vonJakob Hein 31.03.2014

Reptilienfonds

Heiko Werning und Jakob Hein über das tägliche Fressen und Gefressenwerden in den Wüsten, Sümpfen und Dschungeln dieser Welt.

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In den letzten zwanzig Jahren habe ich mehr als zwanzig Hosen getragen, mehr als fünfzig T-Shirts, mindestens zehn Paar Schuhe und etwa zehn Jacken oder Mäntel. Ich habe mir in den Jahren fünf Anzüge gekauft und zehn verschiedene Mützen, von der Zahl verschlissener Socken Unterhosen ganz zu schweigen. Bei den Anzügen ist so ein komisch lindgrüner dabei mit Nadelstreifen und Hochwasserhosen, auf den Jacken standen die verschiedensten Zeichen, die Mützen trugen Aufnäher von teilweise nicht existenten Sportvereinen und auf den T-Shirts war eine geradezu Armada zu nennende Vielzahl witziger, interessanter oder origineller Motive.

Dennoch habe ich in den letzten zwanzig Jahren für die Gesamtheit meiner Kleidungsstücke nicht halb so viel Kommentare erhalten wie für das eine. Kinder fühlen sich ermutigt, etwas dazu zu sagen, ältere Frauen, viel häufiger jüngere Männer. Am Abend lallen die Betrunkenen darüber, am Morgen die Frühaufsteher. Im Sommer werden Bemerkungen gemacht, im Winter Standpunkte erläutert, völlig ungefragt im Straßenbild Grundsatzerklärungen abgegeben. Kein einziges meiner Kleidungsstücke hat vergleichbar viel Aufmerksamkeit erregt, schon gar nicht vergleichbar viel Ablehnung. Ich habe dunkle Hemden, bei denen in den wärmeren Jahreszeiten schnell sichtbar wird, dass ihr Träger im Achsel- sowie im Rückenbereich über gut funktionierende Schweißdrüsen verfügt. Ich habe Hosen, deren Hosenknopf-Bauchnabel-Abstand nur im Millimeterbereich zu messen ist. Ich habe, wenn ich einen Gürtel trage, absurd häufig das Problem, das Schließen des Hosenbundes nach Toilettengängen zu vergessen. Alles kein Problem, selten mal, dass mich diskret jemand auf mein Missgeschick hinweist.

Aber das hier in Rede stehende Kleidungsstück ist so etwas wie der Artikel eines offen transsexuell lebenden Klimaforschers auf einem dieser rechtslastigen Blogs. Offensichtlich ist die Kommentarfunktion bei diesem Kleidungsstück extrem aktiviert und ermutigt viele Nutzer meiner Oberfläche herabwürdigende, nicht immer im besten Deutsch und selten von bestechender Logik durchzogene, dafür aber mit Beleidigungen gespickte Bemerkungen zu hinterlassen.

Das Kleidungsstück, von dem hier die Rede ist, ist natürlich mein Fahrradhelm. Ich besitze einen seit es die Dinger im Handel zu kaufen gibt. Das war ein Deal mit meinen Eltern. Sie bezahlten mir jeden noch so extravagant aussehenden Helm. Trafen sie mich aber ohne Helm auf einem Fahrrad sitzend an, würden sie mir umgehend sämtliche Unterstützung streichen. Wer so vom Lebensüberdruss geplagt ist, in einer Großstadt ohne Helm Fahrrad zu fahren, so ihr Argument, der benötige auch keine Mittel für die wenigen ihm verbleidenden Tage.

Kurz darauf fuhr ich ein Rennrad durch Manhattan. Damals war das noch eine wilde Stadt und nicht die touristenfreundliche Ausgabe des heute an der selben Stelle anzufindenden Ortes. Ich trug natürlich einen Helm. Hier war das modern und mein Gastvater hatte mir außerdem die Formel erklärt, dass der Wert des Gehirns eines Fahrradfahrers dem etwa zehntausendfachen seines Helmpreises entspräche. Nach dieser Rechnung spricht es stark für den Radfahrer, wenigstens irgendeinen Helm zu tragen und ein Hundert-Dollar-Helm spricht für ein Millionen-Dollar-Gehirn. Ein helmloser Radfahrer bringt hingegen nur die Zahl Null in die Multiplikationsaufgabe ein, was für von Übungsaufgaben geplagte Grundschüler höherer Jahrgänge immer eine vereinfachende Freude ist.

