vonLeisz Shernhart 11.06.2021

Poetik des Postfaktischen

Zu viel Form für zu wenig Inhalt: Zur Rolle des Kulturschaffenden in der postfaktischen Gesellschaft. Betrachtungen ohne abschließende Bewertung.

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Der Künstler und die postfaktische Gesellschaft. Um die Unvereinbarkeit beider Systeme bestverständlich illustrieren zu können, wollen wir nun der Einfachheit halber einmal annehmen,  S I E sei die Gesellschaft und  E R der Künstler, der diese in seinen Werken abzubilden versucht. Wenngleich ein solcher „Gendercheck“ zwangsläufig zur Polemik verführen dürfte, lade ich sie dazu ein, sich gemeinsam mit mir folgenden Dialog zwischen der Welt und dem Künstler vorzustellen:

“Schläfst du schon?”, fragt er sie, indem er sich aufrichtet. Keine Antwort.

“Findest Du es nicht auch merkwürdig, dass die Einfalt –genau wie das Zänkische- allerorts zu finden ist? Zu jeder Zeit an jedem Fleck, gleichwohl in welcher Utopie. Seinem hereditären Bedürfnis nach einer sinnstiftenden Rettungsidee begegnet man durch progressive Infantilisierung. Obsolete Devolution. Ein genuin bürgerliches Phänomen! Findest Du das nicht seltsam?

Die utopische Vorstellung eines harmonischen, allumfassenden Ordnungsprinzips bei gleichzeitig vollständiger Sinnentleerung. Evidente, epochale Torheit – ebenso plump wie unverblümt. Biologisch orientiertes Denken bestimmt den Mensch. Trieb- und Zufallsbestimmter Androzentrismus. Findest Du das nicht unverschämt?

Wer liest noch Thomas Mann? Wozu wissen wohin? Hauptsache dabei!  Nur nicht alleine sein. Alleine sein ist denken. Man will davon nichts wissen wollen. Wahrgenommen zu werden, reicht völlig aus. Des Kaisers neue Kleider tragen – esse est percipi! Gierig sabbernd, ferkelnd, frech. Achill vor dem Spiegel beim Betrachten der Muskelpracht, während Penthesilea ihm ein Süppchen kocht. Findest Du das nicht angestaubt?

Jupiter hofiert Alkmene, Amphitryon schuftet am Band. Tanktop und Minirock. Das Diadem des Labdakus, ein wüst gepanschtes Mischgetränk? Apollinische Distanz flieht dionyscher Versuchung. Findest Du das nicht feige?  Enturbanisierung der Empfindung durch Globalisierung der Unverbindlichkeit: vordergründig spektakulär, wesentlich belanglos. Der Archetypus als Taschenspieler. Virtuose Poetik des Phrasenhaften, obenhin und beiläufig. Alternative Fakten schaffen. Findest du das nicht frech?

Hinnehmendes Seufzen…”Ich werde mich von ihm trennen!” , denkt sich die Welt bei sich, bevor sie dem Künstler entschläft.

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