vonericbonse 01.05.2021

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Wochenlang waren die Beziehungen mit Russland extrem angespannt. Doch nun stehen die Zeichen auf Entspannung – jedenfalls auf den ersten Blick.

US-Präsident Joe Biden hat seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin zu einem Gipfel eingeladen. Er könnte im Juni in Europa stattfinden. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj plant ein Treffen mit Putin.

“Mir scheint, dass dieses Treffen stattfinden wird”, sagte Selenskyj.

Doch aus Brüssel kommen keine Entspannungs-Signale. Im Gegenteil: EU-Ratspräsident Charles Michel hat für den 25. Mai einen Sondergipfel einberufen.

Die Themen: Corona, Klimapolitik – und Russland. Das Format: “physisch” – das heißt, dass Beschlüsse gefasst werden sollen.

Ursprünglich war das schon im März geplant, eine neue Russland-Strategie stand auf dem Programm. Doch wegen der dritten Corona-Welle gab es nur einen Videogipfel.

Nun ist es also soweit. Noch ist unklar, was Michel zu Russland vorschlagen wird. Klar ist nur, dass Michel es eilig hat, Pflöcke einzuschlagen – deshalb der Sondergipfel.

Der liberale Belgier steht unter Druck – aus den USA, die gerade erst Sanktionen gegen Russland erlassen haben, die auch Europa treffen könnten. Und aus Tschechien und Osteuropa, wo neue EU-Maßnahmen gefordert werden.

Offenbar will Michel aber auch versuchen, das Thema aus dem deutschen Wahlkampf herauszuhalten. Am Wochenende gab es schon ein erstes Scharmützel.

Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock forderte einen härteren Kurs gegen Moskau, Außenminister Heiko Maas warnte vor “Konfrontationsgeschrei”.

Wie könnte vor diesem Hintergrund eine europäische Linie aussehen? Wünschenswert wäre es, die Möglichkeiten für eine Entspannung auszuloten.

Mit dem Ende des Militärmanövers an der Grenze zur Ukraine und den Gesprächsangeboten an Biden und Selenskyj hat Putin diese Option geschaffen.

Doch Michels außenpolitische Agenda spricht eine andere Sprache. Er betonte die Treue zur Ukraine, reiste nach Georgien und unterstützte die Reformen in Moldawien.

Wenn er Entspannung wollte, wäre er wohl eher nach Moskau geflogen. Aber vielleicht kommt das ja noch? Schlechter als Josep Borrell kann er es ja kaum machen…

Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Newsletter “Watchlist EUropa”. Er kommt jeden Morgen heraus und kann per Mail bestellt werden. Mehr hier

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