vonErnst Volland 09.08.2022

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

Mehr über diesen Blog

Pankow ist bekannt für sein schönes Rathaus und für seine standesamtliche Zeremonie.

Meine Wunschfrau hatte vor Jahren in der DDR genau in diesem Standesamt das erste Mal geheiratet. Die zweite Ehe mit mir fand also am gleichen Ort statt.

Mir ging das Lied „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, nach Pankow war sein Ziel“ durch den Kopf. Das vorgerückte Alter war sicherlich ein Grund, die Angelegenheit knapp zu gestalten. Keine Ringe, keine Blumen, keine Reden, keine Musik.

Darauf hatten wir uns verständigt. Ein Freund stellte sich als Fahrer und seine original Feuerwehr aus den 20er Jahren für die Anfahrt zur Verfügung. An den Straßen, auf den Bürgersteigen blieben die Leute stehen und fragten sich, wer da wohl in der Feuerwehr sitzt.

Wir winkten wie Prinz und Prinzessin. Zehn Verwandte und Freunde hatten sich eingefunden, am Abend zum Festschmaus sollten es Hundert werden.

Die Standesbeamtin bat uns in ihr Separe, um die Formalitäten zu klären.

Sie haben sich ja nichts besonderes gewünscht, keine Rede, keine Ringe, keine Blumen, keine Kerzen, nicht einmal festliche Musik. Es sind gerade Mozart Wochen. Wenn Sie wollen, spiele ich Mozart für Sie, gratis.“

Wenn Sie die Neunte von Mozart haben, dann gern.“, fragte ich.

Sie schaute in das Programm ihrer CD.

Nein, die Neunte von Mozart haben wir nicht, leider.“

Dann spielen Sie doch bitte die Vier Jahreszeiten von Mozart.“

Auch diese fanden sich nicht im Programm.

Sie drückte auf eine beliebige Taste und mit Mozartklängen betraten wir den Festsaal.

Beide standen wir, eng beieinander, direkt vor der Standesbeamtin.

Das Paar wünschte sich keine Rede, daher komme ich jetzt gleich zur Sache. Ich frage Sie jetzt Herr Ernst Volland. Wollen Sie diese Frau, Ihre Partnerin hier und heute heiraten?“

Ich überlegte, kaute die Frage in meinen Gedanken, zählte die Sekunden. Hinter uns räusperte sich die kleine Gruppe der Anwesenden. Meine Zukünftige blickte mich fragend an. Dachte Sie, hat er eine Amnesie, beginnende Demenz oder will er vielleicht überhaupt nicht?

Sekunden vergingen, weitere Sekunden, 31, 32, 33, doch dann rutschte mir ein JA! heraus. Jetzt wurde meine Partnerin gefragt, die umgehend mit JAAA antwortete.

In 20, 30 Jahren wird man die 10 Sekunden meiner Überlegung zum Ja bis zu einer halben Stunde ausdehnen. Ich bin da sicher. Ob die Ehe hält? Schaun wir mal.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/vollandsblog/2022/08/09/pankow/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert