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Ich möchte die Diskussion um Qualitätsjournalismus an dieser Stelle an einem Beispiel konkretisieren:
Vor ein paar Tage erschien ein Kommentar bei taz.de.
Schon klar – Meinungsjournalismus.
Von wem der Artikel stammt, sollte an dieser Stelle unwichtig sein.Folgendes Zitat hat mich entsetzt:
„Denn warum weigern sich Ärztinnen und Ärzte, sich auf dem Land niederzulassen? Erstens: weil ihre akademischen Ehepartner hier keine qualifizierten Jobs finden. Zweitens: weil sie sich ängstigen, dass ihre Kinder hier womöglich mit denen von Hartz-IV-Empfängern oder anderen aus ihrer Sicht nicht Umgangswürdigen gemeinsam zur Schule gehen müssten.“
Bei sowas stehen mir die Haare zu Berge. Die Aussagen werden in keinster Weise belegt. Angeblich sollen das die Gründe sein, wieso Ärzte nicht auf dem Lande praktizieren möchten.
Die Autorin gibt in keinster Weise zu erkennen, woher sie diese „Informationen“ hat.Der Verdacht liegt nahe, dass es diesbezüglich überhaupt keine Fakten gibt.
Nur leider wird suggeriert, bei den angeführten Gründen handele es sich um Tatsachen.Sowas finde ich schlimm. Das ist aus meiner Sicht manipulative Meinungsmache.
Ich glaube, auch Beiträge der Kategorie „Meinungsjournalismus“ können nicht als qualitativ hochwertig eingestuft werden, wenn eigene Überlegungen als Fakten dargestellt werden und Belege für die Aussagen des Autors Fehlanzeige sind.
Wo ich nun wirklich eine Gefahr sehe:
Wie oben dargelegt, gibt es keine einheitliche Definition für Qualitätsjournalismus. Eventuell nachvollziehbar, aber nicht risikolos.
Theoretisch könnte die Verfasserin des o.g. Zitats aus den Niederungen des Meinungsjournalismus jetzt daherkommen und aufrichtigen Herzens versichern, ihr Beitrag sei Qualitätsjournalismus. Schon allein, weil er ihren persönlichen Kriterien dafür entspricht.Und halbwegs kritischen Lesern fällt gar nichts mehr ein… eventuell vorhandenes Mißtrauen gegenüber der Journalistenschaft insgesamt wird weiter verstärkt…
Herr Heiser, ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie dazu ein paar Worte schreiben könnten.
Schließlich sollte Ihnen daran gelegen sein, das Vertrauen Ihrer Leser in die taz zu erhalten / zu verstärken (sorry, ich kann auch suggestiv..;-)) -
ich möchte noch etwas anfügen zum thema der bewertung von „qualitätsjournalismus“ aus medienwissenschaftlicher perspektive. ein „alter schinken“ zwar, aber im kern, denke ich, im gewissen sinne zeitlos sind die untersuchungsergebnisse von Lutz. M. Hagen in: Informationsqualität von Nachrichten. aus dem klappentext:
„Die Arbeit verdichtet zunächst medienrechtliche und journalistisch-professionelle Normen zu einem Katalog von Qualitätskriterien: Menge, Relevanz, Objektivität, Aktualität und Verständlichkeit von Information sind Gegenstand vieler empirischer Nachrichtenstudien, deren Methodenarsenal hier systematisiert, kritisiert und ergänzt wird. Es fließen kognitionspsychologische, textlinguistische und wissenschaftstheoretische Überlegungen ein. Ein neues, von Früh entwickeltes Verfahren wird adaptiert: die computergestützte Semantische Struktur- und Inhaltsanalyse (SSI). Die erarbeiteten Qualitätsindikatoren dienen einer quantitativen und qualitativen Analyse der universellen deutschen Agenturdienste. Deren Qualität ist von großem Interesse, denn Agenturen determinieren sehr stark die Nachrichteninhalte der Massenmedien.“
– auch bei der taz. wo journalistInnen aber explizit selbst recherchieren und berichten, sind sie dem selbstverständnis
ihrer zeitung verpflichtet. was das für taz-schreiberInnnen heißt ist im Redaktionsstatut festgelegt. daraus:„§2 Selbstverständnis
(2) Die taz engagiert sich für eine kritische Öffentlichkeit.
