Die CO2-Preise müssten mindestens verdoppelt werden, wenn man es mit dem Klimaschutz ernst meint, schrieb Deutschlands bekanntester Klimaökonom Otmar Edenhofer letzte Woche im SPIEGEL. Gleichzeitig beherrschte der Anstieg der Energipreise die Medien, und plötzlich ging es um das Gegenteil: Wie die Kosten für fossile Brennstoffe durch Subventionen für BürgerInnen und Industrie gesenkt werden könnten. Bis am Montag die Bundeskanzlerin selbst eine alte Parole wieder aufgriff und einen globalen CO2-Preis forderte. Was die künftige Regierung vor hat, weiß man zwar noch nicht. Dass sie eine Lösung für das vertrackte Rätsel findet, wie der Klimawandel richtig zu bepreisen wäre, ist kaum zu erwarten.
Der ökonomische Laie wundert sich über die Verwirrung. Die Gaspreiserhöhung der letzten Monate, um nur dieses Beispiel zu nennen, kam mindestens einer Verdreifachung des von der alten Regierung beschlossenen CO2-Preises pro Kilowattstunde Erdgas (ca. 50 Eurocent) gleich. Kann die Politik da wirklich noch einen doppelten CO2-Preis obendrauf packen? Oder eine Subvention, um die Kosten wieder zu senken? Den Preis je nach Marktlage anpassen? Oder anders gefragt: Kann es sein, dass die klimaökonomischen Berechnungen einen gewissermaßen „natürlichen“, relativ niedrigen Rohstoffpreis für selbstverständlich halten? Dass sie auf Rohstofflieferanten vertrauen, die ihre Interessen nicht durch Erpressung sichern oder z. B. versuchen, die mit Klimaschutz begründeten Energiekostensteigerungen in die eigenen Taschen zu lenken? Um von den unendlich komplexen Folgen, Nebenfolgen und Neben-Nebenfolgen des extrem unwahrscheinlichen Instruments globaler CO2-Preis nicht zu sprechen. Für dessen Wirkung bekanntlich, Elinor Ostrom, Trägerin des Wirtschaftsnobelpreises und strenge Kritikerin von ökonomischen Theoriekonstrukten, hat darauf hingewiesen, jede empirische Erfahrung fehlt.
Allerdings zweifelt sie nicht daran, dass ökonomische „Anreize“ tatsächlich wirken – und es dumm wäre, auf sie zu verzichten. In Deutschland zeigt das die Geschichte der Erneuerbaren Energien. Die Garantiepreise für Solar- und Windstrom haben einen Markt geschaffen, eine exponentielle Entwicklung ermöglicht und eine Kette von Innovationen in Gang gesetzt. Das war möglich, weil sehr gezielt Anreize gesetzt und – zumindest in den ersten Jahren – nachgesteuert wurden. Allerdings: Wenn man Anreizstrukturen verändert, hat das soziale, ökonomische und letztlich politische Folgen. Bei einem Teil der BürgerInnen entsteht dann Stress – während andere profitieren.
Es ist deshalb mehr als fraglich, ob eine der wirksamsten (und für den Staat kostenlosen) Klimamaßnahmen es in den Koalitionsvertrag schafft: Die Verlagerung der Energiekosten von der Mieter- auf die Vermieterseite. Es wäre eine echte marktwirtschaftliche Maßnahme, zielgenau, erprobt, und, wie die Erfahrung in einem der führenden Industrieländer zeigt, mit großer Wahrscheinlichkeit hoch wirksam. Ordoliberalismus pur, gewissermaßen. Sie würde am Ende viel Geld kosten, aber nicht den Staat, nicht die Allgemeinheit, und auch nicht diejenigen, die wenig haben. Sondern den Teil der Gesellschaft, der über Vermögen verfügt – und in den letzten zehn Jahren eine Verdoppelung dieses Vermögens erlebt hat.
In Schweden muss die Vermieterin, nicht der Mieter für die Heizkosten aufkommen. Es gibt dort seit dem Jahr 2000 keine Kalt-, sondern nur eine Warmmiete. Wird über dieses Thema in Deutschland gesprochen, heißt es: um Gottes willen, dann heizen die Leute zum Fenster hinaus, also steigt der Energieverbrauch. In Wirklichkeit geschieht das Gegenteil: Der Gebäude-Energieverbrauch ist seit Einführung des Warmmieten-Modells (das mit langsam steigenden CO2-Preisen verbunden wurde) um 95 Prozent gesunken. Während hierzulande der Anteil der Gebäudeheizung an den CO2-Emissionen bei 14 Prozent liegt. Der weit überwiegende Teil der Heizkosten hängt nämlich von der Gebäudequalität ab. Der deutsche Thinktank Agora Energiewende hat darüber hinaus ein Modell entwickelt, bei dem MieterInnen für übertriebene Heizkosten selbst aufkommen müssen. (https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/?tx_agorathemen_themenliste%5Bprodukt%5D=2024&cHash=c61e62f88db1d68f210b4392f2f3598a). Nur: In Deutschland geben VermieterInnen sämtliche Heizkosten an die MieterInnen weiter. Auch ein verdoppelter CO2-Preis wird sie kaum motivieren, ihre Gebäude endlich zukunftsfähig zu machen.
