vonericbonse 17.04.2021

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Die deutsche Regierung wollte den Grexit. Stattdessen kam der Brexit, den die Bundesregierung nicht wollte. Folgt als Nächstes der Dexit – der deutsche EU-Austritt?

Wohl kaum. Die Zugehörigkeit zur EU ist für die übergroße Mehrheit der Deutschen nicht verhandelbar. Ohne den Binnenmarkt und den Euro würde Deutschland wirtschaftlich abschmieren.

Dennoch hat die AfD nun den Dexit gefordert – gegen den erklärten Willen ihres Noch-Vorsitzenden (und Europapabgeordneten) Jörg Meuthen.

Im Wahlprogramm heißt es jetzt: “Wir halten einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig.”

Das ist ein krasser Kurswechsel. In ihrem Programm für die Europawahl 2019 hatte die AfD ihre Haltung zu einem möglichen EU-Austritt noch vorsichtiger formuliert.

Damals hieß es: “Sollten sich unsere grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht in angemessener Zeit verwirklichen lassen, halten wir einen Austritt Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig.”

Der plötzliche Sinneswandel zeigt, dass sich die radikalen Kräfte in der AfD immer mehr durchsetzen – und dass Meuthen die Führung entgleitet.

Der Europa-Konsens ist futsch

Er zeigt aber auch, dass der Nachkriegskonsens in Deutschland zur Europapolitik zerbrochen ist. Und das nicht nur in der AfD.

Auch CDU/CSU und SPD sind sich nicht mehr einig. Die SPD strebt die Vereinigten Staaten von Europa an, die Union weiß es nicht mehr so genau.

Die programmatische Unsicherheit ist bezeichnend für das Ende der Ära Merkel. Mit ihrer verfehlten Politik in der Eurokrise hat die Kanzlerin den Aufstieg der AfD überhaupt erst ermöglicht.

Das Parlament wurde entmachtet

Und mit ihrem Schlinger-Kurs in der Coronakrise hat sie zu einer Spaltung und Radikalisierung in der deutschen Gesellschaft beigetragen.

Vor allem aber hat sie den Bundestag und das Europaparlament entmachtet.

Die beiden wichtigsten Instrumente der europäischen Krisenpolitik – der Corona-Aufbaufonds und die Impfstrategie – wurden ohne die Parlamente konzipiert; eine demokratische Kontrolle findet nicht oder nur sporadisch statt.

Das ist Wasser auf die Mühlen der AfD, leider…

Siehe auch Die AfD wird unwählbar

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https://blogs.taz.de/lostineurope/2021/04/17/krasser-kurswechsel/

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