vonericbonse 23.10.2022

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Nun ist es offiziell: Für die Untersuchung der Explosionen an den Nord Stream-Pipelines wird es keine gemeinsame Ermittlungsgruppe mit anderen EU-Ländern geben. Dies gab die Bundesregierung bekannt. Zugleich mauert sie bei der Aufdeckung ihrer eigenen Erkenntnisse.

War es Russland? Waren es die USA, vielleicht zusammen mit Polen und der Ukraine? Oder haben gar Umweltschützer die deutsch-russischen Ostsee-Pipelines sabotiert und leck geschlagen?

Bisher legte die Bundesregierung keinen großen Eifer zutage, das Attentat aufzuklären. Kanzler Scholz hielt es nicht einmal für nötig, eine Regierungserklärung abzugeben. Berlin schwieg sich aus.

Nun hat eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums doch noch den Mund aufgemacht. Es werde keine gemeinsame Ermittlungsgruppe geben, sagte sie in Berlin.

Auf die Frage, warum das mit Schweden und Dänemark geplante “Joint Investigation Team” nicht zustande komme, erwiderte sie, das könne sie “an dieser Stelle nicht sagen”.

Zuvor hatte der Spiegel berichtet, Schweden habe dies abgelehnt. Die Sicherheitseinstufung sei zu hoch sei, um mögliche Erkenntnisse mit anderen Staaten zu teilen, hieß es in Stockholm.

So weit, so schlecht. Aber es kommt noch schlimmer: Die Bundesregierung ist nicht einmal bereit, ihre (offenbar mageren) Erkenntnisse im Bundestag offenzulegen.

“Aus Gründen des Staatswohls” könne man leider nichts sagen, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Żaklin Nastić von der Linkspartei.

Grund dafür sei die „Third-Party-Rule“ für die Zusammenarbeit der Geheimdienste. Danach unterliegt der internationale Erkenntnisaustausch besonders strengen Geheimhaltungsauflagen.

„Die erbetenen Informationen berühren somit derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt und das Fragerecht der Abgeordneten ausnahmsweise gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen muss.“

Zu gut deutsch: Selbst wenn wir etwas wissen, dürfen und werden wir nichts sagen. Das kommt einer staatlich organisierten Vertuschung gleich, oder?

Siehe auch “Nord Stream: Was sagt eigentlich der Kanzler?”

P.S. Wenn es Hinweise auf einen Angriff aus Russland gäbe, würde man es dann vertuschen? Frage für einen amerikanischen Freund 🙂

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https://blogs.taz.de/lostineurope/2022/10/23/erst-gesprengt-dann-vertuscht/

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kommentare

  • Wenn man nur einmal und für 5 Minuten annehmen möchte, dass die Begründung wirklich stimmt, was könnte das sein? Wenn man jetzt wirklich wissen würde, dass es nur Russland gewesen sein kann, was würde das bedeuten? Dann wäre das ein Angriff auf vitale wirtschaftliche Infrastruktur und mithin ein klar definierter Auslöser für Artikel 5 des NATO Bündnisvertrages. Wir wären dann also letztlich im Kriegszustand und wir hätten uns weder den Zeitpunkt noch die Umstände dafür ausgesucht, sondern wären dazu genötigt worden, was klar gegen jede Definition von Staatswohl läuft. Ein solches Verhalten wäre auch konsistent mit der Maßgabe von Scholz, die Fehler von Willhelm II nicht zu wiederholen und in Automatismen zu verfallen. Dass andere Staaten dass ganz ähnlich sehen, sieht man bei den Unterseekabeln vor den Färöer..

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