vonMargarete Stokowski 15.10.2017

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Ich habe es in den letzten Tagen vermieden, über Nazis auf der Buchmesse zu schreiben, weil die sich das wünschen. Rechte Verlage und Medien verteilen Flyer, die suggerieren sollen, dass sie und ihresgleichen die Buchmesse längst übernommen haben, sie buchen – wie bereits in den Jahren zuvor – überdimensionierte Stände an prominenten Orten, sie verteilen Security-Mitarbeiter um ihre Stände und verteilen massig Plakate, die ihre Veranstaltungen ankündigen. (Letzteres auf der Leipziger Buchmesse wesentlich mehr als in Frankfurt.) Trotzdem haben sie aber auch dieses Jahr, ähnlich wie in den Jahren zuvor, nur einige wenige von mehreren tausend Ständen auf dem Messegelände. (Das soll das Problem nicht kleinreden, nur für diejenigen, die die Messe nicht kennen, zeigen: Große rechte Stände und Veranstaltungen gab es auch in der Vergangenheit schon, sie bilden in diesem Jahr keineswegs so etwas wie eine Übermacht. Es gibt immer noch mehr Stände mit Katzenkalendern als Nazis, freie Schätzung meinerseits.) Nach mehreren Vorfällen der Gewalt gegen antifaschistische Demonstrant_innen gibt es nun ein Statement von Buchmesse und Börsenverein, das hier nachzulesen ist. Es ist nicht vollkommen falsch, aber es ist überhaupt keine klare Distanzierung von rechten Positionen, eher eine Ausflucht. Natürlich verurteilen sie Gewalt im eigenen Haus, aber das ist nicht genug. Folgendes Statement hätte ich stattdessen gerne gelesen:

„Die Frankfurter Buchmesse lebt von der Vielfalt der Meinungen und ist ein Ort des freien Dialogs. Das ist die unveränderliche Haltung der Frankfurter Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Wir haben in der Vergangenheit und auch in diesem Jahr versucht, dieser Haltung zu entsprechen, in dem wir auch Aussteller der Neuen Rechten auf dem Messegelände zugelassen haben, und gehofft, damit einen freien Dialog zu befördern. Dies erscheint uns angesichts der aktuellen Lage nicht mehr aussichtsreich. Nun, da es auf mehreren Veranstaltungen von Verlagen der Neuen Rechten zu Handgreiflichkeiten kam, haben wir uns entschieden, ein klares Zeichen zu setzen. Wir werden in Zukunft keine Aussteller mehr zulassen, die dem Milieu der Neuen Rechten zuzurechnen sind. Die Frankfurter Buchmesse soll eine Veranstaltung sein, auf der Hass keinen Platz findet – auch im wörtlichen Sinne. Für Vielfalt einzustehen bedeutet nicht, allen Positionen Raum zu geben, auch wenn sie menschenfeindlich sind. Vielfalt muss vor denjenigen geschützt werden, die sie bedrohen. Hier auf dem Messegelände treffen 7.150 Aussteller aus 106 Ländern auf rund 278.000 Besucher und 10.000 akkreditierte Journalisten. Sie alle sollen sich sicher sein, dass die Frankfurter Buchmesse kein Ort für Rassismus und völkisches Denken ist, sondern ein Raum für freien Austausch. Wir wünschen allen Verletzten eine baldige Genesung und werden in Zukunft alles in unserer Macht Stehende tun, um gewalttätige Auseindersetzungen auf der Frankfurter Buchmesse zu vermeiden.“

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2017/10/15/was-ich-gern-gelesen-haette-buchmesse-nazifrei/

