grunewald ist schon da. Nach drei, vier Mails schickt er mit sein Bildnis, das lässt mich eher an unseren Metzger denken. Oder Holger, der reisefreudige Lehrer mit seinem papierdünnen Mund, da helfen auch keine 94 Matchingpoints weiter. Dann ist da aber auch Dennis (93 MP), Absolvent meiner Uni und sowas von gutaussehend! Er mag Nô und Kunst und Natur. Nach einigen Mails schläft der Kontakt ein. Eine andere scheint nicht dran Schuld zu sein, denn Dennis loggt sich regelmäßig ein, das Datum des letzten Besuchs ist auf seinem Profil vermerkt. Nur leider eben nicht mehr bei mir. Nicht zu vergessen H-P (93 MP), Hans-Peter mit vollem Namen und mit Passbild vom Fotografen aus KWH – konjugiere: Königswusterhausen. Scheitel adrett, Kopf adrett, Kopfhaltung kokett, Lächeln nett – dafür auf dem zweiten Bild ein fettes Honigkuchengrinsen vor Plastiklattenzaun mit rustikalem Türgriff, der Unterarm dortselbst cool abgelegt. Ein ungelebtes Kindergesicht blickt mir entgegen, dem helfen auch Sonnenbrille und Tolle à la James Dean nicht auf. Der vierzigjährige Steuerberater wohnt noch bei Muttern, wie er schreibt, gerade wurde der Ausbau des Erdgeschosses fertig: “Jetzt fehlst nur noch Du!”

Nein, Jamal, Bildung schützt vor Geschmacklosigkeit nicht. Die meisten Mitglieder von Matchhearts sind studiert, “hier treffen sich Akademiker” lautet der Slogan der Börse. Das stimmt nicht, hier treffen sich vor allem Anwälte, Ingenieure und Kommunalbeamte. Historiker, Filmkritiker und Künstler sind rar.

“Sophie!” brüllt Jamal durch den Hörer, als würde er gleich ertrinken. “Hör endlich mit deinen Vorurteilen auf. Du hast vergessen, was ich beruflich mache!” Ja, er hat Recht. Als Informatiker spricht er eine Sprache, die ich nicht kann, dafür reicht sein Spanisch nicht weit. Aber er hat Humor und Allgemeinbildung.

“Jamal, schimpfst du nicht selbst immer auf die Informatiktrottel um dich herum, die Soziophathen, die nur noch Datenbänkisch simpeln und denen die Frauen davonlaufen? Du bist eine Ausnahmeerscheinung!”

Was suchen wir im Leben? Ein Pendant, das einen ähnlichen Umgang mit den Menschen pflegt, das einen ähnlichen Stil und ein kompatibles Nähebedürfnis hat – es muss einfach eine genügend große Schnittmenge da sein. Matchhearts spricht sogar von einer wissenschaftlichen Glücksformel: Beziehungen seien immer dann besonders glücklich, wenn beide Partner gemeinsame Wertvorstellungen, Interessen und Ziele haben. Bei mir sollte es jemand sein, der Verständnis für die unregelmäßige Arbeitszeit einer Freiberuflerin hat, denn ich arbeite als Kuratorin. Ein Mann, der seine Wünsche äußert und umsetzt, maßvoll träumt und weiß, wie kostbar Freiräume sind … Und der bedingungslos zu mir steht, nicht von einer 10jährigen Krawallmieze terrorisiert wird und ohnmächtig die eigenen Grenzen verliert, wenn diese Erpressungsmethoden der Ex-Gattin nachahmt.”

So geht es noch eine ganze Weile weiter – wobei sich die Gedanken der Stadtschreiberin meist um “Jamal” drehen.

Ein Jahr später zitiert die Stadtschreiberin von Neukölln einen Tagesspiegel-Artikel “Berlin baut um” über ihren Kiez:

“Nordneukölln blüht auf. Kneipen und Galerien öffnen in der Friedel- und der Braunschweiger Straße, und das “Freie Neukölln” in der Pannierstraße wird von Mittzwanzigern überrannt. Dabei galt bisher: Wer es sich leisten kann, zieht da weg, sogar besserverdienende Migranten. Jene, die übrig blieben, prägten das Bild. Wegen der Fortzüge sanken die Mieten, und das war eine Voraussetzung für den Umschwung: “Am Anfang ziehen oft Studenten in solche Quartiere, weil sie sich teure Lagen nicht leisten können, aber nahedran sein wollen”, sagt Politikwissenschaftler Volker Eick. Nordneukölln grenzt an die beliebten Quartiere von Kreuzberg und Friedrichshain. Und Kiezmanager schaffen Freiräume: Sie überzeugen Hauseigentümer, den Zugezogenen leere Gewerbeflächen für wenig Geld zu überlassen. Diese öffnen Kneipen, Cafés, Galerien. Auf die Kneipen folgen Boutiquen, Design- und Feinkostläden. Dann steigen Preise und Umsätze, aber auch die Mieten der Läden. Bald wird es schick, im Kiez zu leben, aber nicht jeder kann es sich leisten – so wie in Prenzlauer Berg heute. In Neukölln beginnt gerade erst diese Entwicklung, die rund um die historische Stadtmitte herum wie der Zeiger auf einer Uhr verläuft: vom Norden (Prenzlauer Berg) über den Osten (Friedrichshain) nach Süden (Neukölln).”

Weil sie so viel verreist war – in ihrem Stadtschreiberjahr: “Spanien, Frenkreich, Nordafrika”, durfte die Stadtschreiberin ihre Neukölln-Stelle um ein weiteres Jahr verlängern (was sie sich selbst bewilligt haben muß). Sogleich berichtet sie daraufhin von einer “Neukölln-Konferenz”:

“Bildung befähigt den Menschen, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und etwas aus seinem Leben zu machen” – mit diesen Worten eröffnete Bundespräsident Horst Köhler heute den 5. Weltlehrerkongress, der in Neukölln stattfindet. Fünf Tage lang debattieren 1600 Pädagogen und Wissenschaftler aus 160 Ländern über die Situation in ihrer jeweiligen Heimat, über Trends und gemeinsame Ziele. Die Hauptziele sind auf einen einfachen Nenner zu bringen: Das Recht auf Bildung für alle jungen Menschen und die Frage, wie das öffentliche Bildungssystem gestärkt werden könnte. (…) Unser Bundespräsident bekam sehr freundlichen Beifall, als er bekräftigte: “Gute Bildung sollte keine Glückssache sein. Gute Bildung ist ein Menschenrecht.”

Da die Stadtschreiberin am Maybachufer wohnt, kann sie das Fällen einiger Uferbäume direkt vor ihrer Haustür quasi miterleiden. Eine Bürgerinitiative kämpft gegen diesen sinnlosen “Baumtod”, u.a. indem sie sich an die Bäume ketten – und damit einen Fällkompromiß erreichen. Die Stadtschreiberin notiert:

“Am Maybachufer, direkt in unserer Nachbarschaft, wurden heute drei Bäume gefällt. Es waren drei Euramerikanische Hybridpappeln, sie standen sehr dicht am Wasser und waren sehr hoch. In ihnen nisteten Vögel, die Grillen waren dort auch zu Hause und im Spätsommer sammelten sich dort Vögel für den Flug in den Süden.”

Die Stadtschreiberin arbeitet einige Tage im Monat als Simultandolmetscherin im Regierungsviertel. Im Januar 2004 berichtet die Süddeutsche Zeitung über Neukölln, die Stadtschreiberin merkt dazu an:

“‘Art comes and real estate follows’ – so wird Kate Price zitiert, eine englische Künstlerin, die im Schillerkiez malt. Ich denke, an der Grenze zu Kreuzberg sind wir längst mittendrin.”

Weiter heißt es dazu:

“Auch nach Neukölln kommen die Immobilienkäufer, die freitags aus England und skandinavischen Ländern in Berlin “einfallen”, um Schnäppchen zu erwerben. Auf meinem Weg zum Lebensmittelladen, drei Straßen weiter, ist ein leerstehendes Haus jetzt in die Walze der Totmodernisierung geraten: Plastikfenster, Stukkaturen vom Großmarkt, wo der Krieg gewütet hatte, der historische Rest wird aus Gründen der Einheitlichkeit vorher entsorgt; Gegensprechanlage, dafür landet der “stumme Portier” auf dem Müll, das Treppenhaus neu, das alte Geländer war bruchstückhaft und wird ebenso durch Metallelemente ersetzt wie die verrotteten Balkons, dazu kommt ein Fahrstuhl, die Wohnungen werden zu Appartments verkleinert…”

Am 14. Juni 2008 schreibt sie:

“Letztens, auf der Konferenz europäischer Betriebsräte, die zu dolmetschen war: Wir waren in Leipzig und da wurde fröhlich erzählt, dass viele Arbeitnehmer unter der Warteritis zu leiden hätten. Warteritis? Das klingt wie das, was mir meine sächsische Verwandtschaft aus der Kleinstadt immer erzählt hatte. Noch zu Zeiten der verblichenen DDR hätte man sehr oft bei der Arbeit Beschäftigtheit simulieren müssen, weil es immer Zulieferschwierigkeiten an der Tagesordnung gewesen seien. Da nun aber jeden Moment der Betriebsleiter oder jemand anderes Offizielles hätte um die Ecke biegen können, also sei es wichtig gewesen, dass man so tat, als arbeitete man.

Sonst wäre man gleich dran gewesen mit Hof fegen oder derlei. Heute, so die Betriebsräte, fegte man wieder sehr oft den Hof oder die Werkhallen, und der Kapitalismus hat sich im Osten dahingehend ausgewirkt, dass die halbe Belegschaft sich dann schon mal ums Streichen des Arbeitsplatzes kümmere – zu DDR-Zeiten eher nicht so denkbar, allein die Materialbeschaffung …

Und der Grund? Just in Time, die auf die Straße verlagerte Bevorratung der Werkstätten und Fabriken. Anstatt wie früher für eine oder zwei Wochen Material zu lagern, werde oft ‘aus dem einzigen vorhandenen Karton in die Maschine montiert’. Und natürlich löse dies auch wirtschaftliche Probleme aus, wenn Bauteile fehlten, die oft nur Centbeträge wert seien ( ‘die Verpackung war teurer, ganz zu schweigen vom Versand’). Dann geriete (‘richtig teuer’) die Montagestrecke über Stunden und Tage ins Stocken. Hintergrund: Die Straßen werden immer voller, und in etlichen EU-Staaten streiken die Fernfahrer besonders gerne.

