vonWolfgang Koch 22.06.2018

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Der verdruckste Umgang mit den Anhängern des Koran ist ein fatales Kennzeichen der europäischen Gegenwart. Dabei sind die Missstände überall in der Union Politik und Medien seit vielen Jahren bekannt. Hunderte Hinterhofmoscheen werden unter dem Deckmantel von Kulturvereinen betrieben, Vertreter der liberalen Öffentlichkeit bagatellisieren den religiösen Extremismus unter den Migranten, Abschiebungen von Menschen ohne Aufenthaltstitel werden von Moscheegemeinschaften und NGOs systematisch hintertrieben und der moralische Hochmut der Moslems gegenüber der Mehrheitsgesellschaft in nahezu jeder Form toleriert.

In dieser Situation, die 2018 in praktisch allen Zentren Europas herrscht, erscheinen die Berichte des Diplomaten Gerhard Weinberger über die Islamisierung der tunesischen Gesellschaft wie ein Ruf nach konsequenter Regierungspolitik gegenüber den salafistischen Umtrieben in der Mitte unserer Gesellschaft.

Der studierte Philosoph war als österreichischer Botschafter in Tunis mit den Ereignissen der Arabellion nahezu täglich überfordert. Eindringlich berichtet er vom Einbruch der Gewalt im tunesischen Tourismus und auf den Hochschulen, dramatisch und lebensnah schildert er das Vernehmen der ersten staccatoartigen Schüsse in einem Hotelfoyer bei einer Tasse schaumbewehrten Cappuccios, und dann das Schreinen und Kreischen der Anschlagsopfer, das beim Knallen und Dröhnen der Gewalt kein Ende hat.

Ab 2006 wächst ständig Weinbergers Verdacht, »dass der Zusammenhang zwischen dem islamistischen Terror und der Grundlage, auf die sich dieser Terror beruft und mit der er seine Anschläge rechtfertigt, ein viel innigerer sein könnte als moderate Islamisten dies behaupten. Ein Gedanke, den zu denken, geschweige denn auszusprechen, im Grunde wohl in jedem muselmanischen Land fast völlig tabuisiert ist«.

Bei der Lektüre des Koran in zwei französischen Übersetzungen kommt in diesem Terrorzeugen Beklemmung hoch: »Ein Text, der in seinen Passagen für mich das gerade Gegenteil von dem zum Ausdruck brachte, was ich bisher mit Religion in Verbindung gebracht hatte: irgendetwas, das mit Liebe, Demut, Verständnis für den Anderen, Hilfe, Aufopferung und Hoffnung in schwierigen Lebenssituationen gebend zu tun hatte«.

Bald stellen sich dem Leser der Offenbarungen immer fundamentalere Fragen. Religion – was ist das überhaupt für ein Ding? Weinberger liest, diskutiert, und stösst dabei immer wieder auf denselben Widerspruch: Der Islam, der Koran, der »wahre Islam«, sei gegen Gewalt und für Frieden und Toleranz.

»Ich konnte dafür jedoch so gut wie keine Belege finden. Weder im Koran, dem direkten Wort Gottes, der von Aufrufen zu Gewalt, zum Bestrafen und von nicht endenden Drohungen gegen alles, was sich ihm nicht widerspruchslos unterwirft, nur so strotzt. Auch nicht in den Werken über den Koran, die ausser ganz wenigen, aus dem Zusammenhang gerissenen Versen nichts vorweisen können als eher bemühte Uminterpretationen der unendlich vielen kriegerischen Verse – acrobaties intellectuelles, intellektuelle Verrenkungen, nannte ich diese apologetischen Auslegungsversuche – und schon gar nicht im Leben des Propheten Mohammed selbst. Über die Geschichte der Ausbreitung des Islam ist vom Standpunkt einer vorgeblichen Religion des Friedens ohnedies nur der Mantel des Schweigens auszubreiten«.

Dieser wache Leser des Koran, dieser Analytiker seiner Feindschaften und Feindseligkeiten ist kein politischer Naivling. Er stand bereits über viele Jahre in Athen, Peking, Bangkok, Paris und Dakar auf diplomatischem Posten. Aber keine dieser Stätten hatte, wie Weinberger betont, sein Grundvertrauen in ein langsames, aber stetiges Einsickern von Vernunft und Aufklärung in das bunte Miteinander der Menschheit erschüttern können.

»Trotz aller Wendungen und Gegenwendungen, trotz unvermeidlicher Rückschläge würde sich weisen, dass es in der Geschichte dialektisch, und zwar in bester Hegel’scher Art, zugeht, dass der Pfeil der Geschichte letztlich – nicht immer und überall, nicht jederzeit und an jedem Ort wahrnehmbar, nach aufwärts zeigt«.

Die tunesische Realität belehrt diesen Autor sechs Jahre lang eines Besseren, enthüllt ihm den zerstörerischen Charakter der Attacken der Salafisten gegen ein friedliches, demokratisches Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Auffassungen. Anfang 2012 erlebt der Diplomat fundamentalistische Sit-ins, vorzugsweise vor dem Regierungsgebäude im Stadtzentrum, um der herbeigesehnten Scharia Nachdruck zu verleihen.

Was bedeutet die Scharia, der islamische Rechtskodex?»Atavistischen Regeln, die möglicherweise der Mentalität Mohammeds und seiner Zeit auf der arabischen Halbinsel entsprachen, die jedoch dem schon lange vor der Unabhängigkeit Tunesiens gültigen Strafrecht diametral entgegengesetzt sind, ja, ihm Hohn sprechen«.

Weinbergers betrübte Miene ist kein intellektueller Spleen, kein Leiden eines verwöhnten Abendländers am unverstandenen Fremden. Er muss in Tunesien ganz einfach morgens seine Kinder mit Bauchweh zur Schule bringen. Sie stellen ihrem Vater Fragen, auf die er sowenig eine Antwort hat wie anderen: »Was ist passiert? Warum stehen jetzt Panzer vor unserer Schule? Werden sie auch unsere Schule angreifen? Und vor allem und immer wieder: Warum tun die das?«

© Wolfgang Koch 2018

Gerhard Weinberger: Mit dem Koran ist kein Staat zu machen. Die Krise des Islam hautnah erlebt. 163 Seiten, ISBN: 978-3-99070-718-0, Wien: myMorawa 2018, 18,- EUR, www.mymorawa.com

Graphik: Yahia Boulahia

 

 

 

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