vonChristian Ihle 13.04.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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The Indelicates – American Demo

Ich habe kürzlich einmal spaßeshalber in einem Fanzine nachgeschlagen, wann ich das erste Mal über die Indelicates schrieb: 2005, wenige Monate später sollten die Arctic Monkeys ihr Debütalbum veröffentlichen. Drei Jahre sind seitdem verstrichen und nun steht endlich auch der erste Longplayer der Indelicates im Laden. Damals beeindruckten die beiden Briten Julia und Simon mit einigen kostenlos downloadbaren Songs, die mit ganz großartigen Texten brillierten. Musikalisch waren die Songs aus finanziellen Gründen lo-fi, sehr einfach gehalten. In den Folgejahren veröffentlichten sie einige dieser Lieder als Singles und orientierten sich an einem zu den Texten sehr passenden Indieschrammelsound. Nun wurden alle Stücke noch einmal neu aufgenommen und das Debütalbum steht mit einer amtlichen Produktion in unseren Läden. Man kommt nicht umhin zu denken, dass die Indelicates dieses Album vor einem, vor zwei Jahren hätten veröffentlichen sollen. Die nun mehrfach unterschiedlich aufgenommenen Songs wie „We Hate The Kids“ haben mit jeder ihrer Transformation verloren. Demo, Single, Album – immer weiter entfernten sich die Indelicates von dem ursprünglichen Ideal. 2008 heißt es pro Gitarrensoli, gegen Lo-Fi-Inspiration, obwohl sie doch selbst „Julia we don’t live in the 60ies“ singen! Die handvoll bisher noch nicht bekannten Songs sind zudem nicht ganz auf dem Niveau alter Schmuckstücke.
So bleibt als Fazit ein gutes Album für jene, die bisher mit den Indelicates noch nicht vertraut waren, und ein Verfehlen der Erwartungen für alle, die sie seit langem begleiten.

Anhören!
* Julia We Don’t Live In The 60ies (hier)
* New Art For The People
* We Hate The Kids

Im Netz:
* Homepage
* MySpace

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Joy Division – The Best of

Es riecht schon sehr verdächtig, wenn eine posthume Best-of-Sammlung einer Band erscheint, die gerade mal zwei Alben veröffentlicht hat. Noch dazu, nachdem gerade noch ein Film lief, der das Leben und Sterben des Joy Division-Sängers Ian Curtis auf wunderbar ästhetische Art und Weise ausleuchtete. Und der Soundtrack dazu auch erst mit den größten Hits angereichert war.

Wen will man damit packen?
Genau. Mich!

Joy Division waren nie mein Ding. In der Disko zu „Love will tear us apart“ mitwippen, schon. Das Gesamtwerk, nein.
Ich verehre die Nachfolgeband New Order, die Band um Curtis aber, schaffte es nie wirklich in meinen Gehörgang. Weil Joy Division keine Band ist, die man mal so nebenbei mitbekommt. Weil der eine Song berührt und man einen zweiten auch gleich mag. Für Joy Division braucht es Zeit. Und die ging bei mir eben für das Entdecken der Smiths drauf, sorry.

Deshalb jetzt diese Zusammenstellung, die sich nur sehr wenig mit „Substance“, einer früheren Zusammenstellung überschneidet.
Kenner mögen mich bestimmt an den Haaren ziehen, wenn ich zugebe, genau diese zwei Joy Division-Compilations zu besitzen, dafür aber kein einziges Studioalbum im Regal stehen zu haben.