In einem Großunternehmen mit mehreren zehntausend Angestellten ging man davon aus, dass stets 10 % der Beschäftigten nichts zu tun hätten …

Noch ein interessanter Hintergrund, diesmal zur Arbeitsplatzsituation von Zeitarbeitern. Man habe festgestellt, so einer der Betriebsräte eines Konzerns, dass Zeitarbeiter mehr Arbeitsunfälle als die Festangestellten hätten. Festangestellte seien besser ausgebildet, nähmen häufiger an Arbeitsplatzsicherheitskursen teil und wären konzentrierter bei der Arbeit, weil ihre Gedanken weniger bei der nächsten Bewerbung, dem langen Nachhauseweg oder dem Streit mit dem Vorgesetzten sind, der bei den Zeitarbeitern direkt in Arbeitslosigkeit münden könne. Und die Fehlerquoten bei den Werkstücken sei in der Regel bei Zeitarbeitern auch höher. Es sei letztendlich alles eine Frage der Identifikation mit der Arbeit und dem Unternehmen, eine Frage gemeisamer Ziele also.

Da muss ich an Ulbricht denken, Nachrichten aus dem Fernsehen der DDR aus den frühen Siebzigern. Der Parteiratsvorsitzende besucht eine Baustelle am Alexanderplatz, lob alles uns sagt in seinem singenden Ziegenbock-Sächsisch: “So, wie wir heute arbeitn, so wärdn wir morschen läbn!”Der letzte blog-eintrag der Stadtschreiberin, die anscheinend Caroline heißt, lautet – am 26.8.08:

“Hier finden Sie einen Mix aus Texten über Neukölln und aus dem Arbeitsalltag einer Autorin, Redakteurin und Dolmetscherin.”

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Mag sein, dass die Stadtschreiberin mit der Zeit ihren “Problembezirk” noch gründlicher durchforscht bzw. zergrübelt, sie kommt jedoch nicht an die Neukölln-Überlegungen des dort in der Weserstraße einst geborenen und aufgewachsenen Künstlers Thomas Kapielski heran, die dieser 1995/96 im Katalog der Ausstellung des Neuköllner Heimatmuseums “Inventur – Neuköllner Nachkriegszeiten” veröffentlichte – unter dem Titel: “Die vier Temperamente Neuköllns”. Kapielski legt im übrigen Wert auf die Feststellung, dass er kein Neuköllner Stadtschreiber ist, sondern eher ein Weltkünstler: In seinem seit 2005 geführten “writer’s blog” kommt das Wort “Neukölln” nicht ein einziges Mal mehr vor, und sein letztes (Merve-)Buch hieß “Weltgunst”. Einige Teile seines Neuköllner Katalog-Beitrags arbeitete ich in einen Text über den Neuköllner Kaufhauserpresser “Dagobert” ein, nachdem ich die Gerichtsverhandlungen gegen ihn in Moabit besucht hatte:

Einige Male waren zwei Schulklassen im Saal 500 dabei, auf die sich dann insbesondere die Hörfunkjournalisten in den Pausen stürzten: “Ich glaube, der Dagobert ist ein bißchen irre, aber echt voll geil, wie der die Leute verarscht hat” und “Zur Strafe sollte er einige Jahre bei Karstadt als Verkäufer arbeiten müssen”. “Eine Zuschauerin wirft heimlich Kußhändchen. Eine hat Pralinen mitgebracht”, registrierte die BZ.

Dagobert, mit bürgerlichem Namen: Arno Funke, wurde 1951 in einem kleinen Haus mit Garten in Rudow geboren. Sein Vater war Schriftsetzer, die Mutter Hausfrau. Der Gerichtspsychiater Werner Platz berichtet über ihn: “Er wuchs praktisch als Einzelkind auf, war von Hühnern und Kaninchen umgeben, in ungewollter Ökologie wie er es nennt, und hat oft Blödsinn angestellt. Er hatte viel Phantasie und Freude am Experimentieren. Mit der Pubertät entwickelte sich eine Schüchternheit.” Der Vater, so erinnert sich Arno Funke, saß meist vorm Fernseher und trank ein Bier. Arno las viel, trotzdem mußte er die 3. und die 6. Klasse wiederholen. Als er 11 Jahre alt war, trennten sich die Eltern und die Mutter zog mit ihm nach Neukölln: “in eine Wohnung im vierten Stock im dritten Hinterhof mit Außentoilette”. In dieser Zeit besuchte Arno Funke am liebsten Bibliotheken, er interessierte sich für griechische Sagen und Elektronik. Die Kinder nannten ihn “den Professor”, er fand heraus, daß er am selben Tag wie Albert Einstein geboren wurde. “Aus dir wird nichts”, sagte sein Vater oft. Arno beendete die Hauptschule mit der 7. Klasse.

Eigentlich wollte er Zirkusclown werden oder Seemann, “um die Welt kennenzulernen”. Die Mutter zog erst einmal mit ihm zum Vater zurück, von dort dann allerdings alleine nach Norwegen. Arno begann eine Lehre als Photograph, aber der Meister hatte Probleme mit seinen Umgangsformen und seinen langen Haaren. Später sah Arno ihn einmal im Fernsehen, da hatte er selber lange Haare. Arno arbeitete dann als Photoverkäufer und in einem Lebensmittelladen. Er ging oft in Discotheken und kannte bald alle Platten. Schließlich begann er eine dreijährige Lehre als Schriftenmaler. Diese Tätigkeit übte er hernach auch noch ein Jahr als Geselle aus.

Mit etwa 20 Jahren jobbte er als Discjockey in verschiedenen Clubs. Auf diese Weise kam er bis nach Bielefeld, wo er als Coca-Cola-Verkaufsfahrer anfing und eine Polin, Barbara, heiratete. Zwar kehrte er später nach Berlin zurück, aber seine Rudow-Neukölln-Phase war damit beendet: Er trennte sich von seiner Frau und zog nach Tempelhof. Das war 1974.

Um seine späteren Taten als Bombenleger und Kaufhauserpresser würdigen zu können, muß man erst einmal den Bezirk seiner Primärsozialisation verstehen. Hierzu sei auf die Analysen von Thomas Kapielski zurückgegriffen, der bei den vier Gebieten Britz, Buckow, Rudow und ‘,Neukölln” (im engeren Sinne) ebensoviele “Temperamente” unterscheidet. Jahrelang streifte der Autor dafür durch den Gesamtbezirk und insbesondere durch die “Kaufhäuser Karstadt am Hermannplatz und Hertie in der Karl-Marx-Straße”. Dabei stieg seine Wahrnehmung “ins fein absonderlich Genaue: Sah ich vier Wasserkessel, wußte ich, welchen Britz kauft, welchen Rudow bevorzugt, welchen Buckow wählt und welchen Neukölln. Alles bekam eine Klarheit, eine verstehende Ordnung”. Hier ein Auszug daraus:

“Wo der Rudower einen schlichten Dachgepäckträger auf dem alten Kombi zu Nutzschmuck macht, muß der Neuköllner des Zentrums Kredit auf ein Surfbrett nehmen. Der Buckower setzt sublim die Moden in Umlauf, denen der Neuköllner rastlos nachzulaufen sich verschrieben hat. Der Stadtneuköllner laboriert an der Derbheit des Rudowprinzips, die in ihm steckt, und sehnt sich nach Buckower Nonchalance und Eleganz, die er niemals erreichen wird. Neukölln reagiert; sein Wesen verdankt sich Effekten, die einem Spannungsgefüge des Dörflich-Provinziellen und des Polyglotten zu folgen verurteilt sind, nämlich dem Britz-Rudowschen Trägheitsgesetz und der Buckowschen Bewegung.

Daraus resultiert etwa die in Neukölln so erstrebte Sportlichkeit in Wesen und Habit, die von Buckow aus nur als banal obszöne Bemühtheit und von Rudow her als überdehnt künstlich angeschaut werden kann. Der Neuköllner verfehlt seine Sehnsucht nach Buckower Stil und Contenance im Kitsch, im Volldaneben. An diesem Punkt aber kippt Neuköllns reaktive Art in Eigenheit um; hier entwickelt es eine Ästhetik, einen Stil sui generis!

In Rudow sitzen sie im authentischen Unterhemd und trinken Flaschenbier in der Gartensitzgruppe ‘massiv’. In Buckow kreuzen sich informelle Netze im virtuellen Raum. In Neukölln sitzen sie im Netzhemd vorm Fernseher und trinken auch Bier, aber aus Büchsen. Was sie in Britz tun, kann man sich denken.”

Dieses Spannungsgefüge in unserem Fall: Rudow-Neukölln-Restderwelt hat, wie wir noch sehen werden, Arno Funke geprägt und ihn zu dem gemacht, was er ist: “Deutschlands beliebtester Gangster”, wie die Zeitungen schreiben – ein ebenso sympathischer wie witziger und kluger Proletarier, leider wohl einer der letzten Vertreter dieser zum Aussterben verurteilten Spezies, die in den Berliner Arbeiterbezirken seit der Jahrhundertwende entstand. Der Gerichtspsychiater bescheinigt ihm eine “extrem hohe Intelligenz” (ein IQ von 145, den nur etwa 10% der Bevölkerung erreichen), verbunden mit einer “hohen sozialen Konformität, mit sozialer Verantwortlichkeit, Hilfsbereitschaft, aber beeinträchtigt in der Fähigkeit, mit sozialen Konflikten umzugehen”. Dazu “pessimistische Zukunftsvorstellungen und Depressionen” was auch auf etwa 10% der Bevölkerung zutrifft. Zu Arno Funkes erster Ehe merkte Dr. Platz an: “Sie heiratete eigentlich ihn, er konnte niemandem wehtun”. Nach seiner Scheidung fuhr Arno Funke nach Norwegen zu seiner Mutter, dort arbeitete er in einer Holzfabrik. Später holte er seine Mutter nach Berlin, wo sie bald zum Pflegefall wurde, sie starb 1986. Von 1981 bis 1987 hatte er eine Liebesbeziehung zu einer Koreanerin, die “sehr gebildet, aber nicht besonders treu war”. Während der “Trennungsphase” veränderten sich Arno Funkes Empfindungen. Die Suizidgedankcn nahmen zu, ebenso eine “innere Unruhe”, gleichzeitig fühlte er sich wie eine “lebende Leiche”, “gefühllos”, Musik empfand er nur noch als Geräusch, auch nach einer halben Flasche Alkohol spürte er keine Trunkenheit und hörte deswegen auf zu trinken. Ein Buch mußte er mehrmals lesen, um etwas daraus zu behalten. Vor Gericht führte er dazu in seinem laut BILD-Zeitung “jämmerlichen Geständnis” 1995 aus: “Ich bin schon bei der normalen Umsatzsteuererklärung gescheitert, ich fühlte mich immer schnell überfordert. Es war ein ständiger Kampf ums Geld.” Und dem fühlte er sich irgendwann nicht mehr gewachsen.