Bei ökonomischen Instrumenten kommt es, wie bei allen staatlichen Regelungen, darauf an, dass sie zielgenau wirken. Natürlich ist es politisch einfacher, einen allumfassenden CO2-Preis als alleinseligmachendes „Instrument“ zu beschließen, weil dann angeblich alle betroffen sind. Nur: Wer wagt sich an die heilige Kuh der dysfunktionalen Lastenverteilung auf dem deutschen Immobilienmarkt? Obwohl es genau diese dysfunktionale Lastenverteilung war, die für die schlechte energetische Qualität des deutschen Gebäudebestandes gesorgt hat – und weiter sorgen wird.
Wer einen Hammer hat, sieht überall Nägel. In der deutschen Politik müssen alle Probleme mit Geld gelöst werden – auch solche, die sich dafür eher nicht eignen. Und wer das Gemeinwohl berücksichtigt, formuliert reflexhaft Ansprüche auf staatliche Extrazahlungen. Gebäudesanierung wird deshalb schon jetzt hoch subventioniert, ohne dass diese Subventionen die Ziele erreichen. ImmobilienbesitzerInnen haben in den letzten Jahren einen massiven, leistungsfreien Vermögenszuwachs erlebt. Warum sie nicht einen Teil dieses Zuwachses für die energetische Sanierung der Gebäude aufbringen sollten, ist kaum zu begründen.
Es gehörte zur DNA der bisherigen Bundesregierung, mit viel Subventionsgeld gegen ökonomisch fehlgesteuerte Strukturen anzurudern. Durch das Verschicken von immer größeren „Klimapaketen“ wollte sie den Eindruck zu erwecken, man könne die notwendigen Veränderungen als Geschenk verpacken, jedenfalls so lange, bis das staatliche Geld alle ist. Ob sich so die Klimaneutralität im Gebäudesektor herbeisubventionieren lässt, ist allerdings mehr als fraglich.
Und nein, die Wirkung von Klimainstrumenten hängt nicht davon ab, wie „teuer“ sie sind und wie „groß“ die Pakete. Oder was sie „uns allen abverlangen“. Sondern davon, ob sie die Fehlsteuerungen der fossilen Welt durch neue, klimafreundliche Strukturen ersetzen.
Wenn Sie gerade Schweden als Paradebeispiel für die Umlage der Heizkosten auf die Vermieterseite anführen dann sollten Sie vielleicht auch die Entwicklung in Schweden auf dem immobilienmarkt betrachten. In Stockholm ist die Warteliste bei Mietwohnungen etwa 230 Tausend Einträge lang, dem stehen etwa 1000 Neubauwohnungen entgegen. 4 Köpfige Familien auf 25m² und Familien in Studentenwohnungen sind dort an der Tagesordnung. Der Mietpreis wird zwischen den Kommunen/Städten und den Vermietern ausgehandelt. Es ist ein gigantischer Schwarzmarkt für Wohnraum entstanden, teilweise mit Zahlungen in Höhe einer Jahresmiete und mehr um eine Wohnung außerhalb der Wartelisten zu bekommen. Gerade bei solch sensiblen Themen erwarte ich von einer Redaktion dass man nicht einfach eine Behauptung übernimmt sondern diese Hinterfragt. So ist der Individuelle Energieverbrauch in Schweden immer noch Höher als in Deutschland, obwohl die zugrundeliegenden Standards höher sind, ebenso ist es de Fakto nicht so dass Mieter nicht an den Herstellungskosten einer energetischen Sanierung beteiligt werden, in Schweden gibt es unzählige Modelle dafür, wie z.b. die gemeinsame Entscheidung von Mietern eine bestimmte Technik im Gebäude einzusetzen und diese über die Miete umzulegen, es ist also mitnichten so dass der Eigentümer grundsätzlich die Sanierungsmaßnahmen bezahlt. Ihre Darstellung dass die „Warmmiete“ in Schweden ein funktionierendes Modell darstelle entbehrt also jeder Grundlage, übertragen auf Deutschland wäre hierzulande eine Warmmiete durchaus Möglich, dafür müssten aber hunderte Gesetze und Verordnungen angepasst werden, vom Steuerrecht über Abrechnungsverordnungen bis hin zur Wohnimmobilienfinanzierungsrichtlinie um auch älteren Vermietern (die keine Kredite mehr bekommen) die Aufnahme von Krediten für eine energetische Sanierung zu ermöglichen.