vonannette hauschild 09.07.2022

Sauerländische Erzählungen.

Annette Hauschild berichtet Interessantes und Wissenswertes über Strafverfahren sowie Weiteres aus dem Feld der inneren und äußeren Sicherheit.

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Andrij Melnyk war bisher immer für eine Aufregung gut. Der Mann ist Diplomat, genießt diplomatische Immunität, ist daher  sakrosankt. So wie er sind nicht mal die US-Botschafter aufgetreten, und die Russen auch nicht. Die haben sich zwar in Bonn gegenseitig und die Bundesregierung noch mit dazu ausspioniert, aber das wars auch.

Diplomaten haben in Bonn z.B. , als die Stadt noch Regierungssitz war, Ordnungswidrigkeiten begehen können, ohne dass sie belangt werden konnten. Zu schnell gefahren? Ach so, Autokennzeichen fängt an mit  00, die Knöllchen konnte man sich direkt sparen. Diplomatensohn bekifft am Steuer? Anzeige zwecklos.

Das sind so Dönekes, die man sich hier immer noch gern erzählt. Aber Beleidigungen, auch noch in der Öffentlichkeit, den Medien, das gab es hier nicht. Und wenn doch mal, dann wurden sie höchstens hinter vorgehaltener Hand kolportiert, aber nicht von den Medien, nicht mal vom Boulevard, breitgetreten. Das gehörte sich einfach nicht. Twitter, den Direktvermarktungskanal der persönlichen Meinungen und Ansichten,  gab es damals ja noch nicht.

Wie erfrischend jetzt der Botschafter! Immer frisch von der Leber weg Leberwürste beleidigen, den Kanzler vor den Kopf stoßen, Staatssekretäre, die nicht seiner Meinung über die Kriegsursachen sind als „A…h“ titulieren, immer mehr Panzer fordern, und vor nichts und niemandem Halt machen, außer vor der Dame Annalena. Das kracht im Blätterwald und alle denken, „warum sagt der Kanzler denn nix dazu“?

Noch weitere Sprüche hat der Botschafter auf Lager: »erbärmlicher Loser« für einen Brigadegeneral, der vor einem Atomkrieg gewarnt hatte, »Klappe halten« für Fabio de Masi, einen Linken-Bundestagsabgeordneten und Finanzfachmann, »pseudointellektuelle Versager« sind nur ein paar aus seinem schier unerschöpflichen Schimpfwortschatz.

Nun ja, wer Schimpfworte so gezielt einsetzen kann, der beherrscht eine Sprache wirklich.

Damit hat Andrij Melnyk sich den Respekt von Hans Georg Maaßen, ex-Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz und AfD-Politikberater, redlich verdient. Der sagte über ihn: „Guter Mann, macht einen guten Job.“ Der Meinung bin ich auch. Wer nur schimpft und rügt, der macht die Leute bockig, verspielt im Endeffekt sehr viel Sympathie und das nicht nur für sich, sondern auch für seine Sache. Man sieht es ja: die Panzer kommen einfach nicht so schnell, das wiederum spielt den Friedensaposteln in die Hände.

Gott sei Dank ist er nicht auf die Idee gekommen, es mal mit Streicheleien zu versuchen. Lob spornt ja an, wie jeder weiß, der mal mit Erziehung von widerspenstigen Kindern zu tun hatte. Öfter mal etwas Nettes sagen, statt immer nur zanken und rügen. Das freut die Leute und spornt sie an. So haben die Grünen ja auch ihren Wahlkampf gewonnen. “ Mit Euch schaffen wir es“ anstatt „ihr Schlappschwänze, helft uns endlich!“ Das ist eine viel gefährlichere Parole, denn  die Leute wollen das hören und glauben  und machen begeistert mit! Vielleicht kommen die Panzer dann ja schneller und ohne viel Aufsehen.

Gibt es eigentlich noch den Strafrechtsparagrafen „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes?“ Der war früher sehr beliebt, um missliebige Plakate auf Demos  konfiszieren zu können. Da ging es immer um das Ansehen und die Interessen der Bundesrepublik. Gilt das auch für Diplomaten? Denn der deutsche Kanzler ist für die ja auch ein ausländisches Staatsoberhaupt.

Ich weiß ja nicht, ob es in der Ukraine oder in Russland üblich ist, so mit Gastgebern umzugehen, wie Melnyk es tut. Obwohl, schon vor dem Krieg sind mir Ukrainer gerne mal mit  überaus forschem und forderndem Auftreten aufgefallen, anders z.B. als Menschen aus Moldau, Kasachstan, Russland oder anderen ehemaligen russischen oder Sowjetrepubliken.

Hat das was mit der Kosakentradition des bewaffneten Kampfes in der Ukraine zu tun? Oder doch eher mit dem historischen Bandera-Erbe?  Ein Tourette-Syndrom scheint es ja nicht zu sein, oder? Mir scheint auch, dass Melnyks Vorgesetzte das nicht ganz so gut können wie er, obwohl Außenminister Kuleba sich bemüht, in seine Fußstapfen zu treten. Ob Melnyk jetzt wirklich nach Kiev zu Höherem berufen wird? Wäre schade für uns. Dann würde es hier wieder langweiliger werden.

 

 

 

 

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