Damals schon führte eine Neurologin, die er aufsuchte, dies auf eine Vergiftung durch die Lösungsmittel von Spritzlacken zurück. Seit 1980 hatte er erst in einer Autowerkstatt und dann selbständig als Lackierer gearbeitet, 60-80 Stunden in der Woche. Er fertigte Airbrush-Bilder auf Motorradtanks und Reklametafeln an und galt auf diesem Gebiet bald als der Beste in ganz Westberlin! 1988 war er jedoch nicht mehr imstande, damit weiter zu machen. Dadurch wurde seine Situation immer prekärer, die Notwendigkeit eines Befreiungsschlags also immer dringlicher. Vor Gericht erklärte er: “Wenn man schon mal so weit ist, dann kann man auch noch was probieren, was vielleicht einen neuen Weg bringt.” Er brauchte Geld, wollte “ein neues Leben beginnen”. Um das zu erreichen, wollte er jedoch keine Gewalt gegen Menschen anwenden. Deswegen kam ihm “die Idee mit der Erpressung: Weil ich dabei die Druckmittel so gezielt einsetzen wollte, daß dabei niemand zu Schaden kommt”.

Und weil er noch ein bißchen Chemiekenntnisse aus der Schule besaß und früher auch mit Raketen experimentiert hatte, baute er eine Bombe mit Zeitzünder, die er am 25. Mai 1988 gegen Mitternacht in der Sportabteilung des zum Hertiekonzern gehörenden KaDeWe in Wilmersdorf zur Explosion brachte. Zuvor hatte er bereits eine ähnliche Bombe in der Spielwarenabteilung deponiert gehabt, die jedoch nicht hochgegangen war. Dazu hatte er in einem Brief 500.000 DM gefordert. Ein Polizeibote übergab ihm später die volle Summe.

Die Neurologin hatte ihm gegen seine Depressionen (“Nichts hat mir mehr Spaß gemacht”, so Arno Funke) Medikamente verschrieben. Langsam ging es ihm tatsächlich wieder besser – rückwirkend vermag er jedoch nicht mehr zu sagen, “ob das an den Tabletten oder an der erbeuteten halben Million lag”. Er ging erst einmal auf Reisen: Frankreich, Spanien, Korea, Philippinen… Aber noch im Jumbo-Jet saß ich mit dem Gefühl, in einem BVG-Bus zur Arbeit zu fahren.” Auf den Philippinen lernte er seine spätere zweite Frau, Edna, kennen: “Da habe ich gemerkt, wenn ich mit jemandem zusammen bin, empfinde ich die Leere und Sinnlosigkeit nicht so stark.”

Edna kam dann nach Deutschland. “Als sie schwanger wurde, haben wir geheiratet…, es gab eine gesundheitliche Besserung.” Arno Funke kaufte sich einen Mercedes. Sein gestiegenes Wohlbefinden will er u.a. daran gemerkt haben, daß er sich in Kassel plötzlich wieder daran erinnern konnte, wo sein Auto parkte, zuvor hatte er sich an solche Dinge grundsätzlich nicht mehr erinnern können. Edna und er reisten zusammen durch Deutschland, Norwegen und die Schweiz. “Meine Frau war resolut, wollte was unternehmen oder hat Druck gemacht, daß ich z.B. die Wohnung renoviere. Auf die Weise bin ich dann doch zu was gekommen.” Im Sommer 1991 empfand er sogar “gewisse Stimmungen” wieder. Doch die Zukunft sah weiterhin düster aus: “Die Aussicht, von Sozialhilfe zu leben, war nicht sehr rosig. Ein bißchen Geld haste noch. Vielleicht schaffst du es ja, die Polizei noch einmal reinzulegen . Also begann er sich erneut, erst einmal gedanklich, mit einer weiteren Kaufhauserpressung zu befassen. Diesmal beim Karstadtkonzern: “Ich wollte es gerecht verteilen.” Über die nun folgenden zwei Jahre von der Explosion dreier Sprengsätze in der Porzellanabteilung der Hamburger Karstadt-Filiale in der Mönckebergstraße, am 13. Juni 1992, bis zu seiner Verhaftung in einer Telefonzelle in der Treptower Hagedornstraße, nahe Rudow, am 22. April 1994, sind inzwischen mehrere Bücher und Filme erschienen. Die Medien berichteten in dieser Zeit über ihn und seine Taten und dann noch einmal anläßlich seines Prozesses im Wert von ca. 140 Millionen DM, wenn man die entsprechende Werbezeit bzw. -fläche und deren Kosten zugrundelegt. An Popularität reichte Arno Funke als Dagobert damit an Boris Becker heran. Auch und gerade die Polizei schätzte ihn als Gegner, obwohl er ihr eine Fahndungsblamage nach der anderen zumutete. Nach Analyse seiner Zeitzünderbomben bescheinigten ihm die Gutachter vom Landeskriminalamt “ein sehr hohes technisches und handwerkliches Niveau’. Beeindruckt sind die Experten auch von seinen “sehr professionellen” Geldabwurfgeräten. Mit bestimmten elektronischen Fake-Bauteilen, “TimerAttrappen”, erreichte er ihre “gezielte Irreführung”. Sie mutmaßten schließlich: “Der Täter besitzt umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet der Metallverarbeitung, auch Werkzeuge, eine Blechbiegevorrichtung z.B. Ein Hobbykeller reicht da nicht aus.” Der Richter am Moabiter Landgericht, Nils Neelsen, selbst wahrscheinlich ein Bastler und Eisenbahnfreak in seiner Freizeit, und deswegen an den technischen Details hochinteressiert, unterbrach die Vorlesung des polizeilichen Gutachtens an dieser Stelle und fragte den Angeklagten: “Wie war das noch einmal, Herr Funke, die Blechbiegevorrichtung, das war doch ihre Tischkante?” “Ja”, gibt Arno Funke belustigt zu, und alles im Gerichtssaal freut sich, nur der Staatsanwalt gähnt verhalten und wirkt beleidigt.

Anfangs baute Arno Funke seine Bomben, die er dann auch noch in den Karstadt-Filialen in Bremen, Hannover, Bielefeld, Magdeburg und zuletzt in der Filiale am Neuköliner Hermannplatz (sic!) explodieren ließ, im ehelichen Schlafzimmer, später mietete er sich eine Datsche als Werkstatt in Ostberlin, in einer Laubensiedlung gleich hinter Rudow. Dort werden seine “unkonventionellen Sprengvorrichtungen” (USpV im Polizeijargon) immer vertüftelter, erst recht die funkgesteuerten Geldabwurfgeräte. Gleichzeitig ist er aber auch noch viel mit seinem “Daimler” unterwegs, um neue Geldübergabe-Orte auszubaldowern: “Ich ließ mich dabei von der Umgebung inspirieren”. Zweimal entdeckte er auf diese Weise günstig gelegene Regenwasserkanäle, von deren Gullys aus er dann seine Fluchtwege quasi unterhalb der Polizei, die mit Hubschraubern nach ihm Ausschau hielt, antrat. Zuvor schickte er die Beamten von einem Briefkasten in der Neuköllner Emserstraße aus, in dem sich die erste Anweisung befand, auf eine regelrechte “Schnitzeljagd” durch die Stadt, wie sieh eine beteiligte Polizistin erinnerte. Auf das berühmt gewordene Schienenfahrzeug kam er bei einem Hunderennen, als er die “Hasenmaschine” sah. Die Gummiräder, die mit Federn an die Schiene gedrückt wurden, nahm er von einem Teewagen ab, die elektronischen Bauteile kaufte er wie fast immer bei Conrad Electronic in Tempelhof. Dort wurde er einmal von der Polizei fast erwischt. Glück hatte er auch bei der großen Fahndungsaktion, als 3 000 Beamte in Zivil nahezu sämtliche Telefonzellen der Stadt überwachten: Arno Funke benutzte jedoch eine, die nicht überwacht wurde: in Britz!

Mit seinen Basteleien in der Datsche hatte er etwas gefunden, was ihm wirklich Spaß machte: Dutzende von Polizeigutachten äußern sieh immer wieder anerkennend über die liebevollen Details seiner Geräte. Das geht so weit, daß der Richter Neelsen den Angeklagten an einer Stelle, wo im Gutachten doch einmal (ein einziges Mal!) von einer” schlechten Lötstelle” die Rede ist, fast ärgerlich anherrscht: “Herr Funke, was ist denn da passiert?”