(6) Die Zeitung ist der wahrheitsgetreuen Berichterstattung verpflichtet; sie bekennt sich zur Tradition ihrer publizistischen Sprache, sie widersteht dem Druck der Stereotype und des sprachlichen und thematischen Konformismus, sie gibt den Beiträgen ihrer RedakteurInnen, KorrespondentInnen und AutorInnen besonderes Gewicht.und:
§3 Grundsätze der redaktionellen Arbeit
(2) Kein Redakteur und keine Redakteurin darf gezwungen werden, beim Schreiben eine andere Meinung als die eigene zu vertreten oder gegen die eigene Überzeugung zu bebildern oder zu schreiben.
quelle: http://www.taz.de/6/redaktionsstatut/in diesem sinne steht die taz für meinungsjournalismus.
davon abgesehen ist objektivität – wie herr heiser ja schon anmerkte – nie gegeben. sie kann immer nur angestrebt werden, nie erreicht (noch ein buchtipp: Die Wirklichkeit der Medien).
die taz versteht sich im ursprung als ein medium der gegenöffentlichkeit, d. h. sie will kritisch stellung beziehen (was durch den „tendenzschutzparagraphen“ im medienrecht auch gedeckt ist, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Tendenzschutz).
summa summarum denke ich, ist die taz die lauteste, wirksamste und facettenreichste kritische stimme im deutschen blätterwald. insofern liefert sie einen wichtigen beitrag zum „qualitätsjournalismus“ in deutschland.
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… und vor lauter Schreck gehen jetzt schon Wörter verloren.
Der erste Satz also noch mal:
Das hätte ich in der TAT nicht vermutet. -
Oh. Das hätte ich in der nicht vermutet.
Ein ausufernde Debatte um einen Thema, dessen Kernbegriff – Qualitätsjournalismus – noch nicht einmal klar definiert ist. Wie kann das funktionieren?
Für mich schwer zu begreifen, was möglicherweise meiner eher wissenschaftlichen Ausbildung geschuldet ist – ohne klar definierte Begriffe und Strukturen sind wir üblicherweise relativ hilflos.
Na ja, vielleicht fällt „Qualitätsjournalismus“ eher in diesselbe Kategorie wie „Glück“. Das ist ja üblicherweise auch eine sehr individuelle Angelegenheit ohne klare, allgemeingültige Definition. Ich will mal versuchen, es einfach so hinzunehmen.
Und da es ohnehin offenbar nicht möglich ist, Recherchejournalismus klar von Meinungsjournalismus abzugrenzen, liegt eventuell die einzige Chance darin, sich den Namen des Autors zu merken.
Wenn ein Journalist einen informativen und ordentlich recherchierten Artikel zum Thema XY publiziert und zeitnah einen Kommentar zum selben Thema veröffentlicht, kann ich mir ja vermutlich schon in etwa denken, wo das Häschen langläuft und den informativen Artikel gleich vor dem Hintergrund der mir nun bekannten Meinung des Autors werten – auch ohne mit allen Möglichkeiten, die die Sprache so zu bieten hat, vertraut zu sein.Schön, dass ihr euch bei der taz „bemüht“. In meinem Verständnis impliziert dieses Wort sogleich, dass das Scheitern eingeplant, bzw. vorprogrammiert ist… was vor dem Hintergrund einer nicht vorhandenen Definition des Begriffs aus meiner Sicht natürlich die logische Konsequenz ist.
Das Thema verunsichert mich einigermaßen. Trotzdem schön, mal Einblicke in eine ganz andere Welt zu erhalten.
Also: Vielen Dank für Ihre ausführlichen Darlegungen. -
> Gibt es überhaupt eine allgemeingültige
> Definition für Qualitätsjournalismus?nicht dass ich wüsste. Es würde mich auch überraschen.
> Wie wird Qualitätsjournalismus bei der taz definiert?
Wie überall: Unterschiedlich.
> Was wird getan, um diesem Anspruch gerecht zu werden?
Wir bemühen uns.