Das Helmtragen habe ich mir bis heute nicht abgewöhnt, obwohl die Zahl der zu schützenden Lebensjahre seitdem um mehr als zwanzig abgenommen hat, hänge ich heute sogar noch mehr an meinem Restleben. Weiterhin bekomme ich mindestens wöchentlich irgendwelche Kommentare zu meinem Helm, praktisch nie positive.

Was ist das Ziel der Kommentatoren? Ich habe es bis heute nicht ganz herausgefunden. Wollen sie mich modisch beraten? Häufig weisen sie mich darauf hin, dass ihrer Meinung nach ein Helm albern aussehen würde. Kürzlich wurde ich dazu von einem Mann beraten, der einen Bart trug, der im Mexiko der dreißiger Jahre modern war, einen Pullover, der im Norwegen der Nachkriegszeit modern war, der Musik hörte, die in den achtziger Jahren modern war und dessen sich über die Jeans quälender Bauch bisher noch keine Epoche erlebt hat, in der das als Trend der Zeit galt. Das macht aber nichts.

Um jetzt hier mal eine Geheimnis zu verraten: Ich versuche mit meinem Helm keinen modischen Eindruck zu schinden. Damit ein Helm sinnvoll funktioniert, muss er den Kopfumfang vergrößern und damit dadurch der Mensch hübscher, wohlgestalter und irgendwie schicker aussieht, müsste er über einen extrem kleinen Kopf verfügen. Aber für diese kleinen Köpfe werden nicht einmal mehr Helme in Erwachsenengrößen gefertigt, weil im Inneren solcher kleinen Köpfe auch kleine Gehirne wohnen, deren funktionierende Restsynapsen sich in aller Regel gegen Helme entscheiden. Es ist nicht das Ziel von Leuten, die Fahrrad mit Helm tragen, dadurch als stylisch angesehen zu werden. Deswegen setze ich den Helm auch nach dem Radfahren ab. Stylisch sieht man aus, wenn man in einem schönen Seidenkleid auf einer Ottomane ruht oder im maßgeschneiderten Smoking mit Monika Bellucci Kaffee trinkt. Radfahrer sehen mit und ohne Helm nicht stylisch aus. Rotgesichtig durch Abgasschwaden strampelnde, verschwitzte Äffchen auf rostigen, quietschenden Blechhaufen, denen der Himmel mitten ins Gesicht pisst, sehen aber auch ohne Helm nicht stylisch aus.

Ich trage den Helm, und jetzt kommt für meisten offensichtlich eine riesige Überraschung, um meinen Kopf zu schützen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Knochen wächst der Schädelknochen besonders schlecht zusammen. Und im Gegensatz zu Verletzungen der meisten anderen Organen, führen Verletzungen des unter dem Helm liegenden Organs in der Regel zu starken Einschränkungen der Lebensqualität. Natürlich gibt es zahlreiche Verlaufsmöglichkeiten, in denen der Nicht-Helm-Träger diese Einschränkungen der Lebensqualität selbst gar nicht unmittelbar wahrnimmt, das macht die Sache für seine Angehörigen oder Pflegenden oder Hinterbliebenen, je nachdem, aber kein bisschen besser.

Alle Untersuchungen des Themas haben ergeben, dass schwere Schädel-Hirn-Traumata durch das Tragen von Helmen reduziert werden können. Das ist einerseits der Grund, warum ich einen Helm trage und andererseits der Grund, warum ich die permantenen Wiederholungen der kritischen, witzigen, höhnischen, herablassenden und so weiter Kommentare dazu nicht verstehen kann. Wenn ich das Risiko, unstylish zu wirken mit dem Risiko vergleiche, stylish früh zu sterben, nehme ich jederzeit unstylish in Kauf. Das beste Argument gegen das Helmtragen hörte ich einmal von einem Zivildienstleistenden, der sich über mich lustig machte. Sein Hobby war Cross-Country-Mountainbiking.

