vonWolfgang Koch 17.05.2012

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Die Wiener Fotografin Barbara Krobath, 53, hat sich längst einen Namen mit herausragende Reportagen gemacht. Seit 2006 realisiert diese Frau, die seit ihrem 12. Lebensjahr mit großer Hingabe Menschen fotografiert, auch Kunstprojekte im öffentlichen Raum. Heute prangt in Laa/Thaya eine weithin sichtbare Riesenhornisse als Fliesenbild auf einem Silo, im Stift Zwettl steht die überdimensionale Holzskulptur der »Strickliesl«, und auch in Wiens U-Bahnschächten hat die Künstlerin Spuren gelegt, mit denen sie mehr als bloß kulturelle Trauerarbeit leistet.

 

Letztes Wochenende installierte Krobath nahe dem Schutzhaus Eibel-Teichhütte im niederösterreichischen Bezirk Lilienfeld ein »Meditationskunstwerk« für Kühe. Dafür ordnete sie 300 Straßenpflöcke in »einer Art Kreisverkehr« auf der grünen Wiese an. Die Stichworte, die Künstlerin zu ihrem Werk gibt, weisen in Richtung Buddhismus. Das Mandala im Grünen möge die Konzentrationsfähigkeit der BetrachterInnen vertiefen, sagt sie, und generell die Ich-Anhaftung vermindern helfen.

 

Wie Thangkas gehören auch Mandalas zu Ikonografie des Mahāyāna, also der zweiten historischen Drehung des Buddha-Rades. Sie bestehen aus einer alternierenden Folge von ineinander geschachtenten Kreisen und Quadraten und gehen von der Ordnungszahl 4 aus. Buddhisten des Großen Fahrzeugs erblicken in solchen bunten Bildern einen Archetypus von universeller Gelten: ein Kosmogramm, das allerdings nicht nur Ordnung ausdrückt, sondern bei denen, die sich mit Buntstiften oder farbigem Sand daran zu schaffen machen, auch eine Ordnung schafft.

 

Jedes Mandala verfügt über eine äußere und eine innere Zone; es weist uns den Weg ins Zentrum. – Was dabei zu lernen ist? Nun, Praktizierende lernen dabei unter anderem, dass ihre Stellung als Individuum im Dharma der eines einzelnen Sandkorns im Mandala entspricht.

 

Auch Krobaths »Mandala für Kühe« vermag die Intuition für das Richtige zu schärfen. Allerdings weicht das Werk am steilen Hang doch beträchtlich von buddhistischen Sinnstiftungen ab. Das beginnt schon mit der Ordnungszahl, die hier 6 ist, und nicht 4. Das »Mandala für Kühe« ist außerdem ein Spezialfall der Drehsymmetrie, hier rotieren zwei kreisförmig angeordnete Blattfelder um einen Mittelpunkt.

 

Lässt man den Geist zunächst aufmerksam dem äußeren und dann dem inneren Kreis folgen, widerlegt das wie von selbst ein altes physikalisches Vorurteil: nämlich, dass ein in Schwingung versetzter Körper unter Vakuumbedingungen ewig im Zustand gleichförmiger Bewegung verharren würde. Die Dynamik des Mandalas behauptet das Gegenteil: das Objekt, in diesem Fall der Geist, wird mit der Zeit langsamer. – Ein Bremseffekt von impulsiver Gewalt, der sich in der physikalischen Welt freilich nur berechnen, nicht experimentell beobachten lässt.

 

Um dem Werk eine Krone aufzusetzen, bringt Krobath auch noch die Almtiere ins Spiel. Für wen hat sie denn das Mandala eigentlich geschaffen? Für die Wanderer, die es vom gegenüberliegenden Berg aus zufällig erblicken, oder für die Kühe, die zwischen den weißen Straßenpflöcken nach saftigem Gras suchen?

 

In Indien ist die Kuh ein Zeichen dafür, dass auch stumme Kreaturen den Schutz des Höheren bedürfen. Kühe sind eine Art Götterbeweis, oder anders formuliert: sie sind selbst ein Archetypus von universeller Geltung. Mahatma Gandhi hat die Kuh einmal »ein Gedicht des Mitleids« genannt. Das wird jeder, der eine indische Straßenkuh erlebt hat, gerne bestätigen. Niederösterreichisches Fleckvieher wirken aber eher wie »ein Gedicht der Sattheit« oder »ein Gedicht des Wohlstands«.

 

Wie auch immer; das Rind taugt stets für einen nicht-elitären Expressionismus. Der Fluxus-Künstler Wolf Vostell wollte einmal ein Exemplar in der Kölner Kunsthalle kalben lassen. Das hat nicht leider funktioniert; doch die Idee ist schlagend. So wie Hermann Nitsch Rinderschlachtungen in seine Orgien Mysterien Spiele mit einbezieht, also den verdrängten Tiertod sichtbar macht, so wollte Vostell in einer weiteren Eruption der Kunst den Geburtsakt der stummen Kreatur in das allgemeine Bewusstsein zurückholen.

 

Barbara Krobaths »Mandala für Kühe« gibt diesem Diskurs eine gewitzte Wendung. Sie belässt die Kuh, wo sie sich um diese Jahreszeit gewöhnlich schon aufhält, auf der Alm, und rhizomisiert das Tier mit dem Mandala zu einem Kunstwerk, an dem der Mensch nur mehr aus der vertracktesten Perspektive Anteil nimmt.

 

Ein solches Gefüge aus Natur und Formwillen lässt sich nicht mehr übercodieren, es verfügt – in Türnitz wohl auch gegen die »heilsamen« Hintergedanken der Schöpferin – über keine zusätzlichen Dimensionen, die zur Anzahl seiner Linien hinzukommen könnten. Es ist einfach, was es ist: Kunst.

 

© Wolfgang Koch 2012

 

Fotos: Barbara Krobath, Salomea Krobath

 

www.fliesenbild.net

 

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