vonericbonse 09.05.2020

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Wie ist sie gefeiert worden, unsere Kanzlerin: Als glänzende Erklärerin der , als leuchtendes Vorbild für die USA, UK und den Rest der Welt. Doch nun ist sie raus, die Landesfürsten wollen Merkel nicht mehr folgen.

In der Coronakrise übernehmen die Länder wieder die Regie. Nachdem sie sich schon nicht an die letzten Absprachen mit Merkel gehalten haben, sollen die Landesfürsten nun die Verantwortung für die “Lockerungsübungen” übernehmen.

Merkel konnte gerade noch durchsetzen, dass es künftig eine “Obergrenze” (50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen) geben wird. Wer mehr Corona-Kranke meldet, muss wieder “Maßnahmen” ergreifen.

Damit endet ein Kuriosum in der deutschen Verfassungsgeschichte. Die Treffen der Länderchefs mit der Kanzlerin waren im Grundgesetz gar nicht vorgesehen. Normalerweise hätte der Vorsitzende der Ministerpräsidenten-Konferenz den Ton angegeben.

Doch weil sich die CDU-Landesfürsten nicht grün sind und wir eine haben, durfte Merkel den Corona-Club leiten. Sie durfte die – mittlerweile hinfällige – Reproduktionszahl erklären und die “Lockerungsdiskussionsorgie” rügen.

Die “Orgie” war dann aber auch ihr letztes Wort. Denn Laschet, Söder & Co. fanden so viel Spaß an diesem wilden Treiben, dass sie immer neue “Lockerungen” auf den Weg gebracht haben, ohne die Kanzlerin um Genehmigung zu bitten.

Merkel ist raus, nun müssen es nur noch die “New York Times” und die “FT” merken. Sie hatten die Kanzerin verherrlicht – was angesichts der desaströsen Fehler von US-Präsident Trump und Premier Johnson eine lässliche Sünde ist.

In der EU hingegen stand Merkels Stern in der Coronakrise nie so hoch. In Brüssel stieß sauer auf, dass sie die gemeinsame Krisenreaktion hinauszögerte, ein Exportverbot für Schutzkleidung verhängte und dann auch noch ohne Absprache die Grenzen schloß.

Unvergessen ist auch, dass die Kanzlerin in ihrem ersten TV-Auftritt zur Coronakrise kein einziges Mal über Europa redete. Es ging ihr nur darum, den Deutschen ins Gewissen zu reden – und den schwachen Gesundheitsminister zu stützen.

Welches Urteil die Geschichte über Merkel abgibt, dürfte denn auch nicht von den letzten Wochen abhängen – sondern vom zweiten Halbjahr 2020. Dann übernimmt Deutschland den Ratavorsitz, Merkel muß die EU aus der Coronakrise führen.

Wenn sie den Laden zusammenhält und einen Neustart schafft, wird man sie feiern, trotz ihrer vielen großen Fehler in der Europapolitik. Wenn nicht, wird das Urteil verheerend ausfallen – nicht nur für Merkel, sondern für ganz Deutschland…

Siehe auch “Übersteht die EU diese drei Tests?”

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https://blogs.taz.de/lostineurope/2020/05/09/merkel-ist-dann-mal-weg/

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kommentare

  • Der Bundeskanzlerin kommt in dieser Krise halt nur eine moderierende Funktion zu. Seuchenbekämpfung ist und bleibt Ländersache, wie so vieles was eben in die Kompetenz der Länder fällt. Es geht halt Dinge, die man in Deutschland gerne vergisst und darunter fällt die Eigenstaatlichkeit der Länder. Diese haben bestimmte originäre Aufgaben an den Bund übertrage, nicht der Bund auf die Länder. Die Bundesländer gab es schon vor der Bundesrepublik und es waren die Bundesländer, die beschlossen hatten die Bundesrepublik zu gründen, nicht um darin aufzugehen, sondern sich eine gemeinsame Plattform für die Belange zu schaffen, die alle gemeinsam angehen.

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