Als es um den Potentiometer eines Kurzzeitzünders geht, der im Fahrstuhl der Neuköllner Karstadt-Filiale am Hermannplatz zum Einsatz kam, erkundigt der Richter sich besorgt, ob der Angeklagte zuvor auch die Einstellschraube mit einem Lackpfropfen gesichert habe. Später stellt sich heraus, daß sowohl Arno Funke als auch zwei polizeiliche Gutachter die Genauigkeit der Einstellschraube einem Test unterzogen hatten, ihre Ergebnisse wichen jedoch alle voneinander ab. Das Gericht folgte später ohne Zögern Arno Funkes Darstellung. Ein anderes Mal erklärte der Richter sich und den Zuhörern in der Verhandlung den Grund für die Entgleisung des von Funke zur Geldübergabe gebauten Einschienenfahrzeugs das nach Meinung des Richters “immer herzlos als Lore bezeichnet wird” mit dem maroden Zustand der DDR-Technik: “Das waren dort sicher zweimal gewendete Schienen, so was gibt es noch bei der Reichsbahn.” Man könnte und sollte noch viel weiter in die technischen und handwerklichen Details gehen, ich möchte sie jedoch als zum großen Teil bekannt voraussetzen. Nach der Bombenexplosion bei Karstadt am Hermannplatz wollte Arno Funke nicht noch einmal eine Bombe legen, die vielen vergeblichen Geldübergaben hatten ihn mürbe gemacht. Auch die Medien nervten ihn, sie beteiligten sich immer ungenierter an der Fahndung und wurden z. B. von der Polizei in ein Kino eingeladen, wenn wieder eine Geldübergabe stattfinden sollte. Von den Millionen, die sie an seinen “Gags” verdienten, hat er nie auch nur einen Pfennig abbekommen. Seine Erpresserbriefe wurden immer drohender und omnipotenter im Gestus. Sein Haß auf den Kaufhauskonzern und die Polizei stieg, verbunden mit einer zunehmenden Resignation, die ihn unvorsichtig werden ließ: Er mietete Fluchtwagen auf seinen eigenen Namen an, am Telefon meldete er sich nicht mehr mit einer zuvor aufgenommenen Computerstimme, sondern einfach nur mit einer verstellten (Kopf)Stimme, irgendwann war es ihm sogar egal, wie lange sein polizeilicher Gesprächspartner ihn wegen einer Fangschaltung hinzuhalten versuchte. Auch seine Pistole ließ er zu Hause.

In diesem Dilemma zwischen liebevollster Bastelei und Wut auf die ihn immer nur hinhaltende oder mit Papierschnipsel täuschende Staatsmacht werden seine Geräte zunehmend Welthaltiger. Die inzwischen als fiktiv entlarvten U-Boote der Sowjets vor der schwedischen Küste inspirieren ihn zum Bau eines U-Boots für die Geldübergabe (es kommt jedoch nicht mehr zum Einsatz). Als Kohl die Kollwitz-Plastik in der Neuen Wachen Unter den Linden aufblasen läßt, bestellt er die Geldboten wiederholt in den “IC Käthe Kollwitz”. Als die Nazi-Untergrund-Architektur in Mitte von der Öffentlichkeit entdeckt wird, geht auch Dagobert in die Kanalisation, und entkommt so zweimal der Polizei. In einem Brief droht er einmal ein falsch geschriebenes “BrilliantFeuerwerk” an. So steht es auch auf dem Zaun des Rummels am Lützowplatz, der besonders gerne von den Thailändern und Philippinos in dieser Stadt besucht wird. Usw.

Zu dieser Welthaltigkeit gehört dann auch noch der von ihm insgesamt angerichtete “Schaden”, den die Kaufhauskonzerne auf sechs Millionen DM beziffern. Eine geradezu magische Zahl in Deutschland, die immer wieder an den unmöglichsten Stellen auftaucht (in der Statistik der Alkoholkranken z. B.). Man muß in diesem Fall jedoch etwas ausholen: Die Kaufhauserpressung hat eine lange Tradition in Deutschland. Schon vor 1933 erpreßten Rotfrontkämpferbund und SA-Gruppen abwechselnd Schutzgelder von den Kaufhauskonzernen, die sich nahezu sämtlichst in jüdischem Besitz befanden. Nachdem der linke Terror ausgeschaltet war und die Industrie- und Handelskammern sich mehrfach bei Göring beschwert hatten, wurden die Kaufhauserpressungen quasi amtlich abgewickelt. Die SA stand fortan vor den Eingangstüren Wache, bis 1938 wurden alle Kaufkäuser “arisiert”. In der DDR wurden sie erst dem Staat und dann nach der Wende von der Treuhand kurzerhand den beiden westdeutschen Konzernen Karstadt und Hertie zugeschlagen. Beide Male kam es zu erpressungsähnlichen Akten, zuletzt auch noch durch das sogenannte Investitionsvorranggesetz, mit dem die Ansprüche jüdischer Alteigentümer quasi ausgehebelt wurden.

In der BRD meldeten sich die linken Kaufhaus-Attentäter erst 1967 zurück: Nachdem in Brüssel bei einem Kaufhausbrand 300 Menschen gestorben waren und in Berlin der Polizist Kurras den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte, wobei die Westberliner Presse beide Taten den ‘,Linksradikalen” anlastete, hatten Fritz Teufel und Ulrich Enzensberger ein Flugblatt verfaßt, das überschrieben war: “Wann brennen die Berliner Kaufhäuser?”, ihr Schlußsatz lautete: “Burn, warehouse, burn!” Fritz Teufel kam deswegen in U-Haft, woraufhin Rudi Dutschke mit etlichen anderen Genossen in einen Hungerstreik trat. Im Jahr darauf versuchten einige Frankfurter Genossen, Baader, Ensslin, Proll und Söhnlein, tatsächlich ein Kaufhaus in Brand zu setzen. Die vier “Frankfurter Kaufhausbrandstifter” kamen alsbald vor Gericht, wo ihre Anwälte dann ähnlich argumentierten wie später Arno Funkes Anwalt: Es hätte sich dabei nur um” Gewalt gegen Sachen” gehandelt. Ihre Bombe, die im übrigen ähnlich wie die von Arno Funke nur ohne Elektronikzünder gebaut war: ein Stahlrohr, gefüllt mit einem Gemisch aus Unkraut-Ex, Zucker und Schwefel, sollte in keinem Fall irgendwelche Personen gefährden. Auch Funkes Begründung, warum er seine drei Sprengsätze für die Hamburger Karstadt-Filiale ausgerechnet in der dortigen Porzellanabteilung deponierte, könnte von Baader et. al. stammen: “Ich wollte eine gewisse Wirkung damit erreichen!” Den vier Frankfurtern ging es damals um ein Fanal für Vietnam und gegen die Gleichgültigkeit der hiesigen Konsumenten.

Der Brüsseler Kaufhausbrand vom Mai 1967 bekam kurz nach der Verurteilung Arno Funkes plötzlich noch ein Berliner Nachspiel: Ein Fritz Teufel, der nicht mit dem ehemaligen Kommunarden und Fahrradkurier identisch ist, fuhr ab April 1995 mit dem Fahrrad durch Berlin und schrieb auf alle möglichen Plakate, Türen und Abfallbehälter: “Kaufhausbrand Brüssel 1967. 300 Tote. Nur einer grinst: Dr. Teubner, 78 Jahre, wohnhaft Evere, Brüssel, Rue du Maquis 95a”. Bei diesem sich “Zeugen” nennenden Mann handelt es sich angeblich um den Sohn von Dr. Teubner. Der “tageszeitung” erklärte er: Sein Vater habe sich 1970 in Baden-Württemberg von Teufel in Teubner umbenannt, von 1960 bis 1980 sei er Übersetzer bei der EG in Brüssel gewesen. Zuvor sei die Familie von der Organisation “Stille Hilfe” betreut worden, was eine evangelische Hilfsorganisation gewesen sei, die Naziverbrechern geholfen habe. Mit seiner Plakatieraktion wollte der Sohn den Vater als “Verbrecher” anklagen und gleichzeitig “den Teufel” in sich selbst austreiben, “weil ich sein Sohn bin. Ist Dir im Farbfernsehen noch nicht aufgefallen, daß sich die Farben verändert haben? Große Ereignisse kündigen sich an.”

Mag sein, aber – um wieder auf Dagobert zurückzukommen – Arno Funke mußte erst einmal die nächsten Jahre hinter Gittern verbringen. Ab Ende 1993 bezog er bereits Sozialhilfe, als er vier Monate später vor der schon erwähnten Telefonzelle verhaftet wurde, spürte er kein Gefühl der Erleichterung, sondern “als guter Sportmann” habe er sich “mit den Beamten mitgefreut”. Die dann auch fortan seine “Kooperationsbereitschaft” lobten. Da rundete sich also sein Neukölln-Schicksal, wie es als “Klischee” bereits bei Kapielski angedeutet war.

Weil er so beliebt war, hofften viele Leute, daß Arno Funke die darauffolgenden Jahre im Knast überlebt. Sein Anwalt Ziegler meinte: “Er unterliege sehr starken Schwankungen in seiner Stimmung. Schon nach kurzer Zeit war er aber auch bei seiner Mithäftlingen sehr beliebt, anfänglich half ihm Klaus Speer, das Haupt der sogenannten “Speer-Bande” sehr, aber der wurde dann auf Kaution entlassen.

Anfang 1996 kassierte der Bundesgerichtshof das Urteil, weil er im Gegensatz zum Berliner Landgericht von zehn statt vier ‘,Tatkomplexen” ausging. Arno mußte in U-Haft bleiben und auf seinen Revisionsprozeß warten. Währenddessen unternahm er zwei Selbstmord-Versuche. In der Verhandlung dann ging es nur noch um das Strafmaß. Die psychiatrischen Gutachter führten noch einmal aus, warum der Angeklagte trotz seiner schweren organischen Depression – dem “Painter-Syndrom” – nach zehnjähriger Arbeit mit Lacklösungsmitteln in der Lage war, umsichtig seine Bomben zu plazieren sowie derartig ausgefeilte Geldübergabegeräte zu bauen. Einer der Psychiater verglich dabei Arno Funke mit Beethoven. “Wie fühlen Sie sich denn jetzt?” wollte der Richter wissen. “Jetzt nehme ich seit neun Monaten Antidepressiva. Früher wollte ich mich jeden Tag umbringen, jetzt verschiebe ich es immer wieder auf den nächsten Tag.” Ausführlich äußerte er sich diesmal selbst über seine “Existenzangst”: “Wenn ich in der Wirtschaft gewesen wäre, hätte ich ein Wirtschaftsdelikt begangen, aber so war die Kaufhauserpressung das einzige, was ich machen konnte”. Den “Druck”, der immer mehr auf ihm lastete, setzte er quasi mit letzter Kraft in DetonationsDruck um, mit der er dann das Kaufhaus erpresste. Zuletzt versuchte er mit immer drohenderen Briefen “Druck” auszuüben, damit der Konzern seinerseits die Polizei unter Druck setze, damit die wiederum ihm endlich das Geld aushändige, wozu sie zuletzt auch tatsächlich neigte. Dabei begriff Arno Funke sich nach wie vor als Arbeiter: “Ich bin oft in die Übergaben gegangen als wenn ich zur Arbeit gehe.” Viel “Zeit und Geld” investierte er in den Bau eines U-Boots, brach aber die “Arbeit” an dieser “Schnapsidee” dann ab. Teile davon “arbeitete” er in ein Schienenfahrzeug ein. Seine Übergabetermine setzten ihn bei seinen Vorbereitungen “unter Druck”, aber “wenn ich mich nicht wohl fühlte, konnte ich der Polizei absagen, was ich im normalen Beruf nicht hätte machen können”. Auch “die Arbeit” an einem Übergabetrick mit einer Doppelten Wand am Anhalter-Bahnhof brach er ab: “Das war mit zu heißer Nadel gestrickt”. Seiner philipinischen Frau erschienen all diese Aktivitäten “normal”. “Als wäre ich auf Arbeit die Wochenenden hielt ich mir immer frei”.

Der Angeklagte ist in der U-Haft blaß geworden, sein blondes Haar dunkler. Den Schnurrbart trägt er jetzt glatt geschnitten. Er ähnelt einem Kaufhausdetektiv, der ein Fernstudium begonnen hat. Mit dunklem Anzug, hellblauem Hemd und grauer Krawatte. Nur am ersten Tag trug er eine rote Krawatte mit Mickymaus-Motiven: Tribute to the press, für die er nach wie vor Dagobert ist, “der auch mal im Geld baden wollte”, der dann aber als “Pechvogel Donald” endete, der ja, wie jeder weiß, in all seinen Geschichten scheitert, selbst wenn er sein Ziel erreicht: weil es dann so ganz anders ist, als er es sich vorgestellt hat.

Für den Spiegel, der viel Geld für ein Dagobert-Interview zahlte, hat Arno Funke dagegen Ähnlichkeit mit Daniel Düsentrieb. Und ein Sat.1-Regisseur sieht in ihm nur einen “Verbrecher”, der ihn nicht interessiere. Aus diesem Grund hat sich der Mann auf den Fahnder Michael Daleki konzentriert, der in Wirklichkeit wie ein Zwillingsbruder von Arno Funke aussieht, wobei der Regisseur ihm eine Liaison mit einer lesbischen Justitiarin von “Kaufstadt” anhängte. In einer Nebenrolle trat dafür ein echter Cousin von Arno Funke auf. 1,4 Millionen Mark soll der Sender für diesen scheußlichen Schnellschuß an Funke bezahlt haben. 91.000 Mark bekam seine Frau Edna von der Super-Illu, die ihre Lebens- und Liebesgeschichte samt Arnos Photoalbum veröffentlichte, zusammen mit einer Expertise von Margarethe Schreinemakers: “Sicher sind viele von seinem kriminellen Genie begeistert, doch das Leben ist kein Comic . . . Ich bin deswegen für eine harte Strafe – sorry.” (Mit diesem Schweinestatement war übrigens ihr Schicksal besiegelt: Keine Sau wollte sie seitdem mehr auf Sendung sehen!) Auch ein Familienspaßfilm, von Arno Funke auf Super 8 gedreht, fand schnell finanzkräftige Abnehmer. Weil dem Kaufhauserpresser die nachträgliche Vermarktung seiner Taten und Hinterlassenschaften mehr Geld einzubringen schien, als er von den Kaufhauskonzernen verlangt hatte, wollte ein Berliner CDU-Politiker (ausgerechnet!) eine Zeitlang eine “Lex Dagobert” einführen, mit der die Verwendung solch verwerflicher “Honorare” staatlich geregelt werden sollte. Den rechtspolitischen Sprecher hatte es schon verbittert, daß ZDF und ARD mit Sondersendungen auf die Verhaftung Dagoberts reagiert und ein “Tagesthemen”-Kommentator, NDR-Chefredakteur Hetkämper, zu Funkes unterhaltsamen Verbrechen sogar gemeint hatte: “Das hat was!” Es gibt Dagobert-T-Shirts, -Masken, -Bücher und -Platten. Ein Berliner Anwalt erklärt sich unbeauftragt zu seinem Sprecher, und für Interviews bietet man Dagobert “beträchtliche Summen” an. “Er ist ein Künstler, denn noch nie vor ihm hat ein Mann so eine Dauer-Performance geliefert, und das ganz ohne Sponsoren”, meint der Neuköllner Anarcho-Verleger Bernd Kramer, der seit Dagoberts Verhaftung auf einer fiktiven Dagobert-Biographie sitzt. Ein taz-Kolumnist fordert: “Freiheit für Funke”, denn als “Dagobert hat (er) sich um die deutsche Kriminalität verdient gemacht”. Dazu erklärt der Entenhausen-Forscher H.D. Heilmann, in einer gutachtlichen Äußerung: “Der sympathische Kapitalist Dagobert Duck hat wesensgemäß nichts mit einem Erpresser und Bombenleger gemein, doch wäre ihm diese Ultima ratio als Movens kapitalistisch-plutokratischer Selbstverwirklichung nicht völlig und a priori fremd.” Und er fährt fort: “Ob überhaupt und inwiefern wir unter der Maske ,Dagobert` den Staatsfeind vermuten dürfen, bedeutet für den unabhängigen Betrachter, dem Bankräuber, dem Safeknacker, und ebenso dem Streetfighter das Phänomen gegenüberzustellen, daß gerade heute wieder die erklärten Staatsfetischisten, der Politik zum Beispiel, ,Vater Staat` betrügen und berauben – und zwar um mehr als nur Pfennigbeträge, insofern sind also die Forderungen ,Dagoberts` realistisch!”

Arno Funke erhielt schließlich 9 Jahre. Der Richter tröstete sich (und ihn) damit, daß er nach einer gewissen Zeit mit seiner Verlegung in den offenen Strafvollzug rechnen könne. Gerichtsreporter hatten Blumen für den Angeklagten dabei: Er “feierte” an diesem Tag seinen 45. Geburtstag, das Urteil war “ein Schock” für ihn, wie Wolfgang Ziegler, sein Anwalt, später erklärte.

Im Tegler Knast fing Arno Funke langsam wieder an zu malen, er bekam körbeweise Briefe, die er beantwortete. Für eine neue Berliner Monatszeitschrift von Johannes Beck schrieb er eine Kolumne und außerdem noch einen sehr schönen Text für die “tageszeitung” über die Bürokratie im Knast, den ich hier anhänge. Da war er wieder der Witz des Neuköllner Proletariers, und zwar vom Feinsten! Ende 1996 unternahmen zwei ostdeutsche Arbeiter einen an “Dagobert” orientierten Versuch der Erpressung eines Handelskonzerns. Sie wurden jedoch schon nach einigen Wochen geschnappt.

Arno Funke kam dann wirklich schon nach ein paar Jahren in den offenen Vollzug, dazu wurde er in einen anderen Knast verlegt. Die Ostberliner Satire-Zeitschrift “Eulenspiegel” richtete ihm einen Schreibtisch zum Arbeiten ein und Funke schaffte sich ein Fahrrad an, das ihm jedoch in dem offenen Vollzugsknast sofort geklaut wurde. Dafür wurde er immer mal wieder zu irgendwelchen Partys und Events eingeladen. Der Chef der Deutschen Kriminalbeamten, Holger Bernsee, schimpfte: “Er wird wie ein Prominenter behandelt. Mit Resozialisierung hat das nichts mehr zu tun.” Und der Tagesspiegel entblödet sich nicht, dazu eine breit angelegte “Pro & Contra”-Debatte mit Hotline in sein müdes Sonntagsblatt zu hieven. Im Anschluss an eine Veranstaltung mit Arno Funke in Marzahn, wo er einige Kapitel aus seiner noch nicht veröffentlichten Autobiographie vorlas, kam ich mit einem Polizisten und einem Politiker ins Gespräch. Sie waren sauer, nahezu täglich auf Dagoberts pfiffiges Gesicht in der Zeitung zu stoßen. Ich war sauer, nahezu täglich etwas über bzw. von Politikern und Polizisten lesen zu müssen. Das sei aber doch ein gewaltiger Unterschied, meinten sie: Während “wir” für Recht und Ordnung sorgen, stünden “Typen wie Dagobert” für Unrecht und Anarchie. Das genaue Gegenteil sei der Fall, konterte ich: Während Arno ein absolut integrer Typ sei, würden sie – meine beiden Gesprächspartner eingeschlossen – für grenzenlosen Opportunismus und Machtschleimerei stehen. Seien also mithin eher das gesamtgesellschaftliche Übel als ein effektiver Hebel zu dessen Beseitigung. Da müsse ich aber konkrete Beweise beibringen – meinte der Polizist pikiert. Ich wollte ihm nun nicht damit kommen, dass ich dreimal mit einer Bullen-Tochter liiert war – und somit die gähnende Höhe zwischen privater und staatlicher Gesetzesverkörperung nur allzu gut kenne.

Dagoberts Frau, Edna, kaufte sich derweil vom Honorar der Super Illu (brutto 91.000 Mark), der sie “ihre Geschichte” samt den Zeichnungen und Photographien ihres Mannes verkaufte, ein Haus auf den Philippinen. Ansonsten soll sie weiter in Tempelhof wohnen, der Hauswirt kam ihr mietenmäßig entgegen. Als Arno Funkes Biographie “Mein Leben als Dagobert” dann erschien, das zu verkaufen sich der Karstadt-Konzern im übrigen weigerte, beeindruckte mich darin vor allem, dass der Autor von der gefährlichen “Schnittstelle” sprach – zwischen Polizei und Geldübergabe, der alle Aufmerksamkeit zu gelten habe. Seine Geldübergabegeräte (GÜG) befanden sich inzwischen im Polizeimuseum. Aus der “Schnittstelle” wollten wir mehr machen – und veranstalteten auf dem Pfefferberg eine dreitägige “Messe über Geldbeschaffungsmaßnahmen (GBM) ” – Dagobert zu Ehren.

