vonericbonse 01.02.2020

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Als die Briten im Juni 2016 für den Brexit stimmten, malten viele in Brüssel die Zukunft in düsteren Farben. Doch die Apokalypse ist ausgeblieben – die schlimmsten Prognosen sind (noch) nicht eingetroffen.

  • Der Brexit findet ganz viele Nachahmer, die EU zerfällt: Das war die erste und größte Sorge. Sie hat sich nicht bewahrheitet, im Gegenteil: Selbst die Nationalisten in Frankreich, Polen oder Italien sprechen nicht mehr von EU- oder Euro-Austritt. Und die AfD hat das Wort “Dexit” aus ihrem Vokabular gestrichen…
  • Die EU zerstreitet sich in den Verhandlungen: Die Gefahr war real, doch sie wurde gebannt – nicht zuletzt durch die geschickte Tanktik von EU-Verhandlungsführer Michel Barnier. Statt sich zu zerstreiten, sind die EU-Staaten geschlossener aufgetreten denn je. Allerdings kann die Einheit schnell wieder zerbrechen.
  • Die britische Wirtschaft stürzt ab: Kaum ein Ökonom, der das nicht prognostiziert hätte. Doch bisher ist allenfalls das britische Pfund abgestürzt. Obwohl sich viele Firmen aus UK zurückziehen, hat die Wirtschaft bisher kaum gelitten, wie sogar der IWF eingeräumt hat. Sie läuft sogar besser als in Deutschland…
  • Johnson wird es nie schaffen: Ein Wirrkopf, Chaot und Lügner – so einer könne nie Premier werden und Großbritannien aus der EU führen, hieß es noch vor einem Jahr in Brüssel. Als er dann doch Premier wurde, hieß es, Johnson bluffe nur, die EU lasse sich von “So einem” nicht beeindrucken. Es kam völlig anders.
  • Die EU wird den Brexit-Deal nicht mehr aufmachen. Zum Austrittsvertrag gebe es keine Alternative, hieß es, nachdem Ex-Premierministerin May zugestimmt hatte. Die Nachbesserungen, die das britische Unterhaus forderte, wurden abgeblockt. Doch dann kam Johnson – und plötzlich wurde der Deal doch aufgeschnürt.
  • Der Brexit wird nie kommen. Einige Europaabgeordnete haben sich bis zur letzten Minute an diese Hoffnung geklammert. Das EU-Parlament zögerte sogar noch die Ratifizierung des fertigen Deals heraus – man wollte sich alle Optionen offenhalten. Doch nun ist der Brexit da, das Parlament sagt “Au revoir” – eine neue Illusion?

Vorläufiges Fazit: Es war alles nicht so schlimm, die Apokalypse ist nicht eingetreten. Aber die Malaise, die zum Brexit führte, ist immer noch da. Und der große Knall kann noch kommen – am Ende des Jahres, falls sich Brüssel und London nicht rechtzeitig auf einen Handelsvertrag einigen…

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