vonWolfgang Koch 12.03.2007

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Rassismus kommt in Wien nie geradlinig daher. Diese niederschmetternde Geisteshaltung ist über viele Jahrzehnte ein derart kompakter Bestandteil der hiesigen Mentalität, dass sie in einer absolut Wienerischen Formen wuchert und gedeiht. Der Rassismus an der schönen blauen Donau ist brutal verschlagen, er ist verlogen bis hin zur öffentlichen Unaufrichtigkeit. Es gibt in Wien keine »nationalen« Aufmärsche in gewachsten Stiefeln, nein! Bei uns kleben auch keine Wahlplakate mit blonden Babyköpfen und markigen Sprüchen wie in Berlin! Hier hat das Finstere einen unnachahmlich süssen Schmelz.

Sicher, es gibt auch in Wien diese feigen auf Strassenbahnsitze geschmierten Worte »Nigger raus!« – das ist der meuchelwütige Protest der ewigen Fremdenhasser; aber davor und dahinter gibt es eine monströs-heuchlerische Argumentation, wenn es darum geht, dass die eingesessene Bevölkerung einen weiteren Sturmdamm gegen die Migrantenflut errichtet.

Rassismus … ein hartes Wort, gewiss. Aber: Wie bitte würden Sie behördliche Vertreibungsmassnahmen gegen Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien nennen? Welchen Terminus bieten Sie mir denn an für die Verdrängung der Schwächsten unter den Schwachen, die zufällig immer im selben Viertel stattfindet – nämlich nahe den roten Hochenburgen, also den Gemeindebauten, in denen seit fünfzig Jahren das Vorurteil mit stolzgeschwelltem Brust haust?

»Umwidmung öffentlicher Flächen«, schlagen Sie vor. Ich sage: Nein, dieser Ausdruck trifft die soziale Realität nicht, er schwindelt sich an den Folgen der politischen Entscheidung für den Alltag vorbei. – Hier geht es nicht um Raumplanung, wie man zu Hause in der eigenen Wohnung Möbel verrücken, hier geht es um ein folgenschweres Stadtdesign, das Leben erstickt oder ermöglicht. Ich nenne die baulichen Vorgänge rassistisch, auch wenn die hiesigen Grünen (die kritischsten Stimmen, die wir hier haben) das »absolut kontraproduktiv« und »einfach nicht richtig« finden. Ich nenne das Schliessen und Zumauern von sozialen Freiräumen, das fürsorgliche Erzwingen von Konformität mittels demokratischer Macht Aussonderungspolitik, weil sich der behördliche Zwang gegen eine demographisch klar abgegrenzte Gruppe richtet.

»Was man den Landstrasser Sozialdemokraten vorwerfen kann«, bescheidet mir die Oppositionskraft der Grünen, »ist, dass sie im Verkehrsbereich hauptsächlich Politik für AutofahrerInnen und insofern menschenfeindliche Politik machen, und das werfen wir ihnen auch vor. Sehr oft entscheidet der Bezirksvorsteher einfach auch über die Köpfe seiner eigenen Leute hinweg…«, schreibt mir Eva Lachkovics heute im Namen der Grünen Heinzelmännchen.

Worum geht es? – Es geht um einen exemplarischen Fall von Enteignung der Strasse im Wiener Fasanviertel. Das ist ein gürtelnaher Wohnbereich für tausende Menschen im tief zerklüfteten 3. Gemeindebezirk. Hier leben etwa zur Hälfte Zuwanderer & Neuwiener mitten unter den angestammten Familien und Pensionisten, hauptsächlich aus der Unterschicht und der unteren Mittelschicht. Das Gräzel liegt verkehrstechnisch günstig im südlichen Zentrum der Stadt, es war wohl früher einmal besser mit Nahversorgern ausgestattet. Der wichtigste Schulbau droht zu zerfallen, Hundekot stinkt täglich zum Himmel, und es gibt zwischen den Zinshäusern und Gemeindebauten keinen einzigen öffentlichen Park oder Spielplatz.

Soweit die triste Bilanz. Sie ähnelt vielen anderen Orten in der Donaumetropole. Die urbane Schieflage im Fasanviertel ist zweifellos weniger dramatisch als im 10., 15. oder im 16. Bezirk. – Was die Sache freilich so pikant macht, das ist diese rhetorische Hinterfotzigkeit, mit der sich im Fasanviertel alle paar Jahre der Scheinkonflikt Autos gegen spielende Kinder wiederholt.

Mitten durch den 3. Bezirk, müssen Sie wissen, führt die S-Bahn. Im Rahmen der Modernisierung dieser Strecke haben Bund, Gemeinde und ÖBB mit Millionenaufwand eine teilweise Überplattung der Trasse vorgenommen. Im Prinzip eine gute Sache! An der Ecke Fasangasse/ Obere Bahngasse ist dann in zweieinhalb Jahren Bauzeit ein schickes neues Areal entstanden: eine 150 Meter lange Überplattung der Geleise mit Parkplätzen, dahinter Sitzbänke und Blumentröge, sogar der berühmte Würstelstand »Zum Kleinen Sacher« hat an einem kleinen Kreisverkehr mehr Platz bekommen.

Das galt bis gestern. Nun wird ausgerechnet der Bereich, der bisher den Menschen vorbehalten war (vielen Jugendlichen, Kindern, die Fussball spielten, letztes Jahr standen auf der Platte sogar Tischtennistische) umgemodelt und die Parkfläche auf die ganze Fläche der Platte erweitert. Keine grosse Sache, gewiss (es geht um ein paar Sitzplätze an der Sonne und einen unregelmentierten Raum dazwischen) – aber eben doch ein planerischer Irrsinn, wenn man genau hinschaut.

Es existieren im Fasanviertel ausreichend Parkplätze, doch keinen einzigen verkehrsfreien Ort mehr, an dem sich Menschen unbeschwert aufhalten können, keinen Ort, an dem du deine Nase in die Luft strecken kannst, ohne überfahren zu werden, keinen Ort, an dem die Kids herumhängen können … Warum das so ist, darüber lassen wir uns von der Klubobfrau der Grünen Alternative Landstrasse aufklären:

»Wir haben mit dem Bezirksvorsteher über sein Vorhaben, das wir nicht gut heissen, gesprochen. Er hat gesagt, dass der Grund für die Umwandlung des Freiraums in Parkplätze Beschwerden der AnrainerInnen sind. Die regen sich über die Fußball spielenden Kinder auf. Irgend jemand hat ihm eine eingeschlagene Scheibe gezeigt. Und bei so etwas fallen dem Landstrasser Bezirksvorsteher immer nur Parkplätze ein. Wir hingegen überlegen uns gerade, wie dieser Raum zu einem echten sozialen Treffpunkt gemacht werden kann, ohne die Gefahr, dass Scheiben eingeschlagen werden. Das braucht natürlich mehr Überlegung und Zeit als die reflexartige Lösung des Bezirksvorstehers. Das umzusetzen wird zwar zäh werden, aber wir werden so viel Druck machen, wie möglich. Ausserdem sind wir gerade dabei, einen Frühjahrsmarkt auf der Rampe vorzubereiten. Damit wollen wir einen Anreiz schaffen, dass sich dort ein temporärer Markt –regelmäßig an einem Samstag Vormittag – etabliert. So ein Markt kann zur Nahversorgung beitragen, die Einkaufsstraße Fasangasse aufwerten und ein sozialer und kultureller Treffpunkt werden. Für diesen Markt haben wir bereits die Zustimmung des Bezirksvorstehers, der sogar bereit ist, dafür einmal einen halben Samstag lang sämtliche Parkplätze auf der Rampe zu opfern.«

© Wolfgang Koch 2007
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