vonChristian Ihle 23.07.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Beck – Modern Guilt

Beck guilt

Interessant ist wirklich, dass Becks bester aktueller Song weder auf dem letzten (“The Information”) noch auf dem neuen Album wiederzufinden ist. „Timebomb“ fand nur digital und als limitierte Vinyl-Single Gehör. Interessant, weil Beck doch damit eine Richtung angeben hätte können. Hin zu neuer Frische. Oder: „Ich bin wieder da. Verzeiht mir meine Sekten-Ausflüge und dass ich mich lange nicht mehr weiterentwickelt habe.“
Früher behauptete Beck mal, er würde seine Aufnahmen erst nach einer Wartezeit von drei Jahren auf die Menschheit loslassen. Er wäre nämlich immer genau so weit der Zeit voraus. Das hätte bei „Mellow Gold“ stimmen können. Auch noch bei „Odelay“. Ein bisschen bei „Midnite Vultures“ (als er ein Prince-Revival ohne Prince eingeleitet hat). Aber „The Information“ wirkte schon wie ein Album, dass abgeliefert werden musste. Schwach. Ohne Kraft. Nicht völlig bei der Sache.
Dann kam die „Timebomb“-Single. Hektisch, schnell, wie eine kleine Explosion.

Und nun „Modern Guilt“.
Beck hat sich nicht bewegt. Keinen Schritt. Er ist wieder dort, wo er vor ein paar Jahren schon war. Und wo er auch geblieben ist. Bei seiner Mischung aus Pop, analoger Elektronik, Beach Boys, Folk und Hip Hop.
Und dieses Mal darf man nicht mal böse sein.
Denn: „Modern Guilt“ ist ein gutes Album. Die psychedelisch angehauchte Vorab-Single „Chemtrails“, das verschwurbelte „Replica“ mit seinen Drum´n´Bass-Anleihen und „Walls“ (Danger Mouse produzierte ihm hier wohl eine Gnarls Barkley-Single auf den Hals). „Modern Guilt“ ist das beste Beck-Album seit „Sea Change“. (Säm)

Anhören:
* Chemtrails
* Orphans
* Walls

Im Netz:
* Homepage
* MySpace
* Indiepedia

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The Sound Of Arrows – Danger EP

Kann man sich an ein Jahr erinnern, in dem Schweden kein Album, keine Band auf den Weltmarkt geworfen hat, die dann doch wieder überall Begeisterung hervorrief? Ob das vor zwei Jahren Love Is All mit ihrem C86-Gedenkwerk waren, die Shout Out Louds erst der Schrammelgitarre huldigten und dann auf dem Folgealbum The Cure auf Prozac nachspielten, letztes Jahr die bärtigen Sonnenscheine von Friska Viljor den Sommer ankündigten oder Pelle Carlberg Neil Hannon mal kurz zeigte, wie Divine Comedy klingen sollten; der Strom an guten Alben versiegt einfach nicht. Die gerade erschienene EP von The Sound Of Arrows kündigt dabei die nächste schwedische Großtat an. Wer den Weg der Shout Out Louds begrüßte, die die Schrammelgitarre an den Nagel hängten, um dem eleganten Pop zu frönen, kann sich auf Sound Of Arrows ebenso freuen wie alle, die verzweifelt nach einem europäischen Sufjan Stevens suchen oder sich wünschen, Stephin Merrit würde seinem latenten Drang zur Opulenz doch einmal nachgeben. (Christian)

Anhören:
Danger

Im Netz:
MySpace

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Francis International Airport – We are jealous, we are glass.

Vor ein paar Tagen fuhr ich mit dem Auto durch Österreich und der liebgewonnene Radiosender FM4 spielte den Soundtrack dazu.
Ich näherte mich gerade der italienischen Grenze, die Wolken verzogen sich langsam und im Radio fing jemand an zu singen. „You wake up and feel tired”. Eine Akustik-Gitarre spielte. 45 Sekunden später setzte ein Beat ein. Einer von der Sorte, die auch Postal Service groß gemacht haben. Die Sonne schien jetzt durch die Windschutzscheibe in mein Gesicht.

„Words on Logs“ hatte gerade seinen zweiten Refrain erreicht, als ich wusste, dass eine Band, die so einen Song in petto hat, ausgesorgt hat. Mehr muss man nicht schaffen als so einen Song. Und ich rätselte, welche Band ich hier hörte und war beleidigt, weil ich erst heute von dem Stück erfuhr.

Der Moderator löste auf. Francis International Airport.
Genau einen Tag vorher hatte ich die Platte dieser Band bekommen. Und gleich am Abend lief ich durch die Stadt und hörte dabei „We are jealous, we are glass“.
Mir war zwar schon klar, dass ich eine großartige Platte im Ohr hatte, der eine Song aber noch gar nicht aufgefallen.

Zwei Tage später lag ich auf dem Bett. Vormittag, Italien, knapp 30 Grad.
Ich hörte mich wieder durch das Francis International Airport-Album. Und war mir plötzlich gar nicht mehr sicher, welchen Song ich da vorgestern im Auto so groß fand. War es nicht doch „Fleabite“? Oder „Neon Sign“? Wahrscheinlich hätte es fast jeder Song auf „We are jealous, we are glass“ sein können.
Die Mischung aus Bright Eyes, Postal Service und Weakerthans lässt Herzen explodieren. Und ich muss leider trotzdem befürchten, dass Francis International Airport mit der wunderbaren Platte nicht gleich auf Nummer eins aller Charts einsteigen und reich werden. Wieder ein Beweis für: die Welt ist nicht gerecht und keine gute. (Säm)

Anhören:
Tapehead
Safety matches
Words on logs

Im Netz:
MySpace

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https://blogs.taz.de/popblog/2008/07/23/im_plattenregal_im_juni_1_beck_the_sound_of_arrows_francis_international_airport/

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