Dann entschwand Arno Funke jedoch langsam aus unserem Leben: Er heiratete eine Soziologin, die ihm im Knast betreut hatte und zog nach Lichterfelde, wo auch Kapielski hinzog, der ebenfalls nach dorthin geheiratet hatte – eine Katechetin.

Hier sei noch mal Arno Funkes taz-Artikel aus dem Knast vom 7.11. 1996 wiedergegeben:

Der unbescholtene Bürger, der nichts mit der Justiz am Hut hat, glaubt, daß die Strafe für ein Vergehen, das mit Gefängnis geahndet wird, im Entzug der Freiheit liegt. Denkste! Die eigentliche Strafe ist der tägliche, nicht zu vermeidende Umgang mit einer staatlichen Verwaltung. Allgemein sagt man den Behörden mangelnde Bürgernähe nach und daß der Amtsschimmel, der durch die Büros geloppiert, so manchen Apfel fallen läßt, auf dem dann der Bürger unvermutet ausglitscht. Vermutlich läßt sich der eine oder andere Nervenzusammenbruch, der in einer “Klapsmühle” therapiert wird, auf einen Behördengang zurückführen. Der/die Normalbürger/in hat wenigstens die Möglichkeit, ein Amt fluchtartig zu verlassen, um im Suff das Vergessen zu suchen.

Ich armer “Erpel” sitze aber gefangen in meiner Fünfquadratmeterzelle und werfe eine rosa Pille nach der anderen ein, um das alles ertragen zu können. “Was, sechzig Mark für eine Blume?” Die bildhübsche Blumenverkäuferin antwortet mir nicht, sondern küßt mich zärtlich auf den Mund. Ratsch. Das Krachen des Türschlosses, das Herumwirbeln des schweren Schlüsselbundes mit seinem schrillen Rasseln, reißt mich aus meinen Träumen. 6.30 Uhr, Aufschluß und Lebendkontrolle. Müde hebe ich meinen Arm zum Gruß. “Okay, Funke lebt noch.” Der Vollzugsbeamte ist zufrieden und knallt den Schlüssel in die nächste Tür. Verschlafen pelle ich mich langsam aus meinem Bett. “Jetzt einen Liter Kaffee, am besten intravenös”, ist wie immer mein erster Gedanke. Während ich den Kaffee brühe, zähle ich Auftragsformulare (Vormelder), fünf Stück, das müßte für heute reichen. Im Gefängnisalltag benötigt man für alles Vormelder: Arzt, Einbringung, Aushändigung, Besuch, Pakete, Aktivitäten und so weiter. Vormelder halten den Knastbetrieb in Gang. Sie sind Information, Botenstoff und Nachrichtenverbindung zwischen Gefangenem und Beamten. Ich trinke meinen Kaffee und lasse die Ereignisse der letzten Wochen Revue passieren: Vor einem Monat saß ich im Büro des Gruppenbetreuers und erklärte: “Also, die Sache ist so, vor vier Wochen stellte ich einen Antrag auf Taschengeld, seitdem habe ich nichts mehr gehört, keine Ablehnung, keine Zusage, nichts!”

“So so, nichts gehört”, der Beamte reibt sich das Kinn, “na dann werde ich mal anrufen, am besten die Zahlstelle.” Es stehen mir Tränen der Rührung in den Augen, ein Beamter, der sich für mich einsetzt, wie schön. Er spricht in den Hörer: “Was? Wie? Sie sind nicht zuständig? Apparat X?” Apparat X: “Was? Wie? Entweder Apparat Y oder Z?” Apparat Y: “Geht keiner ran.” Apparat Z: “Was? Wie? Sie können nichts finden? Sie sind im Streß? Ja, also Herr Funke, vielleicht gedulden Sie sich noch ein bißchen!” Ich übte mich in Geduld und sprach einen Monat später noch einmal vor. Diesmal eine Gruppenleiterin: “Es könnte sein, daß Sie kein Geld bekommen, weil Sie von dem Taschengeld, das Sie in Moabit erhielten, achtzig Mark gespart haben. Sparsamkeit wird hier nicht belohnt.” Eine andere Gruppenleiterin: “Ich glaube, die sind da überlastet, es ging da einiges durcheinander, warten Sie noch.” Ein paar Tage später beim “Stationer” (Gruppenbetreuer): “Kein Geld, weil Sie gespart haben? Das ist mir neu!” Er greift zum Telefon, spricht und erklärt mir: “Beim ersten Antrag haben Sie zu lange gewartet, der ist inzwischen verfallen, da gibt es jetzt kein Geld mehr. Den Antrag vom September noch mal neu stellen!” Ich griff mir ein neues Antragsformular und sagte: “Da ist noch etwas, was mich wurmt.” Vor acht Wochen hatte ich ein Jahrespaket beantragt, das auch genehmigt wurde. Ich fragte damals mehrere Beamte, wann solch ein Paket in die Anstalt eingebracht werden darf. Einhellige Meinung: Während der Besuchszeiten. Mein Spezi kam an einem Sonnabend zu Besuch. Ein Beamter erklärte nun, daß Jahrespakete nur Montag bis Freitag während der Besuchszeiten eingebracht werden dürfen.

Ein paar Wochen später, neuer Anlauf. Freitag 11 Uhr Besucherbüro, der Staatsdiener verweist ihn Haus 38, Poststelle. Dort erklärte ihm eine Beamtin, daß Jahrespakete nur bis 10 Uhr angenommen werden. “Verdammt noch mal, woher soll ich das wissen!” protestierte mein bedauernswerter Kumpel. Und die Beamtin verweist auf einen kleinen, für Besucher kaum sichtbaren Zettel an der Tür. Mein gequälter Freund brachte das Paket fluchend zurück zum Auto, um anschließend wieder zum Besucherbüro zu stapfen. Es täte ihm leid, sagte der Beamte, er sei fünf Minuten über dem Zeitlimit, er müsse sich einen neuen Termin geben lassen. “Aber ich war doch vor 15 Minuten bei Ihnen, Sie wissen doch, mit dem Paket, ich bin schwer herzkrank, hier mein Invalidenausweis!” Da sei nichts zu machen. Meinte der Beamte. Und seinem dritten Herzinfarkt nahe, fuhr mein gepeinigter Kumpel nach Hause. Später hatte ich fünf Beamte gefragt inkl. Gruppenleiter und stellv. Teilanstaltsleiter, keiner wußte etwas von einer 10-Uhr-Regelung. “Nur bis 10 Uhr? Ist mir neu!” War immer die gleiche Antwort.

“Hiermit beantrage ich die Einbringung und Aushändigung eines Radios.” Die junge Gruppenleiterin schüttelt den Kopf. “Zuviel, das ist zuviel”, sagt sie mir lächelnd, “erst einen Antrag auf Einbringung stellen, einbringen lassen, und wenn das Gerät da ist, einen Antrag auf Aushändigung. Beides auf einen Vormelder packen die nicht.” Sie streicht das Wort “Aushändigung” durch und reicht mir noch zwei Formulare mit den Worten: “Das eine ist völliger Quatsch, da streichen Sie alles durch und unterschreiben. Das andere unterschreiben Sie auch, das ist eine Anmeldung, wie auch gleichzeitig Befreiung von der GEZ. Is’ halt Vorschrift.”

Zwei Wochen später frage ich einen Beamten, was mein Antrag auf Einbringung eines Radios macht. Der Staatsdiener, ein ruhiger, korrekter im Bonsaiformat, sagte: “Der Antrag geht ans Haus 38 und bleibt dort liegen.” “Kann also eingebracht werden?” “Glaube schon.” Jemand versuchte einzubringen, wurde aber abgewiesen. Ich watschle diesmal zu einer netten, gutaussehenden Gruppenbetreuerin.

“Es muß doch eine Möglichkeit geben zu erfahren, wann ein Antrag genehmigt im Haus 38 liegt?” “Im Prinzip schon, Sie bekommen normalerweise eine Rückmeldung. Klappt aber nicht immer. Am besten, Sie stellen einen neuen Antrag, am besten immer Anträge stellen, bis eine Antwort kommt.” Eine Woche später, wieder ein anderer Gruppenleiter (ständiger Wechsel durch: Krankheit, Urlaub, Beförderung, Versetzung). “Also!” sage ich: “Vor einer Woche – etc.pp. – was ist aus meinem Antrag geworden?” Dynamisch greift er zum Telefon: “Was? Wie? Sie wissen von nichts? Also, Herr Funke, stellen Sie am besten einen neuen Antrag.” “Antrag Nr. 3?”, frage ich. “Ist das normal?” Betretenes Schweigen. Ich hatte vor acht Wochen auch einen Antrag auf Einbringung von Zeichenmaterial gestellt. Damals saß ich bei meinem Lieblingsbeamten im Büro, er nickte mir wohlwollend zu: “Kein Problem, Herr Funke!” So was hört man gern. Eine Woche später: “Es ist soweit alles genehmigt. Die Leitung möchte nur noch eine Liste beigefügt haben mit den von Ihnen bestellten Materialien.” “Kein Problem, Herr Lieblingsgruppenleiter.”

Wochen später bei einer Gruppenleiterin. “Wissen Sie etwas über meinen Antrag auf Materialeinbringung?” “Augenblick mal, ich rufe an.” Gespannt beobachte ich ihre Bemühungen, sie legt den Hörer wieder auf. “Und, was ist?” “Ja, da weiß wohl keiner so richtig Bescheid, tut mir leid, vielleicht später noch mal.” Ich beschließe einen Vormelder an die Teilanstaltsleiterin zu schreiben: “Bitte um Aufklärung!” Gestern saß ich bei einem altgedienten Beamten im Büro, der sich für Häftlinge noch immer Zeit nimmt und engagiert ist. Ich schildere ihm meinen Frust: Daß es im ganzen Knast anscheinend keinen Bediensteten gibt, der Bescheid weiß, daß die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut, daß es keinen Informationsfluß gibt und daß dadurch Willkür um sich greift. Einzelne unwissende Beamte sind normal. Aber alle?! Das kann nur am System liegen und an der Führung!

