Ich habe es in den letzten Tagen vermieden, über Nazis auf der Buchmesse zu schreiben, weil die sich das wünschen. Rechte Verlage und Medien verteilen Flyer, die suggerieren sollen, dass sie und ihresgleichen die Buchmesse längst übernommen haben, sie buchen – wie bereits in den Jahren zuvor – überdimensionierte Stände an prominenten Orten, sie verteilen Security-Mitarbeiter um ihre Stände und verteilen massig Plakate, die ihre Veranstaltungen ankündigen. (Letzteres auf der Leipziger Buchmesse wesentlich mehr als in Frankfurt.) Trotzdem haben sie aber auch dieses Jahr, ähnlich wie in den Jahren zuvor, nur einige wenige von mehreren tausend Ständen auf dem Messegelände. (Das soll das Problem nicht kleinreden, nur für diejenigen, die die Messe nicht kennen, zeigen: Große rechte Stände und Veranstaltungen gab es auch in der Vergangenheit schon, sie bilden in diesem Jahr keineswegs so etwas wie eine Übermacht. Es gibt immer noch mehr Stände mit Katzenkalendern als Nazis, freie Schätzung meinerseits.) Nach mehreren Vorfällen der Gewalt gegen antifaschistische Demonstrant_innen gibt es nun ein Statement von Buchmesse und Börsenverein, das hier nachzulesen ist. Es ist nicht vollkommen falsch, aber es ist überhaupt keine klare Distanzierung von rechten Positionen, eher eine Ausflucht. Natürlich verurteilen sie Gewalt im eigenen Haus, aber das ist nicht genug. Folgendes Statement hätte ich stattdessen gerne gelesen:
„Die Frankfurter Buchmesse lebt von der Vielfalt der Meinungen und ist ein Ort des freien Dialogs. Das ist die unveränderliche Haltung der Frankfurter Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Wir haben in der Vergangenheit und auch in diesem Jahr versucht, dieser Haltung zu entsprechen, in dem wir auch Aussteller der Neuen Rechten auf dem Messegelände zugelassen haben, und gehofft, damit einen freien Dialog zu befördern. Dies erscheint uns angesichts der aktuellen Lage nicht mehr aussichtsreich. Nun, da es auf mehreren Veranstaltungen von Verlagen der Neuen Rechten zu Handgreiflichkeiten kam, haben wir uns entschieden, ein klares Zeichen zu setzen. Wir werden in Zukunft keine Aussteller mehr zulassen, die dem Milieu der Neuen Rechten zuzurechnen sind. Die Frankfurter Buchmesse soll eine Veranstaltung sein, auf der Hass keinen Platz findet – auch im wörtlichen Sinne. Für Vielfalt einzustehen bedeutet nicht, allen Positionen Raum zu geben, auch wenn sie menschenfeindlich sind. Vielfalt muss vor denjenigen geschützt werden, die sie bedrohen. Hier auf dem Messegelände treffen 7.150 Aussteller aus 106 Ländern auf rund 278.000 Besucher und 10.000 akkreditierte Journalisten. Sie alle sollen sich sicher sein, dass die Frankfurter Buchmesse kein Ort für Rassismus und völkisches Denken ist, sondern ein Raum für freien Austausch. Wir wünschen allen Verletzten eine baldige Genesung und werden in Zukunft alles in unserer Macht Stehende tun, um gewalttätige Auseindersetzungen auf der Frankfurter Buchmesse zu vermeiden.“
Wer ein Plakat hochhält, kann sich auf die Meinungsfreiheit berufen; wer einem anderen Menschen mit der Faust ins Gesicht schlägt, nicht. Das Statement der Frankfurter Buchmesse und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ist ein bitteres Armutszeugnis. Keinem Medienbericht ist zu entnehmen, dass von linken Gruppierungen Gewalt oder tätliche Angriffe ausgegangen wären, dies blieb rechten Gruppierungen und Einzelpersonen sowie privaten Sicherheitskräften vorbehalten. Die Gleichsetzung nicht näher definierter „rechter“ und „linker“ politischer Bewegungen stärkt überdies Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und bleibt weit unter den intellektuellen wie politischen Möglichkeiten der Veranstalter. Deren Aufgabe ist auch, die körperliche Unversehrtheit aller Besucher*innen der Buchmesse zu garantieren – wenn das nicht mehr gelingt, steht das Konzept der Messe grundsätzlich in Frage.