An dieser Stelle gibt es zukünftig – wahrscheinlich bis vielleicht – eine Art Tour-Tagebuch. Mich hat dasjenige des Kollegen Nils Heinrich im Jahr ca. 2005 immer sehr fasziniert, und ich wollte das auch. Hoffnungslos selbstreferenziell, von unerträglicher Eitelkeit, Nabelschau pur. Ja! Das will ich! Also, so waren die Auftritte, die gestern noch harmlos im Terminkalender standen:
Termine, gewesen (das geheime Tagebuch):
So 6.7.: Urlaubsvertretung bei „Der Frühschoppen„, 13 Uhr, Schlot, Berlin-Mitte
Schön war’s. Trotz Sommer. Der Frühschoppen ist ja ohnehin so etwas wie ein Stück Geborgenheit, ein Elternbesuch, ein Nachmittag in der alten Heimat ohne Gedanke daran, was einen fortgetrieben hat. Ich glaube, als Zivi habe ich mich im Theaterstück auch ganz gut geschlagen. Liegt vermutlich an der einschlägigen Berufserfahrung.
Do 10.7.: Brauseboys. Mit Tobias Wallat, Jonny Freedom & Dennis Neidhart
Ein großer Abend! Tobias mit trefflicher schwarzer-Krimi-Nummer oder wie immer diese Anfang-des-20.-Jahrhundert-à-la-Humphrey-Bogart-Krimis auch auf Französisch heißen mögen, Jonny wie immer toll, und der Nachwuchsgast Dennis überzeugte mit einer grandios-komischen Geschichte über das Erste-Mal-einen-geblasen-bekommen. Auch die Boys in guter Form, ein bemerkenswerter Abend, bei dem man sich wieder fragt, warum die Leute auf Pocher oder so was stehen.
Sa 12.7.: Mit den Brauseboys nachmittags (17.30 Uhr) auf dem Straßenfest Choriner Str., Berlin-Prenzlauer Berg
In der Hitliste der doofen Auftritte ziemlich weit vorne. Um uns herum wimmelten Prenzleltern mit Prenzlkindern, aber selbst als ich mich zu meiner Hassrede über „die geschundenen Kinder vom Prenzlauer Berg“ durchgerungen habe, als bloße Selbstverteidigung, hat niemand reagiert. Ich glaube, wenn mal ein Terroranschlag ansteht und jemand die ganze Gegend da in die Luft sprengt, entsteht praktisch kein Schaden.
Sa 12.7.: Mit den Brauseboys abends auf den toiletten27, 20 Uhr, An der Wildenbruchbrücke/Weigandufer, Berlin-Neukölln
Was für ein Kontrast! Zwei Stunden später, ein paar Kilometer entfernt, und doch ein anderes Universum. Wunderbar war es, open air lesen neben durch den Kanal paddelnden Ratten, leicht irritiert schauenden Schwänen und einem angenehmen Publikum, sogar Straßenzuschauer von oberhalb der Brücke, die von unbändiger Motorik getrieben immer auf und ab liefen, aber offenkundig zuhörten, dazu Bewohner der Häuser drumherum, die an den Balkonen lehnten und lauschten, wie Volker Surmann laut schwule „Öhm Öhm“-Paarungslaute in die laue Nacht schrie. Dazu eine bemerkenswerte Kunst-Installation mit mexikanischen Höhlensalmlern. Meine Güte, solche Abende entschädigen für vieles, wenn nicht auch gleich eigentlich für alles.
Sa 12.7.: Mit den Brauseboys nachts im Candy’s, ca. 23.30 Uhr, Dillenburger Str. 1, Breitenbachplatz, Schmargendorf
Ein Freund von uns hat uns hierher geladen, leider offenbar mit leichten Abspracheproblemen mit den eigentlich Einladenden. Resultat: zwei alkoholfreie Biere für 7,40 € oder so.
