vonericbonse 03.04.2020

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Viele Italiener sind immer noch sauer auf die EU – trotz der Versuche aus Brüssel, dem Land mehr Hilfe gegen die Coronakrise zukommen zu lassen. Jetzt hat sich Kommissionschefin von der Leyen entschuldigt – für andere.

Viele EU-Staaten seien anfangs zu sehr auf die eigenen Probleme fixiert gewesen, schrieb von der Leyen in einem Beitrag für “La Repubblica”. “Die haben nicht realisiert, dass wir nur gemeinsam als Union die Pandemie besiegen können.” Dies sei verletzend und hätte vermieden werden können. “Heute aber steht Europa an Italiens Seite.”

Eigenes Versagen kann die CDU-Frau offenbar nicht erkennen. Dabei hat die EU-Kommission geschlafen, als Deutschland und Frankreich ein Export-Verbot von medizinischer Ausrüstung einführten. Erst nach massiven Protesten aus Rom hat vdL reagiert. Auch die Grenzschließungen, die den Binnenmarkt behindern, hat sie hingenommen.

Der Verweis auf die EU-Staaten ist aus noch einem anderen Grund pikant. Denn die Wut der Italiener richtet sich ja – zu Recht oder zu Unrecht – vor allem gegen Deutschland. Die deutsche Kommissionschefin entschuldigt sich also für ihr eigenes Heimatland. Kanzlerin Merkel hingegen hält dies offenbar nicht für nötig.

Zudem kommt das “Mea culpa” reichlich spät. EU-Ratspräsident Michel hat sich nämlich schon am 20. März bei italienischen Staatschef Sergio Mattarella entschuldigt. Schon damals versprach Michel, der im Namen aller EU-Staaten spricht, mehr Solidarität. Doch genau die wurde dann beim EU-Gipfel vor einer Woche verweigert – auch von Merkel.

Einen letzten Seitenhieb kann ich mir nicht verkneifen: Dieselben, die sich nun öffentlichkeitswirksam bei Italien entschuldigen, beschuldigen Kritiker, “Fake News” zu verbreiten ud dem Kreml in die Hände zu spielen, wenn sie die EU kritisieren. Offenbar hatten die Kritiker doch einen Punkt.

Unser erster Beitrag zur fehlenden europäischen Antwort kam übrigens schon am 30. Januar. Auch vor der wachsenden Wut auf Merkel haben wir frühzeitig gewarnt…

Alle Beiträge zur Coronakrise hier

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https://blogs.taz.de/lostineurope/2020/04/03/von-der-leyen-sagt-leise-pardon/

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kommentare

  • Besser zu spät als nie. Besser leise als gar nicht. Man sollte die Gefühlslage Anfang März nicht vergessen. Ich für meinen Teil hatte schlicht und ergreifend Angst. Angst davor dass die bestürzenden Bilder aus Bergamo sich auch in meiner Heimatstadt abspielen würden. Das wäre Zeit für Helden gewesen nicht aber für normale Menschen.
    Ich hoffe dass Italien die Grösse hat uns dies zu verzeihen. Und schon gar nicht den manipulativen Versuchungen aus anderen Ländern blind folgt.
    Ich habe nichts für Italien gemacht,ich habe nur mit Italien gefühlt.

  • Eine wirklich sehr leise Entschuldigung, wenn denn überhaupt. Wenn man sich in den letzten vergangenen Tagen die Umfragewerte zur Kanzlerin und auch zur Regierung anschaut, so zeigt sich dass wohl zumindest eine Goutierung der Entscheidungen im deutschen Wählervolk vorherrscht. Wir sind auf strammem Wege unterwegs aus einem europäischen Gedanken, Separatismus ist wieder angesagt, vollkommen sinnlose Grenzschließungen dort, wo eigentlich die beste Möglichkeit gewesen wäre Europas Zusammenhalt zu stärken und zu demonstrieren. Grenzverkehr wie in den Zeiten vor Schengen aber der Luftverkehr findet ,zwar eigeschränkt, aber immer noch statt . Menschen fahren noch immer auf Kreuzfahrtschiffen, höchstens mit Luxusquarantäne mit kostenlosen Drinks u.s.w., wenns denn schlecht läuft. Warum wird hier nicht europaweit ein Riegel vorgeschoben.
    Bleibt gesund !

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