Höhö“, sagte er, „ich fahre wirklich jedes Wochenende Fahrrad. Durch den Wald, durch die Berge, im Gelände. Ich habe mir so ziemlich schon alles gebrochen, was man sich brechen kann, aber niemals den Kopf. Ist doch voll sinnlos so ein Helm.“ In seinem Fall habe ich das sogar eingesehen, schob ihm aber dafür einen Organspendenausweis zu. Ich hatte keine Lust, ihm zu erklären, dass man sich durchaus dreimal beim Radfahren seinen Arm brechen kann und ein paar Wochen später wieder auf dem Sattel sitzt, dass es aber bei Schädel-Hirn-Traumen in der Regel anders läuft.

Was ist der Sinn meiner Rezensenten, was wollen sie von mir? Warum wünschen sie sich, dass ich helmlos durch die Stadt fahre, oder den Helm doch zumindest auf kurzen Strecken absetze? Wünschen sie mir den indirekten Tod? Ich will es zugunsten der vielen Kommentatoren nicht glauben. Ich glaube mittlerweile, dass mein Helm sie unangenehm an die Zerbrechlichkeit ihrer Schädel erinnert und dass es ihnen daher lieber wäre, ich würde ihnen den Blick in diesen Spiegel ihrer Zerbrechlichkeit ersparen. Von mir aus sollen sie glauben, dass ihnen beim Radfahren nichts passieren kann, schließlich müssen die Unfallchirurgen auch von irgendetwas leben. Aber das ist ein weiteres brüchiges Glaubenssystem, für das ich keinen Preis zu entrichten bereit bin.

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https://blogs.taz.de/reptilienfonds/2014/03/31/kleidung-mit-kommentarfunktion-ich-und-mein-fahrradhelm/

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kommentare

  • @burba, naja, der kommentierte artikel unterstellt dummheit bei nicht-helmträgern, da nimmt man automatisch die gegenposition ein. Insbesondere dann, wenn man sich über eine helmPFLICHT vorher aus gegebenem anlass (Gerichtsurteil zum unfall ohne helm) eh schon seine gedanken gemacht hat.
    davon ab lässt der leicht eingeschnappte und rechtfertigende ton des artikels darauf schließen, das der autor selbst ein wenig zweifelt, ob er nicht tatsächlich das helmtragen mit coolnessverlust bezahlt.
    es passt nicht mehr wirklich in die zeit (und ist auch nicht wirklich ok), aber männer mit gesteigertem sicherheitsbedürfnis werden schon immer leicht amüsiert von der seite angesehen. da steht man dann drüber oder man passt sich an, aber mit gekränktem rechtfertigen macht man es noch schlimmer.

  • Nun ja – wenn man ständig Angst haben muss, durch einen Sturz mit dem Fahrrad ein Schädel-Hirn-Trauma erleiden zu müssen, sollte man aber auch als Fußgänger Helm tragen – schließlich besteht auch da jederzeit die Gefahr zu stürzen oder durch unachtsame Verkehrsteilnehmer beim Überqueren der Fahrbahn angefahren zu werden.

    Und dass Rennfahrer auch im Auto mit Helm unterwegs sind – trotz Sicherheitsgurten – das sollte einem auch zu denken geben. Ohne Helm im Auto? Unverantwortlich. Was im Profi-Sport üblich ist, sollte doch Vorbild für den Alltag sein, oder nicht?

    PS: Ich fahre schon mein ganzes Leben lang im Alltag ohne Helm Fahrrad und bis jetzt (ich habe die 40 schon länger hinter mir) habe ich dadurch auch keinen Schaden davongetragen, trotz einiger Stürze, die ich in über 35 Jahren durchaus auch schon erlebt habe. Mein Opa hat das auch fast 80 Jahre so gehalten und hat ebenfalls nie einen Unfall gehabt, bei dem ein Helm irgendwas gebracht hätte.