Egal, während „Substance“ nur des Interesse halber angeschafft wurde und links liegen blieb, bietet „The Best of Joy Division“ jetzt auch Anknüpfungspunkte für mich. Und blame it on a lousy best of-record: Dieses mal haben sie auch mich gekriegt.
Vielleicht auch durch den Film „Control“ und dem Fakt, dass absolut jeder Mensch mit gutem Musikgeschmack diese Band verehrt.
Der für Joy Division-Anfänger gut kuratierten Zusammenstellung liegt als Kaufanreiz für Experten eine weitere CD mit Schmankerl im Paket. Auf der Bonus-CD befinden sich beide Peel Sessions der Band, die Aufnahmen für die TV-Show „Something else“ und ein Interview mit Ian Curtis und Stephen Morris. Und ja: Und in der Disco lege ich jetzt ab und an auch „Transmission“ statt „Love will tear us apart“ auf. (Säm Wagner)

Im Netz:
* Indiepedia
* Joy Division Fanpage
* Ian Curtis Fanpage

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Navel – Frozen Souls

Neulich gab es wieder irgendwo ein Interview mit Patrick «größer als Gott» Wagner.
Der Gute, der inzwischen das Louisville Records-Label leitet, sprach darüber, dass es heute nur noch möglich sei, Bands und neue Platten mit einer Knaller-Story in den Medien zu vermarkten. Er meinte damit Radiohead („Wir haben ein neues Album. Ladet es euch herunter und bezahlt, was ihr wollt“) und bestimmt auch Navel, deren Pressearbeit Wagner mit Louisville Records gerade auch selbst betreut.

Patrick g.a.G Wagner wird deshalb nicht böse gewesen sein, als er folgende Meldung vor ein paar Monaten in den Blogs und Foren lesen musste:

“Unser Debut Album Frozen Souls, ist zu unserer Aller Überraschung, so stark geworden, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, mit so abgehalfterten Rockopas wie “Smashing Pumpins” zu touren. Wir wissen, dass das die Arbeit unserer Plattenfirma erschwert, und hoffen, dass Louisville Records trotz dieser Absage weiterhin zu uns stehen.”

Navel, von denen vorher nur wenige wussten, waren damit auf dem Schirm ihrer potentiellen Käufer. Und pünktlich zum 1.April (drei Tage nach dem Release von „Frozen Souls“) startet Wagner Rundumschlag Nummer zwei. Er beschimpft in einem Newsletter namentlich eine Riege Indie-Medien-Zampanos und kündigt an, dass Navel-Album kostenlos zur Verfügung zu stellen („…denn so wie´s aussieht verkaufen wir grad mal 10 000 – 20 000 Stück und darauf können wir angesichts der Qualität dieses Albums durchaus verzichten.“).

Der Aprilscherz beschert Navel wieder Öffentlichkeit. Nur die Musik (die natürlich nicht verschenkt wird) blieb bei all dem viralen Marketing noch außen vor. Dabei kündigte man doch Großartigstes an.

Und da schau her: das Album ist eine Wucht. Eine Dampfwalze. Eine sehr wütende Dampfwalze, die sich nicht allzu schnell vorwärts bewegt, aber alles auf ihrem Weg zermalmt. Wie es die Idee von Grunge einmal war. Vor ein bisschen mehr als 15 Jahren.
Die Band aus Erschwil in der Schweiz ist keine Nostalgie-Combo oder träumt von der Wiederauferstehung Kurt Cobains und der Wiedergutwerdung von Chris Cornell. Navel haben einfach den Dreck gern. Rennen nicht nach Hause, wenn sie mit Bier bespritzt wurden und kleiden sich bestimmt nicht in Designer-Jeans, die Rock n´Roll zu imitieren versuchen.

Navel hauen auf den Putz, haben ihre Vorbilder in Seattle („Lovetrap“ und „Out of my Way“ hätten gut auf Nirvanas „Bleach“ gepasst) und machen vielleicht genau diese Art von Rocksongs, die Patrick g.a.G. Wagner gerne auch mal mit seiner eigenen Band Surrogat gemacht hätte. Am Ende sind Navel die Söhne, die Wagner nie hatte. Genau deshalb schreit er ihren Namen. Laut und lauter. Immer weiter. (Säm Wagner)

Anhören!
* Lovetrap
* Dressed in Satin
* So much left to say

Im Netz:
* Homepage
* MySpace

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https://blogs.taz.de/popblog/2008/04/13/im-plattenregal-im-maerz-1-the-indelicates-joy-division-navel/

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