Eine ganz schön investigative Recherche, die Sprachblogger Anatol Stefanowitsch da durchgezogen hat. Da haben doch tatsächlich überzeugte Anhänger des Deutschdeutschen ihre eigenen Eindeutschungen von Anglizismen in die jeweiligen Wikipedia-Artikel eingeschleust, um über dieses Medium ihre Erfindungen in den Sprachgebrauch hineinzubekommen. Seit mehreren Jahren, völlig im Untergrund, und zwar nicht gegen Recht und Gesetz, aber gegen die Wikipedia-Regeln: Als Enzyklopädie sieht sich Wikipedia der Theoriedarstellung verpflichtet, nicht der Theoriefindung – persönliche Ansichten oder gar Feldzüge einzelner Autoren haben auf den Seiten nichts verloren.
Ich halte diesen Vorgang für deutlich bedenklicher als der Enthüller Stefanowitsch, der sich am Ende seines Beitrags sogar zu einem „Eins zu Null, liebe Sprachnörgler“ hinreißen lässt – womöglich, weil er eine romantische Ader hat, und Guerilla-Taktiken grundsätzlich positiv gegenübersteht, er nennt sie ja auch „Eindeutschungsguerilla“. Ich mag Guerilla inzwischen deutlich weniger, und diese ganz besonders nicht. Es handelt sich um eine ideologisch motivierte Undercover-Aktion, es handelt sich um den Missbrauch einer neutralen Institution für eine vermeintlich gute Sache, es handelt sich um ein Verhalten, das man gut englisch „gaming the system“ nennt: Wenn es da ein System gibt, das funktioniert, ob eine Enzyklopädie, ein Bewertungssystem oder eine Rangliste, finden die Oberschlauen einen Weg, wie sie das System überlisten können, um sich gegenüber den Unterschlauen einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil zu verschaffen. Solche Verhaltensweisen haben uns zuletzt die Weltfinanzkrise eingebrockt (u.a. durch die Überlistung des Bewertungssystems der Ratingagenturen), und sie zeugen von einem übersteigerten Selbst- oder gar Sendungsbewusstsein und einer tiefen Verachtung für den dummen Rest der Gesellschaft, der sich so leicht übertölpeln lässt.
Ich hätte nicht gedacht, dass man Sprachnörgler moralisch auf eine Stufe mit Investmentbankern stellen muss. Aber genau das ist die Konsequenz dieser Aktion.
@Lingu-Lümmel:
Dass Sie ein Faktenbeuger sind, müssen Sie gar nicht extra erwähnen – dazu reicht ja schon der mir faktenwidrig angedichtete Vorname Stefan. Die Anschuldigung, die Sie hier gegen Stefanowitsch und mich richten, ist allerdings eine Frechheit. Ich habe lange überlegt, ob ich Ihren obigen Kommentar gleich in den Mülleimer werfen oder doch freischalten soll. Ich habe mich für letzteres entschieden – allerdings zum letzten Mal. Weitere Ergüsse von Ihnen werde ich meinen Lesern ersparen.