  • „Aus meiner Sicht gibt es zwei relevante Gründe für den Helm. Erstens hat er sich in allen Radsportklassen durchgesetzt, vom Rennrad über Mountainbiking bis BMX fährt kein Hobby oder Profisportler ohne Helm.“
    Auch in allen Motorsportklassen fahren Autofahrer mit Helm. Ist das jetzt ein Grund für die Helmpflicht im Auto?

  • Wenn ich die Kommentare lese, stelle ich fest, dass hier der gleiche Effekt zu sehen ist, den der Autor des Artikels anspricht: Leute, die keinen Helm tragen, mokieren sich wortstark über die, die es für sinnvoll halten.
    Da frage ich mich doch, warum?

  • Das Problem von allen Schutzsystemen liegt darin, dass sie nicht immer funktionieren und in einigen Fällen sogar negative Folgen haben.
    Aber beim Auto diskutiert heute auch niemand mehr ob Gurt und Airbag Sinvoll sind oder nicht?!
    Ähnlich ist auch mit dem Fahrradhelm. Jedem Radfahrer solle klar sein, dass er ein einspuriges Fahrzeug bewegt, dass nur durch die Kreiskräfte stabil gehalten wird. Wird dieses System gestöhrt, ist die Stabilität dahin und der Schwerpunkt strebt in die energertisch günstigste Lage (zum Boden).
    Letztlich muss jeder selbst entscheiden ob er mit oder ohne Helm unterwegs ist. Aus meiner Sicht gibt es zwei relevante Gründe für den Helm. Erstens hat er sich in allen Radsportklassen durchgesetzt, vom Rennrad über Mountainbiking bis BMX fährt kein Hobby oder Profisportler ohne Helm.
    Zweitens, wenn das Argument mit der Rotationsbeschleunigung durch den vergrößerten Kopfumfang zutreffen würde, dann müssten Motorradfahrer reihenweise Genickbrüche haben. Hier treten ja noch mal deutlich größere Kräfte auf.
    Wie gesagt, letzten Endes muss jeder das für sich entscheiden.

  • Der Autor ist anscheinend hauptsächlich angepisst, sich rechtfertigen zu „müssen“, obwohl er es doch ist, der das einzig vernüntige und richtige tut.

    Könnte es sein, das die Kommentatoren nicht den Glauben des Autors an die Wirksamkeit der typischen Alien-Styroporschale teilen?

    Aus einigen zizierten Kommentaren wird dies ja deutlich.

    Für den Autor ist es sonnenklar, das ein Helm was tolles ist und ihn schützt. Darum müssen alle anderen, die nicht dieser Meinung sind entweder
    – dumm (wer-möchte-sein-Gehirn-nicht-schützen-?-Argumente)
    – lebensmüde (Organspende-Ausweis-Seitenhieb)
    – ignorant (Zebrechlickeits-Philosophie-Schwurbel-Argument)
    sein.

    Ich fahre im Winter auch meist mit Helm auf dem Fahhrad, aber mir würde es nie einfallen, so eine triefende Arroganz gegenüber Leuten durchscheinen zu lassen, die mich darauf ansprechen.

    Das Gefühl und Einzeltests sagen einem zwar, das ein Helm schützt. „Alle Untersuchungen des Themas“ auf Länderebene oder größer konnten eben nicht eine Minderung des Risikos durch Radfahrerhelme belegen.

    Man sollte sich also nicht alzu weit aus dem Fenster lehnen und andere für blöd erklären, sowie man sich nicht über Helmträger lustig machen sollte.

  • Ich habe mir im letzten Jahr das Genick gebrochen und es gibt ein mehrseitiges Gutachten, dass ich definitiv gestorben wäre, wenn ich einen Helm getragen hätte. Eben genau durch diese Hebelwirkung des vergrößerten Kopfumfanges. Allerdings fahre ich jetzt mit Helm – oder besser gesagt mit Airbag. Es ist der Hövding der schwedischen Designerinnen. Er wird wie ein Schal umgelegt und stützt im Falle eines Falles auch den Nacken und hüllt den ganzen Kopf ein. Durch den Airbag wird der Sturz deutlich gemindert. Ferner wird auch der Nacken gestützt. Also das Ding kann ich uneingeschränkt empfehlen! Liebe Grüsse Steffi

  • So ganz einfach ist m.M.n. die vorgestellte These nicht: Zitat:

    Alle Untersuchungen des Themas haben ergeben, dass schwere Schädel-Hirn-Traumata durch das Tragen von Helmen reduziert werden können.

