vonHeiko Werning 16.06.2008

Reptilienfonds

Heiko Werning und Jakob Hein über das tägliche Fressen und Gefressenwerden in den Wüsten, Sümpfen und Dschungeln dieser Welt.

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Ich will ja nicht einseitig sein.

Am 1. Juni ist der „Internationale Tag der Milch“. Sagt die FAO, die Welternährungsorganisation. Am 1. Juni ist allerdings auch der „Tag des Milchleids“. Sagt PETA, die Tierrechtlerorganisation.

Ratlos stehe ich vor meinem Kühlschrank und blicke auf die Packung Milch darin. Auf der Homepage www.peta.de/milchmachtkrank finden sich „8 Gründe, Milchprodukte vom Speiseplan zu streichen“. Zusammengefasst: Milch ist die weiße Hölle. Man stirbt an ihr, früher oder später. Früher oder später werden wir alle sterben, sicher, aber dass ausgerechnet die Milch schuld daran ist? Tja, die Milch macht’s. Krebs zum Beispiel: „Einige Krebsarten wie beispielweise Eierstockkrebs wurden bereits mit dem Konsum von Milchprodukten in Verbindung gebracht. Laut einer Studie von Dr. Daniel Cramer kann der Konsum von Milchprodukten negativen Einfluss auf die Eierstöcke der Frau haben.“ An Osteoporose ist Milch auch Schuld, an Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowieso, es ist ein Wunder, dass überhaupt noch Menschen leben. Mich würde nur interessieren, wie diese Studien eigentlich zustande gekommen sind. Haben die geguckt, wie die Krebs-/Osteoporose- und Diabetes-Patienten sich ernährt haben? Und dann festgestellt: Donnerwetter, die haben ja alle Milch getrunken, au weia, Milch ist ja der totale Horror. Genau das hat PETA dann gleich als Überschrift auf www.milch-den-kuehen.de, geschrieben: „Milch – der totale Horror“. Doch zum Glück gibt es Hoffnung: „Als Antwort auf den Milchbauernstreik und die damit verbundene Verknappung der Milchreserven, liefert PETA Deutschland e.V. die Lösung: Sojadrink. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis der Sojadrink die Kuhmilch ablöst“, so Tobias-Jan Hagenbäumer von PETA.“

Seltsam eigentlich, dass die Tierrechtler das Marketingpotenzial des Milchleids nicht voll ausschöpfen. Da gibt es doch sicher noch weitere Zusammenhänge, sagen wir: „Hätte der Holzklotz-Mord verhindert werden können? Täter war schon als Milchtrinker auffällig.“ Ach nee, geht doch nicht. Schon vergeben. Am 27. Mai sandte PETA nämlich folgende Pressemitteilung aus: „Hätte der Holzklotz-Mord verhindert werden können? Täter war schon als Tierquäler auffällig.“ Und zwar nicht mal durch Milchkonsum, sondern: „Mittlerweile wird bekannt, dass der Holzklotz-Täter von Oldenburg in der Vergangenheit schon mal eine Katze tierquälerisch behandelt hat. Da das Tier nicht umkam und wohl auch keine größeren Blessuren davontrug, wurde diese tierfeindliche Einstellung des Täters nicht weiter beachtet. Die Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. fragt sich nun, ob der heimtückische Holzklotz-Mord nicht hätte verhindert werden können.“ Auch Natascha Kampuschs Peiniger war einschlägig auffällig: „Zeitungsmeldungen zufolge wurde Priklopil beobacht, wie er in seinem Garten saß und mit einem Kleinkalibergewehr auf Vögel schoss und offensichtlich Spaß dabei hatte, wie die Tiere hilflos, einbeini, und schwer verletzt zusammenbrachen und starben. Priklopil sei zwar vernommen worden, leugnete jedoch die Tat.“ Woraus PETA schließt: „Frau Kampusch hätte womöglich früher gerettet werden können, hätte man die Anzeige wegen Tierquälerei zwei Jahre nach Nataschas Verschwinden ernster verfolgt.“ Vielleicht allerdings auch gar nicht, wenn man den Mann eingesperrt und der nichts verraten hätte.

Aus Tierquälern werden also Schwerverbrecher. Nur – was tun mit all den zukünftigen Massenmördern? Jeden Jugendlichen wegsperren, der mal als Kind sein Meerschweinchen vernachlässigt hat? Unterbringungsmöglichkeiten gäbe es dann ja genug – die Ställe für Milchkühe wären ja frei und neu zu besetzen.