Langsam nimmt er seine Brille ab und schaut mir traurig in die Augen: “Ich arbeite seit zwanzig Jahren hier, das ist mir alles nicht neu, Herr Funke. sie werden in drei Jahren diesen Hort der Ignoranz verlassen. Aber ich werde hier weiter meinen Dienst schieben müssen.”

Ich erkenne, auch er ist eine gequälte Kreatur, und füge leise resignierend eine Frage an: “Wird es durch die Verwaltungsreform besser werden?” Ein endlos tiefer Seufzer: “Das wäre mir neu!”

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Neben den in der “Inventur”-Ausstellung des Neuköllner Heimatmuseums gewürdigten prominenten “Verlierern” Christiane F., Anarcho-Kramer, Thomas Kapielski und Arno “Dagobert” Funke wäre als weiterer gescheiterter Neuköllner noch der “Staatsfeind” Till Meyer zu ehren gewesen.

Zwar meint der heute 58jährige Exterrorist, Ex-taz-Reporter, Ex-Stasizuträger und “Spiegel-TV”-Mitarbeiter, daß er als Kriegshalbwaise und jüngstes von sechs Kindern, in Neukölln aufgewachsen, immer “chancenlos” gewesen sei, dennoch begann seine Laufbahn relativ furios: “Till ist ein aufgeweckter Schüler, mit eigener Meinung, der gut denken kann”, bescheinigte man ihm im Abschlußzeugnis der achten Klasse. Wie der andere berühmte Neuköllner Sitzenbleiber “Dagobert” wollte er daraufhin Seemann werden: “Das garantierte Abenteuer.” Und er schaffte es auch tatsächlich, auf der “MS Merkur” anzuheuern, zur Feier des Tages lud ihn die Mutter in ein Hamburger Chinarestaurant. Till hielt die “Schinderei an Bord” jedoch nur drei Monate aus (ich schaffte es seinerzeit auf der “MS Riederstein” nur zwei, stamme aber auch nicht aus Neukölln!). Danach meldete ihn die Mutter auf einer Privatschule in Wilmersdorf an, wo er jedoch meistens den Unterricht schwänzte und am “simplen Dreisatz” scheiterte. Drei Monate später fing er als Hilfsarbeiter in einer glastechnischen Werkstatt in Schöneberg an.

Von seinem ersten selbstverdienten Geld leistete sich Till ein Moped sowie eine Levis-Jeans und eine James-Dean-Jacke. Dazu einen schwarzen Seidenblouson mit feuerrotem Futter und schwarzweiße Schuhen. Seine Rocker-Clique traf sich im “Tutti-Frutti-Schuppen”. Von da aus ging es zum Vögeln an den Wannsee oder Grunewaldsee. Immer wieder gab es Ärger mit den “Kalkmützen” (der Polizei). Gelegentlich besuchte Till seinen Onkel in Ost-Berlin, der ihn mit antifaschistischer Literatur versorgte und sich über seine Elvis- Frisur lustig machte. Von einem Untermieter seiner Mutter, einem FU-Germanistikstudenten, bekam er dann weitere Lebenshilfe, während er sein Geld bei einem “Sklavenhändler” in Wilmersdorf verdiente, wo man ihn wegen seiner Ausdrucksweise bald “Student” nannte.

Der Mauerbau 1961 überraschte ihn im Osten, wo er sich inzwischen in die Tochter seines Patenonkels verliebt hatte. Erst 17 Jahre später kam er wieder dorthin: “Diesmal als Fliehender von West nach Ost – als Staatsfeind Nummer eins gejagt.” Zur Nummer eins hatte es bis dahin noch kein Neuköllner Staatsfeind gebracht. Erst einmal mußte Till aber 1961 für drei Wochen in die Neuköllner Jugendarrestanstalt Schönstedtstraße: wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht. Anschließend spendierte ihm seine Mutter eine Paris-Reise. Auf dem Weg dorthin blieb Till jedoch in Trier hängen, wo er sich verliebte. Jetzt wohnt er übrigens wieder dort.

Dazwischen liegen die allseits bekannten Stationen der “Politisierung”: APO, Kinderladen, Haschrebellen, Stadtguerilla, Knast, Ausbruch, Prozeß, Urteil, Hungerstreik, Isolationsfolter usw. Neulich lud der Dichter Droste den Topterroristen in sein Benno-Ohnesorg-Theater in die Volksbühne, wo Till Meyer das Kapitel “Lorenz-Entführung” aus seinen “Erinnerungen” las: “Die Sprache der Guerilla ist die Aktion.” Ich notierte: “Die durchgeladene Pump-Action auf Hüfthöhe im Anschlag”, “gib Gas”, “wir haben ihn”, “ich, die Kalaschnikow im Anschlag”, “Fragen stellen nur wir”, “In Berlin und Bonn traten die Krisenstäbe zusammen” usw. Da war er wieder: der Neuköllner Rocker, statt Elvis-Tolle jetzt zwar schütteres Haar, aber ungebrochen. Deswegen will Stefan Aust ihn auch unbedingt halten: zwischen all den jungen, langbeinigen, blonden Pöselsdorf-Töchtern von öffentlich-rechtlichen Topjournalisten, die bei “Spiegel TV” arbeiten und keine anderen Probleme haben als die Eigenarten ihrer polnischen Putzfrauen.

Eher kritisch fiel dann das Till-Meyer-Bild von Inge Viett, seiner einstigen Mitkämpferin im Untergrund, aus – in ihrer Autobiographie, die diesbezüglichen Zitate daraus stehen mir jedoch derzeit nicht zur Verfügung.

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(1) In deren “Firmenprofil” heißt es:

“Die ICN Immobilien Consult Nürnberg GmbH & Co. KG betreibt mit rund 35 Mitarbeitern das Immobiliengeschäft für die Familienstämme der Erben von Gustav Schickedanz. Akquisitionen und Verkäufe von Immobilien, Verwaltung des Immobilienbestandes sowie Projektentwicklung auf eigenen Grundstücken bilden das Kerngeschäft der ICN. Die Bedürfnisse und Wünsche der Investoren und Mieter sind Orientierung für die ICN, die ein umfassendes Servicepaket rund um die Gewerbeimmobilie bietet. Dazu gehört die Portfolioberatung, bei der aus Analyse und Vergleich eines Immobilienbestandes Handlungsempfehlungen (z.B. Umschichtung, Sanierung) abgeleitet werden. Ziel ist es, die optimale Zusammensetzung des Portfolios in Bezug auf Rendite und langfristige Wertsteigerungen bei einem definierten Risikoniveau zu erreichen.

Das Portfolio der ICN und der von ihr vertretenen Gustav Schickedanz GmbH & Co. KG besteht vor allem aus wertbeständigen Bürohäusern, Handelsimmobilien und Wohn-/Geschäftshäusern. Regionale Anlageschwerpunkte sind die Großräume Berlin, Frankfurt am Main, München und Nürnberg.

Die Gesamtleistung der Immobilien-Gruppe wird 2008 wieder im deutlich zweistelligen Millionen-Euro-Bereich erwartet. Das Transaktionsvolumen beträgt 40 Mio. Euro im Jahr, wobei die Einzelinvestitionen meist zwischen 5 und 15 Mio. Euro liegen. ”

Erwähnt sei ferner die Antwort der Witwe Schickedanz auf die Frage, wie sie zu ihrem Reichtum gekommen sei: “Mir habet nich vom Ausjebe, sondern vom Behalte!”

(2) Den Begriff der “Berliner Ökonomie”, der nun nach Meinung der Neuköllner Stadtschreiberin mit einem “neu” davor aufgemotzt werden muß, verwendete ich als Titel eines Buches, das im Basisdruck-Verlag nach der Wende erschien und eine Art Rechenschaftsbericht der ostdeutschen Betriebsräteinitiative (1991-1993) war, wobei die “Berliner Ökonomie” so etwas wie ein Gegenbegriff zur “Berliner Republik” des Kapitals und seiner Arschkriecher sein sollte.

Der Feuilletonchef der Frankfurter Rundschau, Harry Nutt, kam immer mal wieder auf diese “Berliner Ökonomie” zurück:

Mit dem Begriff der Berliner Ökonomie war ohnehin anderes gemeint. Die Berliner Schriftsteller Thomas Kapielski, Helmut Höge und andere verstanden ihre Berliner Ökonomie, die längst zu einem heimlichen Motto lokalen Wirtschaftens geworden ist, als eine Art Gegenzauber zum Gespenst der Globalisierung. In ihren Fallstudien reihten sie skurrile Pleiten und andere Desaster aneinander, die mehr oder weniger einer eigentümlichen Ökonomie der Verschwendung folgten.

Berlin, so ihre Diagnose, war seit jeher die Hauptstadt der gescheiterten Existenzen – und das ist auch gut so. Wirtschaftliches Misslingen ist so gesehen kein tragisches. Aus der erlittenen Pleite, die keineswegs nur geschäftlicher Art sein muss, erwachsen vielmehr neue Kräfte für das nächste Unternehmen. Unter Berliner Ökonomie verstehen ihre Entdecker ein Verlieren aus Prinzip, das im Augenblick des Misslingens bereits wieder neue Energien freisetzt. Und große und kleine Feuerwerke aus Projekten und Ideen hat es in Berlin schon immer in großer Zahl gegeben. Die Berliner Ökonomie ist demnach einer Art umgedrehter Parasitismus, der die Wirtschaftsprozesse nicht vom Geldfluss aus betrachtet, sondern sich für die Arten des zu Rande Kommens und die hohe Kunst des Durchwurschtelns interessiert.

Thomas Kapielski brachte dies einmal auf die Kurzform: Berlin hat immer nur solche Leute angezogen, die im Malen eine eins, aber im Rechnen eine fünf hatten. Sein Beitrag im Inventur-Katalog hat das Motto:

“Vom Ernst des Lebens halb verschont

ist der schon, der in Neukölln wohnt!”