    Das ist viel zu einfach gedacht. Ein Bauhelm auf einer Baustelle schützt gegen schwere Schläge von oben auf einen statischen Kopf. Das ist einfach. Ein Fahrradhelm vergrößert allerdings den Kopfumfang, d.h. er vergrößert den Hebel der angreifenden Kräfte, wenn ich vom Fahrrad herunterfalle (in der Regel in einer vorwärtsgerichteten oder rotierenden Bewegung). Damit vergrößert der Helm das Risiko, dass ich mir das Genick breche, dass die größeren Kräfte am Halswirbel zu einer Schädigung des Zentralnervenstranges führen etc. Und der Helm vergrößert das Risiko, irgendwo beim Sturz hängen zu bleiben (mit Helmkante oder Helmriemen), wo man ohne Helm noch mal einfach vorbeigerutscht wäre (daher ja auch Fahrradhelme absetzen auf dem Spielplatz). Und bei einem dieser klassischen Helme, die die Rennradler fahren (mit aerodynamischem Bürzel hinten) gehe ich davon aus, dass der Bürzel mir bei einem Sturz auf den Hinterkopf ganz klar das Genick bricht. Ebenfalls ist ein Bruch des Schädelknochens auch noch lange nicht tödlich (auch dabei nimmt der Schädel ja die Kräfte auf). Viele, viele Einflüsse, die man schlicht und ergreifend kaum vorhersehen kann.

    Und wenn ich mir Sorgen machen würde wegen der Zerbrechlichkeit irgendwelcher Knochen, dann zu allerletzt um den Schädel, Der ist auf grund seiner Kugelform viel, viel stabiler, als Waden- und Schienbeine, Ellenbogen und vieles mehr.

    Ich habe nichts dagegen, wenn jemand meint, sein Risiko durch Helmtragen zu verringern und daher einen Helm trägt. Allerdings finde ich, dass die permanente Überhöhung des Risikos ohne Helm, die durchaus von Versicherungen, der Autofahrerlobby und manchen mehr betrieben wird, halt nichts taugt. Warum prüft z.B. der ADAC (= ein Automobilclub) in D-Land Fahrradhelme und betreibt Helmpropaganda? Man darf da schon mal das Interesse dieser Einrichtungen hinterfragen. Ich empfinde es mittlerweile auch eher umgekehrt: Kaum ein Fahrradunfall, wo nicht in der Zeitung oder von der Polizei hinterhergeschoben wird: Der hatte keinen Helm auf. Und das immer ohne Angabe von irgendwelchen Hinweisen, an denen man abschätzen könnte, ob der Helm denn überhaupt etwas genutzt hätte.

  • Als ob durch die Bundesmerkel und den Bundesfeldgauck nicht schon genug neoatlantisches Konvertitentum existierte, kommt jetzt noch ein „verschwitztes Äffchen“ mit nichts als einem Stapel unverstandener Seattle-Studienderivaten in der Tasche, beschwert sich über entrüstete Europäer und unterstellt wahrheitswidrig, Unfallchirurgen würden sich vor allem um Kopfverletzungen von Radfahrern kümmern. Dann wähle ich doch lieber – frei nach Adenauer – die Freiheit, mich gegenüber metrosexuellen Amerikanern verdächtig lupenrein präpostheroisch zu geben:
    thelookingspoon.com/images/blog/2013/obama_putin_riding_horseback.jpg

  • Du, Jakob, was ich dir immer schon mal sagen, wollte, gerade weil ich glaube, dass es sich sonst einfach niemand traut, dir zu sagen: Diese Fahrradhelme, die du trägst, sehen echt Scheiße aus. Fast so Scheiße wie der Bart vom Witte, die Brille vom Hannemann, die T-Shirts vom Werning und die Redneck-Koteletten vom Ahne. Aber das bekommen die ja eh ständig zu hören — das muss ich hier ja eigentlich nicht noch extra erwähnen.