> Kann es – und wenn ja, wie? – einen wirklichen
> Qualitätsjournalismus überhaupt geben, wenn
> keine klare Trennung zwischen Meinungs- und
> Recherchejournalismus besteht?Ich glaube nicht, dass eine klare Trennung von Meinungs- und Recherchejournalismus möglich ist. Es fehlt einfach an objektiven Kriterien, nach denen man objektiven Journalismus in der Praxis eindeutig definieren könnte.
Vielleicht wird das an einem Beispiel deutlich: Nach welchen objektiven Kriterien sollte eine Zeitung entscheiden, welche Themen sie ins Blatt nimmt und wie groß sie sie ins Blatt nimmt? Nach welchen Kriterien sollte sie entscheiden, welches das wichtigste Thema heute ist? Ist es Fukushima? Die Revolution in der arabischen Welt? Der Baustopp bei Stuttgart 21? Mietpreiserhöhungen? Der Biosprit E10? Klonfleisch? Die Nebenbei-Diät? All dies sind reale Aufmacher deutscher Zeitungen von heute (Galerie:
http://paper.meedia.de/titelgallery_drupal/?q=gallery/&g2_itemId=152722&g2_page=&thumbnail=&mediamode= ) Welcher ist der objektiv richtige Aufmacher?Die gleichen Probleme gibt es auch im weiteren Verlauf: Welche der vielen im Laufe einer Recherche gewonnenen Informationen sollen in den Artikel kommen? Wie umfangreich müssen Erkundigungen überhaupt sein, um „Recherche“ genannt werden zu dürfen? Wenn eine Zeitung in einem Artikel die politischen Positionen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen wiedergibt – wie soll sie diese Gruppen auswählen? Welche Parteien sollen rein, welche Nichtregierungsorganisationen, welche Stimmen aus dem Ausland?
Wer daran glaubt, dass es objektiven Journalismus gibt, der müsste auch daran glauben, dass dann nur eine einzige überregionale Zeitung nötig wäre. Ich glaube nicht daran.
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Klare Sache, es ist gut verständlich, wenn Herr Sontheimer jetzt vielleicht kein Triumphgefühl, aber dennoch eine gewisse Genugtuung angesichts der Tatsache „Wir hatten recht“ empfindet.
Dennoch: Ich muss anti-aktivist und OWLerin zustimmen. Einer Tageszeitung steht es meines Erachtens prinzipiell nicht gut an, Aktivismus zu betreiben. Auch nicht, wenn es sich dabei um die taz handelt.
Das Interview mit Dana Priest habe ich mir jetzt auch noch mal vorgenommen. Die dazugehörigen Leserkommentare sind natürlich nicht repräsentativ, aber eine gewisse Sehnsucht nach einer klaren Trennung zwischen Recherche- und Meinungsjournalismus scheint doch vorhanden zu sein.
Bei der taz wird das Spektrum ja zusätzlich noch um die Kategorie „Kampagnenjournalismus“ (aus meiner Sicht eine Art aktivistischer Meinungsjournalismus) erweitert.
Vor einiger Zeit habe ich ein markantes Statement einer führenden taz-Redakteurin gelesen. Sie sei Journalistin und keine Aktivistin. Und etwas später hat sie die taz-Leserschaft zur Teilnahme an der Kampagne für die iranischen Regisseure aufgerufen.
Ah ja. Gut, vielleicht sieht diese Frau (und auch die taz?) die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus an einer anderen Stelle als andere Leute.Aus meiner Sicht kann aus einer Vermischung dieser Bereiche – insbesondere Recherche/Meinung – auch schnell mal ein schwer zu durchschauender Manipulationsjournalismus resultieren.
Beispiel: Ein Redakteur hat ein Thema zu 100% sauber recherchiert, seine Rechercheleistungen werden allen Ansprüchen in herausragender Weise gerecht. In seinen auf diesen Grundlagen verfassten Artikel lässt er auf geschickt-subtile Art und Weise seine eigene Meinung einfließen.
Und zwar durch entsprechenden Satzbau, geeignete Wortwahl, durch suggestive Aussagen und Fragen usw… Das diesbezügliche Repertoire eines guten Journalisten dürfte recht umfänglich sein.