So 13.7.: Volker Surmann und ich lesen über – Achtung! – Sport. Immer gut, Fachleute zu fragen. Und zwar auf dem Leichtathletik-Sportfest 60 Jahre SC Tegeler Forst, Stadion Finsterwalder Straße 62 im Märkischen Viertel, so vor richtigen Sportlern (Olympia) und Bezirksbürgermeister und allem, ca. 19 Uhr (danach bin ich dann pünktlich bei der Reformbühne)
An diesem an Desastern durchaus reichen Wochenende der krönende Höhepunkt. Irgendwelche Ablaufsänderung in der Organisation führten dazu, dass wir nicht vor, sondern während des Buffets lesen mussten. Immerhin: vor uns ist der Jogi Löw der Leichtathletik noch kläglicher abgesoffen, wir lasen mit einer minderbemittleten Anlage direkt neben einem im vollen Gang befindliche Beach-Hallen-Fußballspiel und eben gegen recht leckere mediterrane und Berliner Häppchen. Keine Chance, niemand hat irgendwas gehört. Neben uns schossen Leute scharfe Pfeile auf Scheiben. Und die Leute haben Angst wegen Giftschlangen, die Welt ist ja völlig irre. Warum das trotzdem kein unangenehmes Erlebnis war? 1) gutes Schmerzensgeld; 2) freundliche Menschen; 3) nachvollziehbare Pannen; 4) trotz allem der Versuch der Veranstalter, uns im Rahmen des Möglichen Aufmerksamkeit zu schaffen.
So 13.7. Reformbühne Heim & Welt mit Iris Niedermeyer und Elis
Endlich mal wieder ein guter Abend, Gottseisgedankt ist die EM vorbei. Meine Rauchergeschichten noch nicht restlos überzeugend, verdammt, der Abgabetermin rückt näher. Sollte ich ausgerechnet hier versagen? Iris wie immer mit bemerkenswert bitteren Texten, wird ja leider vom Mob nie so richtig goutiert, was vielleicht auch an ihrer etwas zu lapidaren Vortragsweise liegt. Elis wie immer als Gott der Melodien, als das, was Funny van Dannen mal war, als … damals … als er noch nicht im Kommerz … als … nein, solche Sätze wollte ich nie schreiben. NIE! Elis war einfach wieder gut.
Mi 16.7.: Texte und Lieder von mir in Volker Surmanns Programm über – Achtung! – schlechten Sex. Immer gut, Fachleute zu fragen. Kookaburra, 20.30 Uhr, Schönhauser Allee, Berlin-Prenzlauer Berg
Ganz OK. Aber halt Comedy-Publikum, nicht meine Welt. Wenn die wüssten, was ich von denen denke, hätte gar keiner geklatscht.
Do 17.7. Brauseboys mit Iris Schwarz und Manfred Maurenbrecher
Ein ganz großer Abend! Manfred mit zwei neuen Songs mit echtem Hit-Potenzial, wobei ich das Urheberrecht für einen Song über Geländewagen in der Stadt einfach mal für mich reklamiere, das habe ich in „Hiltrup ist Ebola“ schon ausgeführt und der ganze Song zum Thema wird einer der ersten sein, sollte ich je wieder Lieder schreiben. Und Iris‘ Bühnenpräsenz lässt einen immer wieder schlucken, ich meine: die ist 15. Gemessen daran sind ihre Auftritte nichts anderes als spektakulär, und selbst ungeachtet der Altersdifferenz sind sie immer noch ziemlich gut.
Fr 18.7.: Schlechter Sex, s. o.
Ich nehme einiges zurück. Gutes Publikum, ich hätte es fast unterschätzt. Ganz zu Unrecht. Fand Comedy doof und mich gut. Kommt gerne mal wieder!
So 20.7., ca. 0.45 Uhr, mit einigen Brauseboys bei Hubert Skoluds „Mitternachtsshow“ im Ex’n’Pop, Schöneberg
Es soll noch sehr lang gegangen sein. Wir haben uns mal diskret gegen 3 Uhr zurückgezogen.
So 20.7.: Die Brauseboys beim „WeddingDress“, irgendwo an der Badstraße, ca. 16 Uhr
So geht’s ja leider ständig mit dem, was ich mir so vornehme. Letzen Sonntag noch geschworen, nie wieder auf einem Straßenfest aufzutreten, eine Woche später den Schwur schon wieder gebrochen. Aber zu Recht: denn erstens war diese Bühne hübsch in einer, na ja, Gartenanlage?, Parkandeutung?, drapiert, und zwar so, dass es praktisch kein vorbei strömendes Publikum geben konnte, zweitens haben erfreuliche Mauern (das Land bräuchte ja überhaupt viel mehr Mauern, diese grassierende Mauernfeindlichkeit ist ja auch so ein Unglück) aus Grünzeug Kinderspielplatz und Wege erfreulich akustisch abgeschirmt, drittens war das alles von den Freunden vom Kulturverein Mastul organisiert, und viertens waren verblüffend viele tatsächlich Hörwillige gekommen. Da haben wir’s: im coolen Prenzlauer Berg interessiert das keine Sau, wenn ein paar Leute, die nicht so aussehen, als seien sie gerade in irgendeiner Trendschmiede zusammengeklöppelt worden, was vorlesen, da ist man zu sehr damit beschäftigt, der eigenen Brut kreatives Baggerschieben beizubringen, im Wedding setzen sich ca. 100 mucksmäuschenstille ganz normale Menschen selbst bei leichtem Nieselregen auf ein paar Bierbänke, lauschen und lachen und kaufen hinterher.