    Herzliche Grüße von eurem Style-Berater,

    Anselm

  • Auch immer wieder schön zu lesen ist
    http://www.hannelore-kohl-stiftung.de/presse/pressemitteilungen/pm_2007_02_helmpflicht_prof_bock.html
    mit „Annähernd 85% der schädelhirntraumatisierten Fahrradfahrer trugen keinen Helm.“. Hier fabuliert der werte Herr Professor, dass mit einer Fahrradhelmpflicht eben diese 85% vor Verletzungen geschützt werden sollen – sieht aber nicht, dass eben 15% wohl einen Helm aufhatten… Bei (damals) deutlich unter 10% Tragequote eine deutliche Überrepräsentiertheit der Helmträger… Auf eine Rückfrage meinerseits bei der Stiftung bekam ich nie eine Antwort…

  • Ein Fahrradhelm ist doch kein Bekleidungsstück, sonder Teil der Fahrradausrüstung. Du hast ihn ja nicht auf, wenn Du nicht fährst.

    Ansonsten find ich einen Helm schon sinnvoll, setze mir aber auch keinen auf. Vor allem weil ich gar nicht fahrradfahre, sondern laufe und mit den Öffis fahre. Aber früher auf dem Moitorrad …

    Und meine Kinder tragen selbstverständlich verpflichtet einen Helm beim Fahren auf dem Fußweg. Was daran liegt, dass sie Gefahrensituationen nicht so kommen sehen wie ich als Erwachsener und sich also nicht vorbeugend verhalten können. Als Erwachsene können sie das wahrscheinlich und dürfen dann selbst entscheiden. Eltern, die ihren Helm nur tragen, weil sie das ja auch von ihren Kindern verlangen, sind Hampelmänner.

  • Woher kommt nur diese tiefgehende Angst, beim Fahrradfahren auf den Kopf zu fallen? Seit ich vor 30 Jahren meine Blechdose abgeschafft habe, lege ich viele Wege mit dem Fahrrad zurück, und das in der Großstadt mit ihrem dichten Verkehr. Diese geradezu existenzielle Angst habe ich noch nie empfunden, und bei den paar Stürzen, die mir passiert sind, bin ich auch nie auf den Kopf gefallen. Ich halte es da eher mit den Niederländern, die über solche Ängste und die damit verbundene Sicherheitsmanie nur lachen. Die fahren auch einfach Fahrrad, ohne auf den Kopf zu fallen.

    http://www.fahrrad-helm.de
    http://myhome.iolfree.ie/~hardshell
    http://fahrradzukunft.de/14/
    http://mucradblog.wordpress.com/2014/02/22/chris-boardman-mbe-uber-radhelme/
    http://www.taz.de/Standpunkt-Fahrradhelm-und-BGH/!134611/

  • hallo herr hein, danke fuer den text, sehr erheiternd, schoen geschrieben.
    ich trage keinen helm und bin auch dagegen, sich ueberhaupt zu der tragepflicht zu aeussern, das ist nur eine lahme hochgekochte debatte ohne irgendeine basis (wissenschaftlich untersucht nimmt die sicherheit bei der tragepflicht ab) weil wenn die kommt, waehl ich nur noch konsequent die fdp, weil ich will meine freiheit.
    aber in welcher stadt leben sie eigentlich? dass helmtraeger immer und ueberall auf den helm angesprochen werden? ist ja unfassbar bieder. aber ich teile ihr leid, ich bin auch schon oefters wegen des ´fehlenden´ helms angesprochen worden.

  • @Blume
    Es mag ein jeder, wie er will. Und wenn wider alle Erfahrungen Menschen glauben, dass so eine keinerlei TÜV-Prüfungen bestehende Plastemütze ihnen hilft, dann dürfen die das natürlich glauben und eine solche tragen. Das ist keine Frage. Und es mag sogar pro Jahr zwei oder drei Unfälle geben, bei denen der Schutz dieser Mütze nachgewiesen werden kann.

