Von Jürn Kruse
Da ich in meinem Text die anderen Medien dazu aufgefordert habe, sich nach dem Appell von Corinna Schumacher doch einer Diskussion ihrer eigenen Berichterstattung über den Unfall des ehemaligen Rennfahrers Michael Schumacher zu stellen, ist es angebracht, sich auch selbst zu hinterfragen: Muss ein solcher Artikel mit einem Foto von Corinna Schumacher beim Betreten der Klinik in Grenoble bebildert werden? Ein Foto, das von ebenjenen Leuten geschossen wurde, die die Ehefrau des früheren Formel-1-Piloten zum Verlassen der Klinik aufgefordert hat. Fördern wir eine solche Berichterstattung durch das Zeigen eines solchen Fotos?
Es ist der stets wiederkehrende Zwiespalt: Mache ich mich als Kritiker mit dem Kritisierten gemein, wenn ich den Stein des Anstoßes abbilde? Am einfachsten zu umgehen ist dieser Vorwurf, wenn man Ausrisse aus anderen Medien zeigt. Gerne genommen: Titelseiten der Bild-Zeitung. So kommt man um den Vorwurf herum, das selbe Material wie die Gescholtenen zu verwenden und gibt sich distanziert. Ein Ausriss dient ja schließlich nur der Dokumentation.
Doch was hätte das geändert, wenn wir nicht das Originalfoto gezeigt hätten, sondern eine Zeitungs- oder Webseite mit dem Foto abgebildet hätten? Gar nichts.
Und deshalb finde ich es in Ordnung, in einem solchen Fall den Grund für die Bitte von Corinna Schumacher zu zeigen. Zumal sie mit ihrem Aufruf sicherlich nicht die taz gemeint hat. Seit dem Skiunfall am 29. Dezember fanden sich in der gedruckten Ausgabe genau neun Artikel zu Schumi. Einer war eine Meldung, in den meisten anderen kam sein Unfall nur am Rande vor. Lediglich in zwei größeren Texten ging es ausschließlich um ihn, beide behandelten allerdings eher die Berichterstattung – und nicht den Unfall selbst, die Ermittlungen oder die Ursachen. Ein Foto von Corinna Schumacher oder von Angehörigen vor der Klinik haben wir bisher nicht gezeigt.
Zumal ich in meinem Artikel mitnichten die Berichterstattung über Schumacher in Gänze gegeißelt habe. Es gibt Artikel, die fürchterlich sind, es gibt aber auch ausgewogene – und es gibt vor allem gute Argumente für eine angemessene Berichterstattung. Dabei bleibe ich. Und ich bleibe auch dabei, dass eigentlich jedes Medium genug Argumente liefern können müsste, warum es so und nicht anders berichtet hat. Doch leider machen das nur die wenigsten. Auch das blieb bisher leider so.
Jürn Kruse ist Medienredakteur der taz
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