Über Olga Groschens (d.i. Johannes Groschupf) “Gebrauchsanweisung für Neukölln”, das dann als Heft im Eigenverlag herauskam, urteilte Kapielski: “Der wohl beste Report über das nördliche Neukölln der 70er, 80er-Jahre; ein strukturanalytisches Vademekum und Muß.

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2008/09/01/le_grand_magasinneukoelln_20/

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kommentare

  • Johannes Groschupf hat soeben im Eichborn-Verlag Berlin ein neues Neuköllnbuch veröffentlicht, einen Roman, der im wesentlichen in einem Mietshaus spielt, in die sich eine junger Westdeutscher in den Achtzigerjahren einquartiert.

    Ein schöner Roman. Man liest ihn so weg. Außerdem hat der Autor sich einen neuen Anzug gekauft – aus tschechischer Produktion, im Modellkaufhaus für Waren aus genossenschaftlicher Produktion – in der Galerie im Saalbau. Dort findet in der kommenden Woche auch die Präsentation seines neuen Romans statt. Ob er dort mit eben jenem Anzug auftritt, war bis Redaktionsschluß nicht herauszubekommen. Zwar versuchten wir, ihn beim Betreten der Kiezkneipe “Pearks” in Kreuzberg 61 anzusprechen, um es herauszubekommen, aber er war gerade nicht auf sowas eingestellt. Es ist ja auch nicht so wichtig.

  • Claus Nemowsky (Buckow):

    Nirgendwo in Berlin gibt es so viele Handyläden wie in der Karl-Marx-Strasse und am Hermannplatz. Das hat seinen besonderen Grund: Das Mobiltelefon ist hier Arbeitsinstrument. Hier wird damit nicht einfach nur dumm rumgequatscht (“Ick bin jetz Höhe Arcaden und in fünf Minuten da” oder “Ja, an das Kastzenfutter hab ich auch gedacht!”), hier dient das Handy der Geschäftsanbahnung und -abwicklung, dem Gelderwerb. Es dient also höheren Zwecken – communicare im eigentlichen sinne, teilnehmen (lassen), eine echte gemeinschaft herstellen, kommunion. Man teilt sich mit, auf welchem U-Bahnhof und wo genau dort das Rauschgift liegt, wann und wie die Geldübergabe stattfinden soll, der Warenaustausch, das Treffen, um einen “Coup” zu landen, usw. Nicht selten wird dabei ein “Code” benutzt, den nur die “Gemeinschaft” der Handelnden kennt, den sie selber entwickelt hat: “Oberhemden, sag ich doch!” oder “Olli bleibt dabei, da gibts nischt!” oder “Mach lang, Rosengarten!” Manchmal kommt es natürlich auch zu Mißverständnissen, Pannen und Verstocktheiten: “Der ist doch längst abgeschaltet, glaub mir…” oder “Ich versteh immer nur ‘morgen ganz bestimmt’ – da glaub ich nich!” oder “Wo denn Kallemacka?!” So heißt die Karl-Marx-Strasse unter professionellen Handy-Benutzern. Aber “vorm Laden” – das kann dort überall sein.

  • Selbst der taz-mitgründer Max Thomas Mehr, der in der Nähe der Hasenheide wohnt und nun zwei Kinder hat, die ins rauschgiftgenußfähige Alter kommen, sorgt sich plötzlich um die seit Jahrzehnten in der Hasenheide tätigen Dealern, d.h. dass die dort endlich verschwinden. Einst haben sie noch die taz-gründer mit Haschisch versorgt, aber im harten Geschäft des Journalismus und der Vaterschaft gibt es keine Dankbarkeit. Dabei bekam der erste taz-chefredakteur Thomas Hartmann bei seinem Abschied noch einen kinderkopfgroßes Stück Haschisch zum Dank von der Redaktion geschenkt – und das stammte ebenfalls aus der Hasenheide.

    Letzte Meldung:

    Einsatz gegen Drogendealer in der Hasenheide: Hundert Polizisten der Direktion 5 haben gestern eine großangelegte Razzia unternommen. Die Bilanz der vierstündigen Aktion: 25 Personen wurden überprüft, es gab eine Festnahme. In fünf Fällen erteilten die Beamten Platzverweise. Fünf Asylbewerber aus Brandenburg, die sich ohne Erlaubnis in Berlin aufhalten, wurden in den so genannten Verbringungsgewahrsam gebracht. In Verstecken unter Büschen fanden die Beamten 400 Gramm Haschisch. Die Hasenheide gilt als ein Schwerpunkt des Drogenhandels. (str.)

    Dieser Neuköllner Razzia folgte eine weitere in einem Kreuzberger Park, die sich erneut gegen die vorwiegend afrikanische Scene richtete, die sich gerne in den zwei Grünanlagen trifft:

    Bei einer groß angelegten Drogenrazzia im Görlitzer Park hat die Berliner Polizei mehr als 20 Personen festgenommen. Unter ihnen sind auch die beiden mutmaßlichen Chefs der dortigen Dealerszene. Sie sollen Rauschgift im großen Stil gehandelt haben.

    Die Berliner Polizei hat am Mittwoch einen empfindlichen Schlag gegen Drogendealer im Görlitzer Park geführt und dabei einen mutmaßlichen Kopf der Bande festgenommen. Der 39-jährige Nigerianer mit dem Spitznamen „Dede, der Löwe“ soll täglich mehrere Kilogramm Marihuana im Wert von einigen Tausend Euro verkauft haben. An der Aktion waren mehr als 100 Beamte beteiligt, darunter auch Elite-Polizisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK).
    Seit geraumer Zeit befand sich der jetzt Festgenommene im Visier der Ermittler von Polizei und der Staatsanwaltschaft. „Dede, der Löwe“ gilt als Hauptdealer der Kreuzberger Grünanlage.

    Zusammen mit seinen Komplizen hatte er stets eine zentral gelegene Stelle ausgesucht, von der aus sich freie Sicht auf alle sich nähernden Personen bot. Zur Tarnung war laut Polizei regelmäßig auch ein Grill aufgebaut und entzündet worden, um Harmlosigkeit zu suggerieren. (…)

    So schreibt die Berliner Polizeijournaille! Und will damit sagen, diese Afrikaner (und auch Araber) grillen nicht einfach nur, weil sie vielleicht hungrig sind oder mindestens Appetit auf gemeinsam zubereitetes Grillfleisch haben, sondern sie üben diese Tätigkeit des Grillens nur aus, um “Harmlosigkeit zu suggerieren”, statt zu grillen suggerieren sie – genau besehen. Es ist also ein regelrechtes Fake-Grillen – im Gegensatz zu dem Deutsch/Türkischen Echtgrillen, was da in der Hasenheide und im Görlitzer Park passiert. Ich mag beide Parkanlagen nicht sonderlich und bin deswegen nicht oft dort, aber eines weiß ich: Das Gegenteil ist der Fall: Ich beziehe da meine diesjährigen Grillerfahrungen im Park am Antonplatz in der Nähe des Mauerparks mit ein: Für die Deutschen, die Russen und die Türken ist der Grillakt eher ein Fake, ein Vorwand nämlich, um zusammen zu kommen, während es bei den Afrikanern in den beiden von Razzien durchfurchten Parkanlagen in Westberlin allererst um das Grillen zwecks Zubereitung einer Speise für einen oder mehrere Personen geht.

    Schon bei den Razzien der Polizei in den Bordells gab es diese bemerkenswerte Verdrehung der Tatsachen um 180 Grad bei den staatsgläubigen Medien (und das sind eigentlich alle Kioskzeitungen): Weil die Zuhälter immer mehr ausstarben, dank des Feminismus, mußte sich Polizei und Justiz einen neuen Gegner im sogenannten Rotlicht-Milieu schaffen – das war der Mädchen- bzw. Menschenhändler, Schmugglerbanden, organisierte Kriminalität. Die festgenommenen Mädchen aus dem Ostblock, aus Asien oder Lateinamerika – in den Bordellen wurden daraufhin so lange bearbeitet und mit Abschiebung bedroht – bis sie ihre “Helfershelfer” nannten. Und denen drohten dann langjährige Gefängnisstrafen. Zu Recht! Menschenhandel ist etwas zutiefst verabscheuungswürdiges, wie unisono Politiker aller Couleur und aller Länder, also praktisch alle, verlautbaren ließen. Immer mehr postfeministische Beratungsstellen arbeiteten ihnen faktenmäßig zu und leisteten sogar der Polizei bei ihren Razzien Beistand, indem sie die festgenommenen “Zeuginnen” (des Menschenhandels), also die Russinnen, Ukrainerinnen, Rumäninnen, Lettinnen usw., so lange bearbeiteteten, bis sie das nötige “Opferbewußtsein” (Originalton) hatten – und aussagten, d.h. die Landsleute, die sie nach Deutschland gebracht hatten, verpfiffen. Die Frankfurter Hurenorganisation “Dona Carmen” hat zu diesem ganzen “Umdrehungskomplex” gerade ein neues Buch empfohlen, an dessen Zustandekommen sie mitbeteiligt war. Es heißt “Das Opfer als Instrument des Strafrechts und der Straflust – Anmerkungen zu Menschenhandel und Opferrhetorik”, es wurde von Philip Thie herausgegeben. Er arbeitet für die im Nordirak tätige NGO Wadi e.V.

    Weiterführende Literatur:

    Steinert, Heinz, Populismus und Viktimismus im Wissen über Kriminalität, in: Ders. /Crämer-Schäfer, Helga, Straflust und Repression, Münster 1998, S. 210
    Naucke, Wolfgang, Konturen eines nach-präventiven Strafrechts, Kritische Vierteljahresschrift, 1999, S. 336
    Thie, Philipp, Von White Slavery, Zwangsprostitution, Opferschutz und dem Wunsch durch Strafe Gutes zu tun, Kritische Justiz, 2005, S. 387

  • Margrit (Donaustrasse 7):

    …Aber wir ham doch nu mal die neue Ökonomie nun. Das spür ich doch in Neukölln jeden Tag oder fast jeden Tag.

    Auch mein Kundenstamm hat sich verändert – hat sich erneuert. Nicht mehr lange, und sie kommen im Anzug zu mir.

    Is auch viel mehr Gemeinheit drinne als früher.

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