Dem durchschnittlichen Leser – der vermutlich nicht über dieselben sprachlichen Fähigkeiten wie der Autor verfügt – wird vermutlich noch nicht mal auffallen, dass er in eine bestimmte Richtung gelenkt wird.Solche Artikel habe ich bei der taz (OK, bei anderen Zeitungen auch, aber um die geht es hier nicht) schon häufiger gelesen.
Verstehen kann ich so ein journalistisches Vorgehen natürlich schon, ich möchte auch nicht unterstellen, dass der Autor in jedem Fall bewusst handelt. Trotzdem finde ich es ausgesprochen bedenklich.
Wenn das Ziel, zu informieren mit dem Ziel, Meinung zu machen, vermischt wird, frage ich mich:
Darf so etwas als Qualitätsjournalismus bezeichnet werden?Ich habe eben mal den Begriff „Qualitätsjournalismus“ gegoogelt. Ergebnis: Es wird ausführlich debattiert. Leider habe ich keine wirkliche Begriffsdefinition gefunden. Tja, was genau soll Qualitätsjournalismus denn nun sein? Sicher, ich habe da – wie viele andere vermutlich auch – schon gewisse Vorstellungen. Nur: Keine Ahnung, ob ich damit richtig liege.
Daher einige Fragen an Sebastian Heiser:
Gibt es überhaupt eine allgemeingültige Definition für Qualitätsjournalismus?
Wie wird Qualitätsjournalismus bei der taz definiert? Was wird getan, um diesem Anspruch gerecht zu werden?
Kann es – und wenn ja, wie? – einen wirklichen Qualitätsjournalismus überhaupt geben, wenn keine klare Trennung zwischen Meinungs- und Recherchejournalismus besteht?Herzlichen Dank.
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Nur leider werden sie vermutlich – und das möglicherweise zu recht – gleich losquietschen: „Dafür haben wir aber kein Geld!!“.
Aber vielleicht wäre hier wirklich ein guter Ansatzpunkt, die erwirtschafteten Gewinne (inkl. großmütiger Bild-Spende) sinnvoll zu investieren.
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@OWLerin: An das Dana Priest Interview hatte ich auch gedacht, – und: practice what you preach, liebe taz!
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Ich stimme anti-aktivist voll und ganz zu.
Von einer aktivistisch tätigen Tageszeitung kann ich wohl kaum eine objektive Berichterstattung erwarten.
Deshalb war die Kampagne, um auf die Situation der iranischen Regisseure aufmerksam zu machen, aus meiner Sicht falsch – trotz des lobenswerten Grundgedankens.In der taz habe ich vor einiger ein Interview mit der US-Journalistin Dana Priest gelesen, in dem sie die Wichtigkeit einer klaren Trennung zwischen Meinungs- und Recherchejournalismus betont. Dem kann ich nur zustimmen. Meines Wissens ist diese wünschenswerte Trennung in der gesamten deutschen Presselandschaft nicht wirklich existent.
Vielleicht wäre es für die taz eine gute Sache, sich dahingehend weiter zu entwickeln. Das dürfte bei kritischen Zeitungslesern sehr gut ankommen.
Ferner könnte die taz sich damit in Deutschland ein echtes Alleinstellungsmerkmal verschaffen.Das wär schon was…
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Auch wenn man auf der richtigen, der guten Seite steht:
Für einen Journalisten, für eine Zeitung, ist es nie gut, Teil einer Bewegung zu sein. Journalisten sollten beobachten, nicht kämpfen, alles andere ist Boulevard. -
liebe taz, ich wünsche dir weiter viel kraft im kampf gegen die atomkraft. denn bald wird auch japan wieder aus den medien verschwunden sein und die leute beginnen wieder zu denken, so schlimm wirds in deutschland bestimmt nicht. man muss immer wieder an die gefahren erinnern bis auch das letzte atomkraft werk auf der welt abgeschaltet wurde.
ich wohne jetzt in brasilien und das schlimme ist, hier sollen mit deutschen geldern neue atomkraftwerke finaziert werden. -
100.000 Jahre ein Gau, bezieht sich auf EINEN Reaktorblock(insgesamt 442):
100.000/442=226
Ich vermute das da eine Zehner-Stelle zuviel ist? Dann käme man nähmlich auf durchschnittlich alle 23 Jahre eine Kernschmelze was hinhauen könnte?!
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