    Sie sprechen übrigens ein weiteres hübsches Problem an. Wenn sich Erwachsene schon mit einem Helm schützen müssen, dann frage ich mich, wie Kinder auf so einem wackligen, gefährlichen Fahrrad festgeschnallt und transportiert werden können bzw. dürfen? Es soll allerdings schon Eltern geben, die ihre Kinder nur mit Sturzhelm auf den Spielplatz lassen…

    Die weitaus meisten Unfälle geschehen übrigens im Haushalt. Auch tödliche. Auch Kopfverletzungen. Was nun? Soll unbemützt der Versicherungsschutz wegfallen? Da eröffnen sich doch prima Verdienstmöglichkeiten.

    Wieso darf man überhaupt noch ohne Sturzhelm oder andere „Sicherheitsausrüstung“ rumlaufen? Irgendwie unlogisch.

    Mein Problem beim Radfahren sind im wesentlichen die Auto- und Motorradfahrer, die mich fast permanent gefährden. Gestern reichten einem solchen geschätzte 30 cm seitlicher Abstand zum Überholen.

    Aber was rege ich mich auf. Gibt ja noch ein paar ernste Angelegenheiten.

  • @Herbert
    In dem Spiegelartikel geht es eher um den Umstand, dass eine Helmpflicht vermutlich zu weniger Radfahrern führen würde, was dann zu stärkerer Autonutzung führen würde, was dann wieder eine höhere Belastung für die Umwelt wäre. Und natürlich die Aussage, dass ein Helm nicht in jedem Fall bei einer Kopfverletzung schützt, aber eben immer noch statistisch gesehen bei jedem zweitem.
    Und Herr Hein sagt ja klar, worum es ihm geht: Unfälle sind nicht das Problem, Unfälle mit SChädel-Hirn-Trauma sind sein Problem. Ein Arm wächst zusammen, eine Wunde heilt, aber wenn ich ungebremst auf den Kopf falle, weiss man nicht, ob das wieder wird.
    Natürlich wird mich ein Helm nicht schützen, wenn ich bei einem Umfall massive innere Blutungen habe. Aber bei einem Sturz schon. Und deswegen werde auch ich weiterhin einen Helm tragen und mich nicht eingeschränkt fühlen, wie auch der Großteil meines Bekanntenkreises, da es dort vor Jahren eben zu einem Unfall ohne Helm kam. Die Hirnblutung wäre damals zu vermeiden gewesen durch einen Helm.
    Und was mich persönlich sehr interessiert: viele Eltern, die ihr Kind entweder hinten im Kindersitz auf ihrem Rad haben oder mit ihrem Kind gemeinsam Rad fahren, haben keinen Helm an, das Kind aber schon. Kann man mir das erklären? Das Kind lernt dann, dass wenn es groß ist, keinen Helm mehr braucht, aber als Kind schon?

  • Naja…mit dem Helmtragen sollte es jeder nach eigenem Gusto halten; fest steht jedoch, das es bei den Radfahrern mittlerweile trotz Helm prozentual häufiger zu Kopfverletzungen kommt als noch vor 10 oder 15 Jahren.. stellt sich die Frage nach dem warum…der beste Schutz ist nach wie vor ein eher passiver, vorausschauender Fahrstil…also nix “ mit dem Rennrad durch NY“…wer sich in die Gefahr begibt….

  • Träumen Sie ruhig weiter, Herr Hein. Es ist auf jeden Fall eins der Menschenrechte. Ein Ganzkörperpanzer sollte in Ihrer Kausalkette übrigens dann auch die anderen Körperteile schützen. Am besten so ca. 20 cm dicker Schaumstoff rundrum. Und wieso tragen Fußgänger keinen? Keine Verletzungsgefahr? Oder wie sieht es mit den Kopfverletzungen bei den Autofahrern aus?

    Als Psychiater sollten Sie doch wissen, dass Sicherheit im und nicht am Kopf beginnt bzw. organisiert wird.

    Zur Unterhaltung mal noch einen aktuellen Link:
    http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/fahrradhelm-pflicht-in-deutschland-braechte-mehr-schaden-als-nutzen-a-961657.html

    MfG

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