Nein, aber Tierrechtler sind keine Unmenschen, im Gegenteil, wie wir aus einer Pressemitteilung vom 16. Mai erfahren: „Die Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. möchte die drei Jugendlichen, die am Mittwoch Abend an einem privaten Fischteich in Helpenstell Goldfische getötet haben, zu Vegetariern machen. Aus diesem Grund lässt ihnen die Organisation eine Fisch-Informationsmappe und eine vegetarische Starterbroschüre zukommen.“ Ein Glück auch für Bruder Fisch, das vielleicht unterschätzteste unter unseren Mitgeschöpfen – PETA: „Fische sind clever, schmerzempfindlich und sensibel, fühlen Angst, Freude und Stress. Sie gründen Familien und schließen Freundschaften. Sie spielen sogar Fußball.“ Aha.

Ansonsten scheint PETA ganz auf das Motto zu vertrauen: Wenn dir jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm ein vegetarisches Starterkit hin. Pressemitteilung vom 12. Februar:Die Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. möchte Mertino A., den Fast-Kannibalen aus Cottbus, zum Vegetarier machen. Aus diesem Grund hat ihm die Organisation am Montag ein vegetarisches Starterkit auf das Landgericht in Cottbus geschickt, wo derzeit seine Verhandlung läuft. Aus Presseberichten geht hervor, dass Mertino A. versucht haben soll eine Frau zu beißen, „um zu wissen wie sie schmecke“ (…) Die Organisation hofft, dass der junge Fleischliebhaber in Zukunft davon absehen wird, Frauen anzugreifen um sie zu essen, denn Menschen die ihres Fleisches wegen getötet werden, leiden sicher genauso wie die 570 Millionen Tiere, die in Deutschland Jahr für Jahr ihr Leben unfreiwillig verlieren. „Da sie angeblich „Gier nach Fleisch“ empfinden und „Frauen aufessen“ möchten, hilft es Ihnen vielleicht zu wissen, dass es hervorragende, vegetarische Gerichte gibt, die denselben Geschmack haben wie Fleisch, aber ohne den Nebengeschmack von Grausamkeit und ohne Cholesterin“, so PETA Deutschland e.V. in ihrem Brief an Mertino A. „Zu unseren Lieblingsgerichten gehören beispielsweise vegane „Holzfäller Hacksteaks“, „Kapt’n Tofus Knusperstäbchen“, „Real Jumbo“-Würstchen und „Sprossentofu“.

Und sollten die goldfischquälenden Jungs und frauenbeißenden Cottbusser nicht von allein auf den erlösenden Soja-Geschmack kommen, kann man sie ja immer noch einsperren. Ins Gefängnis von Aachen beispielsweise. Denn: „Wie steht es eigentlich mit vegetarischer Ernährung in deutschen Haftanstalten?“, fragte PETA am 9. April und präsentiert die „Top-10-Liste der vegetarier-freundlichsten Gefängnisse“. Und Aachen ist auf Platz 1, denn hier gibt es „täglich Sojawürstchen, Sojaflocken, Sojagranulat, Sojamilch“.

Beherzt greife ich in den Kühlschrank. Darauf ein Gläschen Milch.

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https://blogs.taz.de/reptilienfonds/2008/06/16/information_la_peta/

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kommentare

  • Cool, dass durch den zynischen Artikel hier vielleicht der ein oder andere Leser mal über den Horizont des Autors hinaus nachdenkt, welches Tier auf dieser Erde Milch auf dem Speisezettel stehen hat, sobald es kein Baby mehr ist.
    Und im speziellen, wieviele Schimpansen oder Gorillas sich mal eben eine Kuh suchen um von ihr zu trinken.

    Auf diesen Gedanken kommen die meisten nämlich nicht, sondern brabbeln einfach nach, was ihnen von der Werbung vorgelogen wird, nämlich dass Milch ein unverzichtbares Lebensmittel sei.

    Nett, dass der Link zu Peta und milch-den-kuehen.de aufgeführt ist – den negativen Kontext in dem er steht kann ich gerne ertragen, wer weiter denkt macht sich eh sein eigenes Bild.

    Um mich nicht falsch zu verstehen: Wer auf Milch nicht verzichten kann, soll sie halt trinken und sich einen Joghurtblähbauch holen. Aber nicht behaupten, sie sei gesund und lebenswichtig.

  • Ich freue mich außerordentlich, dass über diesen Umweg die TAZ zur Verbreitung von PETA Ideen beiträgt. Betrachten wir den gesellschaftlichen Status der Tiere ohne in den Zynismus abzurutschen. Wer einmal die erschreckenden Bilder der Intensivtierhaltung, in denen Tiere meist ohne Tageslicht, in ihrem eigenen Kot stehend und ohne die Möglichkeit, sich bewegen zu können, um ihr Leben kämpfen gesehen hat und wer die Angst und die Erschöpfung in den Augen der Tiere, die mit Knüppeln und Stromschocker von den Ladeflächen der Transporter in die Schlachthäuser geprügelt werden, bemerkt hat, der weiß, das es falsch ist.

