vonChristian Ihle 20.05.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Fleisch ist mein Gemüse – O.S.T.

Ich war begeistert, als ich die CD aus dem Kuvert nahm. „Ironie, dir gehört der Rest des Tages!“, schrie mein Herz und ich dachte schon an kommende Feste, die vom „Fleisch ist mein Gemüse“-Soundtrack musikalisch gekonnt unterlegt werden. Was schaffen sämtliche Indie-Disco-Kracher, was nicht ein „Hello Mary Lou“ in der Fassung von Tiffany´s (nicht „die Tiffanys“!), der Band um Heinz Strunk, dem weiteren Originalmitglied Jens Carstensen, Truck Stop-Gitarrist Dirk Schlag (mein erstes Live-Konzert war übrigens Truck Stop in der Mehrzweckhalle Weiden), Jan Delay-Bassist Ali Busse und Lieven Bunkhorst kann.
Dachte ich mir.

Das Augenzwinkern bleibt aus.
Denn: der Fleisch ist mein Gemüse-Soundtrack bietet wirklich, was er verspricht: Schützenfest-Smash-Hits. Nicht im ironischen Indie-Ballermann-kompatiblen Fun-Punk-Stil, sondern haargenau wie die Musik eben von der Tanzkapelle auf jedem erdenklichen Fest im örtlichen Schützenheim dargeboten wird. Inbrünstig schlecht.
Könnten „Polonaise Blankenese“, „Wenn I mit dir tanz“ oder „Sun of Jamaika“ jemals außerhalb es Dorffest-Kontexts funktionieren? Niemals.

Man hat also zwei Möglichkeiten:
Die CD der Oma schenken (ob sie sich an Tiffany´s-Sänger Gurkis Stimme mehr erfreut als an den Originalen?) oder dann doch mal eine heimisches Erntedank-Fest zünden. Sonntag früh nach der Disco. Mit der Flasche Williamschrist, die dir Oma neulich mitgab…
„Hoch das Bein, die Schweinepreise steigen!“

(säm)

Sir Simon – Battle

Vom jungen Wahlberliner mit seiner Hamburg/Regensburger Band war hier schon mehrfach die Rede. Aussagen wurden auf Grund einzelner Musikdateien gemacht, die per MySpace-Seiten gehört oder altmodische Emails getauscht wurden und über ein paar Live-Konzerte, mal solo, mal mit Band. Die Richtung war deutlich, das Ziel Debütalbum ersehnt.

Simon Frontzek ließ vor ein paar Monaten mal verlauten, dass er seine kompletten Aufnahmen nach einem Wilco-Konzert gelöscht hat, um ehrfürchtig neu zu beginnen. Nach Abhören von „Battle“ (Sir Simon Rattle zuliebe strich man „Battle“ aus dem Bandnamen und schob es in den Albumtitel) glaubt man ihm jedes Wort.
Und jeden Ton.

Der Rezipient wird in keinem Moment geschockt. Kein Lärmwall knallt gegen den Kopf. Nicht mal wild um die eigene Achse tanzen will man.

Es geht es nur ums Zuhören. Um ruhige Momente und die Geschichten, die Sir Simon zu erzählen haben. Und um die Gedanken, mit denen man sich in diesem Album verliert. Wegschweifen und aufgefangen werden.

Was jetzt wie eine Rezension des ollen Traumtänzers und Elektro-Hypnotiseur Jean-Michel Jarre klingt, meint nicht schwülstige Klangexperimente und esoterische Lautenklänge, sondern grundsolide Rockmusik. Gemacht von Fans von eben auch grundsolider Rockmusik. Fans des Teenage Fanclub, von Bright Eyes, bestimmt auch der Weakerthans oder Iron & Wine und eben Wilco. Sir Simon haben ihre Liebe zur Musik weitergedacht und ihre Einflüsse genauestens studiert. Und haben dieses gewisse Gespür entwickelt für die Momente und Kniffe, auf die es im Pop ankommt.
Und diese Kniffe haben nichts mit Lautstärke, bunten Sonnenbrillen oder textlichen Brüskierungen zu tun, sondern drehen sich schlicht und einfach nur um große Gefühle, die vom Verursacher nach außen gekehrt und vom Konsumenten aufgenommen und miterlebt werden. Und das ist Kunst. (Säm)

Anhören!
* Nine to five
* Safety first
* The Band stopped playing

Im Netz:
* Homepage
* Blog
* MySpace

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2008/05/20/im-plattenregal-im-april-1-fleisch-ist-mein-gemuese-ost-sir-simon/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert