von 13.04.2012

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Es gibt Menschen – und ich gehöre dazu – bei denen es die Sache irgendwie nicht richtig trifft, bei ihrem Verhältnis zur taz von einer LeserInnen-Blatt-Bindung zu sprechen. Die Bindung umfasst nämlich weit mehr als die Treue zu einer bestimmten Zeitung. taz-Leserin – und in der logischen Fortsetzung auch Genossin – zu sein drückt ein Sich-zugehörig-Empfinden zu einer bestimmten Gruppe aus. „Familie“ wäre ein zu starkes Wort, selbst „Gemeinschaft“ ist noch zu viel (dafür findet zu wenig persönlicher Austausch statt). In erster Linie geht es darum, sich in unausgesprochener Übereinstimmung zu fühlen mit anderen. Zu wissen, dass man bei allen Abweichungen in Details mit seinen grundsätzlichen Haltungen nicht allein steht, stabilisiert und verleiht ein Gefühl der Geborgenheit. Die taz in ihrer Gesamtheit, also inklusive aller, die aktiv oder passiv daran beteiligt sind, als konstitutiver Teil der Identitätskonstruktion sozusagen. Oder einfacher: Die taz ist für mich ein geistiges Zuhause. Und zwar ein bewusst gewähltes.

Dabei bin ich eigentlich eher eine „Quereinsteigerin“. Geboren noch in der DDR, aufgewachsen in den neuen Bundesländern ist mir die westdeutsche 68er-Bewegung genauso nah oder fern wie Woodstock oder die Suffragetten. In meinen Jugendjahren gab es mal das Bedauern, nicht dabei gewesen zu sein, aber doch eher aus einer Begeisterung für die als „historisch bedeutsam“ empfundenen Ereignisse heraus ohne konkreten persönlichen Bezug. Die Kulturkämpfe und Gräben innerhalb der taz, deren Nachwirkungen bis heute manchmal spürbar sind, oder auch die übergroße Bedeutsamkeit der RAF begegnen mir dementsprechend eher als eine fremde Welt. Diese Differenzerfahrung trennt aber nicht. Man kann ja auf unterschiedlichen Wegen zu vergleichbaren Weltanschauungen gelangen. Dazu gehören natürlich ökologische und soziale Verantwortlichkeit, fast noch wichtiger jedoch ist der prinzipielle Drang zu hinterfragen – andere, aber immer wieder auch sich selbst.

Zeitungsmäßig sozialisiert wurde ich mit dem regionalen Blatt, der Sächsischen Zeitung, Identifikation kam da nur durch die lokale Verwurzelung zustande. Auf Zugfahrten und im Urlaub kaufte ich dann immer anderes, manchmal FAZ oder Süddeutsche, meist aber ND, Junge Welt oder taz. Dass die letztere sich durchsetzte war ein allmählicher Prozess, den ich zunächst gar nicht bemerkte. Mit sechszehn unternahm ich meine erste größere Reise nicht nur ohne Eltern sondern ganz allein und besuchte verschiedene Freunde in Süddeutschland. Außer meiner Zuneigung schien sie auf den ersten Blick eigentlich nichts zu verbinden, aber da gab es doch eine Gemeinsamkeit. Egal wo ich war, morgens befanden sich auf allen Frühstückstischen an denen ich zu Gast war zwei Dinge: Die taz und fairtrade-Schokocrème. Dass ich selbst mich zu süß, aber wenigstens ethisch korrekt ernährte, war mir bereits bewusst gewesen, dass ich zuletzt am Bahnhofskiosk unwillkürlich konsequent nach der taz gegriffen hatte, wurde mir erst durch diese Beobachtung klar. Heute sind für mich beide aus dem „guten Leben“, aus meinem guten Leben nur schwerlich wegzudenken.

Johanna Wange ist taz-Genossin.

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