vonLalon Sander 28.11.2013

Aus dem Onlinebunker

Die tägliche Arbeit im taz.de-Ressort spült Bemerkenswertes, Skurriles und Anregendes in die Inboxen. Das meiste davon geht verloren – einiges wird hier gesammelt.

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320.000 zahlende, dazu 1.7 Millionen registrierte Nutzerinnen. Zusammen mit den Gelegenheitsbesucherinnen zählt der Nikkei Shimbun (gewissermaßen das Wall Street Journal Japans) rund 300 Millionen Pageviews im Monat.
In naher Zukunft wird die Zeitung eine kleine Delegation nach Europa schicken, um einen Überblick über die Onlinestrategien hiesiger Medien zu bekommen. In den Gesprächen sollten die europäischen Redaktionen sehr genau zuhören, was die japanischen Kollegen ihnen berichten können, denn der Online-Erfolg des Nikkei sucht auch auf den Inseln seinesgleichen.

Die Ausgangslage in Japan ist natürlich eine weitaus komfortablere als hier. Mit knapp 3 Millionen verkauften Printabos zählt der Nikkei eher zu den mittelgroßen Zeitungen des Landes. Es ist nicht selten, dass Haushalte in Japan noch immer bis zu drei Tageszeitungen abonniert haben. Die großen Player wie Yomiuri Shimbun und Ashahi Shimbun bringen es so zu Auflagen von knapp 10, repektive 8 Millionen Verkaufsexemplaren. Im Rahmen der Zeitungskrise, die auch dort bemerkbar ist, haben nicht wenige Zeitungen das traditionelle Modell zweier Ausgaben pro Tag (Morgen- und Abendzeitung, Druckereien werden üblicherweise von den Verlagen selber betrieben) schon eingestellt, der Weg in den digitalen Markt wird währenddessen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorangetrieben.

Der Nikkei hatte bis 2010 eine Onlinepräsenz, die dem weltweiten Trend einer unmotivierten Kopie der Printausgabe entsprach. Mit Einführung einer Paywall sollte sich das schlagartig ändern. Der Newsroom ist seitdem voll integriert. Die gesamte Planung erfolgt gleichzeitig und gemeinsam für Online und Print. Dabei gilt ausnahmslos eine Online-First-Strategie. Während die Printausgabe täglich ca. 300 Artikel produziert, finden sich auf der Webseite bis zu 900. Nicht alle davon sind lange Stücke, oft handelt es sich vor allem um Markt-Updates und kurze Nachrichten.

Ein Printabo kostet 4.383 Yen (ca. 33 Euro) im Monat, der Onlinezugang 4.000 Yen (30 Euro), beide zusammen 5.383 Yen (40 Euro). Frei zugänglich sind alle allgemeinen Nachrichten, die auch auf anderen Seiten in ähnlicher Form auftauchen. Registrierte Nutzerinnen erhalten zusätzlich Zugang zu 10 Nikkei-exklusiven Beiträgen täglich, die zahlenden bekommen mit einer ID auf jedem beliebigem Gerät Zugang zum gesamten Content, inklusive Archiv. Die Quote zahlender Nutzerinnen bleibt seit dem Launch der Paywall stabil bei rund 16% der registrierten, in absoluten Zahlen ist das seit 2010 eine Vervier- bis Verfünffachung.

Von Anfang an setzte die Entwicklungsabteilung des Nikkei auf die mobile Nutzung. Die Apps für iOS und Android noch nicht einmal eingerechnet greifen 15% der Nutzerinnen mit Mobilgeräten auf die Seite zu, bei den zahlenden (die naturgemäß die aktivsten sind) steigt die Quote auf 30%. Die massivsten Sprünge (teilweise Verdreifachung der Zuwachsraten) bei der bezahlten Nutzung werden bei Enführung neuer Apps und speziell auf den mobilen Markt zugeschnittenen Kampagnen verzeichnet.

Im Gespräch berichtete die Onlineredaktion von erheblichen Widerständen bei der Einführung des neuen Angebotes und der Integrierung des Newsrooms. Von kultureller Arroganz wurde dort erzählt, aber auch von der Sorge der Kolleginnen, dass im 24-Stunden-Onlinebetrieb sich die Arbeitsbedingungen deutlich verschlechtern würden. Von einer Mehrarbeit könne aber nicht die Rede sein. Die Schichtzeiten haben sich mit der Umstellung zwar verlagert, da jedoch ohnehin im Morgen-/Abendzeitungsbetriebs fast rund um die Uhr gearbeitet wurde, hat sich nicht einmal das zu stark ausgewirkt.

Die Frage, ob Longformangebote Online angenommen werden wurde dahingehend beantwortet, dass mit dem erkennbaren Anstieg der Tabletnutzung lange Texte wieder sehr viel mehr gelesen werden, während mit Smartphones anscheinend verstärkt der Nachrichtenüberblick abgefragt wird. Die Zahl der Zugriffe von PCs steigt nur noch geringfügig, dort wird aber relativ gleichmäßig auf alle Angebote zugegriffen.

tl;dr – Der wirtschaftliche Erfolg der Webseite des Nikkei beruht auf einer klaren Online-First-Strategie und der Orientierung auf den mobilen Markt.

Der Besuch des Nikkei war Teil eines Fellowship-Programms des japanischen Verlegerverbandes Nihon Shinbun Kyokai.

Im Bild: Nicht nur der Nikkei-Börsenindex verzeichnet in den vergangen Jahren erhebliche Zuwächse, sondern auch die gleichnamige Wirtschaftszeitung. (reuters)

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