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kommentare

  • Wer ein Plakat hochhält, kann sich auf die Meinungsfreiheit berufen; wer einem anderen Menschen mit der Faust ins Gesicht schlägt, nicht. Das Statement der Frankfurter Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ist ein bitteres Armutszeugnis. Keinem Medienbericht ist zu entnehmen, dass von linken Gruppierungen Gewalt oder tätliche Angriffe ausgegangen wären, dies blieb rechten Gruppierungen und Einzelpersonen sowie privaten Sicherheitskräften vorbehalten. Die Gleichsetzung nicht näher definierter „rechter“ und „linker“ politischer Bewegungen stärkt überdies Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und bleibt weit unter den intellektuellen wie politischen Möglichkeiten der Veranstalter. Deren Aufgabe ist auch, die körperliche Unversehrtheit aller Besucher*innen der Buchmesse zu garantieren – wenn das nicht mehr gelingt, steht das Konzept der Messe grundsätzlich in Frage.

  • Jedes Menschenwesen weiß, dass es eine Grenze gibt im Umgang mit seinesgleichen. Gesellschaften wussten das ebenso zu allen Zeiten. Nur die Machthungrigen, die auf Kosten anderer (Menschen wie Völker) an die Instrumente der Macht kommen wollen, haben sich über dieses Wissen hinweggesetzt. Mit individueller wie staatlich formierter Gewalt und Krieg gegen Andersartige, Andersdenkende, anders Lebende. Das war zu keiner Zeit akzeptabel. Warum soll das heute anders sein? Seit den Human Rights haben wir ein globales Instrument einer neuen Entwicklung. Unsere Demokratie ist eingeschläfert (worden), durch das freizügige Zulassen individueller Entwicklungen und möglichst vieler Spielregeln. Aber sie zerstört sich selbst, wenn sie die Grenzen des zerstörerischen Potentials nicht absteckt

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
    Art 3
    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
    (3) Niemand darf wegen seiner […] politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

  • Es „kam“ nicht zu Handgreiflichkeiten, wie da so „wertneutral“ behauptet wird, sondern engagierte und dafür heran gekarrte Horden von Rotfaschisten-Pack haben an den Ständen gezielt Randale gemacht!

  • Ja, das wäre endlich einmal ein klares und eindeutiges Statement gewesen, das ich voll und ganz teilen kann. Meinungsvielfalt: ja bitte! Aber es gibt zu viele, die sich ihr entgegenstellen und Menschenrechte negieren. Diese Haltung tritt demokratisches Verständnis mit Füßen. Dafür muss und darf man weder Verständnis haben noch dem Raum geben. Macht es ihnen so schwer wie möglich! Und das so schnell wie möglich!

  • Auf einer Buchmesse hat man keine politischen Proteste zu machen, fertig.

    Bücher sind inklusorisch. Man stellt sich als Verleger oder Buchmesse immer auf die Seite derjenigen, die an der Veröffentlichung und Präsenz im Diskurs gehindert werden sollen, die Zensur erfahren oder angegangen werden.

    „Es ist nicht vollkommen falsch, aber es ist überhaupt keine klare Distanzierung von rechten Positionen, eher eine Ausflucht.“

    Es ist irre und anti-intellektuell anzunehmen, dass die Buchmesse eine exklusorische Position verfolgen könnte. Was sind das für Menschen, die auf diese Idee kommen?

  • Sie wollen allen Ernstes die rechten das Wort verbieten, sie zensieren und nicht zulassen, weil es von Linken Krawallmachern Übergriffe auf friedliche Lesungen der rechten Verlage gab?
    Ich denke Sie haben die Demokratie nicht verstanden und handeln und schreiben parteiisch und bedenklich in Bezug die Meinungsfreiheit. Genau diese Aufruf zur Zensur läßt den rechten die Halsschlagader anschwellen und bestätigt sie.

  • Nur eine Frage: Sie suggerieren, Rechte seien Nazis. Ist dem so? Welche Rechte genau sind denn Nazis? Worauf stützen Sie dies? Ist das nicht eine Verharmlosung der Nazis im 3. Reich, wenn jeder Rechte ein Nazi sein soll?

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