    Wir sollten uns besser darüber unterhalten, wie wir Tieren zu einem besseren Leben verhelfen können, anstatt die bestehenden Verhältnisse durch Ironie zu billigen.

  • Nachdem auch inzwischen Kommunikation und dadurch in gewissem Sinne auch Intelligenz bei Pflanzen nachgewiesen wurde, müßte sich doch bald auch noch eine Organisation finden, die Sojapflanzen vor Vegetarieren schützt…

    Und dann?

  • Daumen Hoch!

    @Benjamin Kiersch: man kann herrn hagenbäumer ja vieles vorwerfen, aber falsche Grammatik sicher nicht.

    @Hr. hagenbäumer: Ich kenn ne Menge Vegetarier. Deren Kinder müssen Eisentabletten schlucken, weil sie vorher wegen Eisenmangel Entwicklungsstörungen hatten. Und jetzt raten sie mal, woraus diese Pillen hergestellt werden. Da kann man die Viecher doch auch gleich essen…..

  • Ganz großes Kino! Weiter so, PETA!

    Darauf ein Bife Chorizo!

    Saludos aus Cochabamba, Ben

    Und, Herr Hagenbäumer: Die TAZ ist vielleicht nicht immer so intelligent, aber wenigstens beherrscht sie die Grundzüge der deutschen Grammatik.

  • ein besonders unzynischer kommentar ist das, könnte man anmerken.
    ohne eine nahrungsumstellung unserer voraffen auf energiereiche fleischnahrung hätte sich bei uns nie so ein energieverschlingendes gehirn ausgebildet.

  • Leider ist von der TAZ heutzutage politisch nicht mehr zu erwarten, als ein Rest kalter Zynismus. Wie verachte ich doch Spaßmacher wie Stefan Raab, Oliver Pocher oder Harald Schmidt. Dazu fällt mir nur die Aussage von Christian Schlingensief ein: “Zynismus ist staatstragend” und Dummheit leider auch. Grausamkeiten gegen Schwächere sind ein Verbrechen und wer es nicht schafft, seine kulturellen Lasten abzustreifen, wird wahrscheinlich noch nicht mitbekommen haben, dass Tiere keine Melkmaschinen und keine Sadistenspielzeuge sind.
    Als letztes noch eine Studie der Universität von Southhampten, nach der mit einem 15% höheren IQ nach Angaben der Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeit wächst, Vegetarier zu werden.
    Gut das es bei der TAZ keinen Intelligenztest gibt.

  • Zu
    „8 Gründe, Milchprodukte vom Speiseplan zu streichen“.
    Alles zutreffend, wie mir Herr Erich Anton Paul von Däniken bestätigen konnte, nachdem er seinen Roundtrip durch die Milchstraße abgeschlossen hatte. Selbst in ”Milkyways“, dem Restaurant am Ende des Universums, werden keine Getränke und Speisen auf der Karte geführt, die mit Milch zubereitet werden. Zur Zeit wird dort sogar heftig die Frage diskutiert, ob Spezies, deren Metabolismus nach der Geburt auf Muttermilch angewiesen ist, als Gäste zugelassen werden können. (Quelle: The Hitchhicker’s Guide to the Galaxy, 2008 Edition)
    PS: Der Eintrag dort für den Planet Erde hat sich nicht verändert, nach wie vor heißt es: ” Mostly harmless”

  • Man könnte es als Teil einer medialen Aufmerksamkeitsgesellschaft ansehen. Der gröbste Mist wird ernst genommen, sobald er eine gewisse Aufmerksamkeitswirkung zu erzielen vermag.

    Bah! Dieses sinnlose und kompetenzbefreite Heranzerren von überaus randständigen “Studien”, um hinterher im Ton von Dr. Großkotz mit verlogenster Sicherheit zu behaupten: “Milch macht krank” ist sowas von dämlich, dass die Chance zugleich groß ist, dass PETA das nicht merkt.

    Weil: Das ist ja für die lieben Tiere. Oder so.

    Mit der gleichen Methodik könnte man auch beweisen, dass Amokläufe in Schulen die öffentliche Sicherheit erhöhen oder das die Selbstmordquote ein Maßstab für das soziale Wohlergehen einer Gesellschaft ist. Hauptsache, man kann irgendeine abseitige, unwissenschaftliche “study” in die gewünschte Richtung biegen – und am Ende eine vollendet dämliche, aber aufmerksamkeitsstarke Aussage tätigen.

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