So 20.7.: Reformbühne Heim & Welt mit Andreas Monning & Doc Schoko
All die Deppen, die von den Lesebühnen als stete Verbreiter von Alltagsgeschichten mit Ich-Erzähler schwadronieren, hätten ruhig mal zu Gast sein dürfen. Aber wozu – die verstehen ja eh nichts. Außergewöhnlicher Abend, recht gut eigentlich, wenn auch alles andere als publikumsnah.
Do 24.7.: Brauseboys mit Marlen Pelny, Tilman Birr und Hubert Skolud
Proppenvoll, sowohl im Publikum (wo kamen die alle her) als auch auf der Bühne, das Ganze eher etwas chaotisch, turbulent, laut. Unterm Strich kein schlechter Abend, aber es passte auch alles nicht so recht zusammen.
Fr 25.7.: Mit den Brauseboys und Hubert Skolud im Sprengelkiez, Genaueres ist noch nicht zu mir duchgedrungen
Der Abschluss der großen Hubert-Abschiedstour, die uns durchaus einige bemerkenswerte Erlebnisse beschert hat. Man kann zusammenfassend sagen, dass dieser Abend ein in jeder Hinsicht würdiges Finale war. Alles Gute, Hubert, komm gesund wieder.
So 27.7.: Vertretung beim Frühschoppen, 13 Uhr, Schlot
Das war ja auch mal bizarr: Praktisch ein Brauseboysschoppen mit Andreas Scheffler als Gast. Aber auch ohne den Frühschoppen war es schön beim Frühschoppen, nur der übereifrige Kollege Surmann hat meinen großartigen Zivi-Auftritt in Hinarks Theaterstück vermasselt, weil er den Nazi-Opa Scheffler einfach von der Bühne getragen hat. Herrjeh. John will den Schlot demnächst zur tip- und zitty- und GEMA-freien Zone machen. Das ist ja mal ’ne schöne Idee. Viel Erfolg dabei.
So 27.7. Reformbühne Heim & Welt, 20.15 Uhr, Kaffee Burger, mit Andreas Gläser und Ivo Lotion
Vielleicht bin ich einfach nur müde nach diesem Auftrittsmarathon, aber der Abend war nix. Lahmes Publikum, lahme Kollegen, Ivo und Andreas irgendwie auch nicht in Bestform, und ich erst recht lahm. Vielleicht sollte ich doch einfach wieder mal Bier mit Alkohol trinken.
Mo 28.7.: Dreharbeiten zum Film “Post Republik” vor dem Tryptichon in Münster. Ich spiele, haha, einen Literaten. Statisten welcome.
Na toll, erst verreckt unterwegs in Stendal die Lokomotive, dann nach zweimaligem Zugwechsel doch noch Münster mit nur einer Stunde Verspätung erreicht, und dann bin ich der Einzige, der ratlos auf dem Haverkamp-Gelände steht. Und dafür habe ich extra diesen grauenhaften Umhang rausgesucht. Egal. Bin eigentlich ganz froh, dass Ruhe ist. Merkwürdig zu Hause ohne Muttern, die im Krankenhaus liegt.
Do 31.7. Brauseboys
So, das war’s also: 19 Auftritte in einem Monat, alles dabei gewesen, von komplettem Wahnsinn über trostlose Veranstaltungen bis zu richtigen Höhenflügen. Nach der EM-Starre gut, mal wieder vor Menschen zu lesen. Andererseits schön, ein Wochenende ganz ohne Menschen vor mir zu haben. Grüner Leguan, ick hör dir trapsen. Endlich mal das Buch fertig schreiben. Der August wird ruhiger.
Ach so, der Abend: gehobener Durchschnitt, eher etwas ruhiger, nachdenklicher, literarischer, kunstvoller – jau, das können wir auch. Auch dank Martin Betz und Lea Streisand.