Die häufigste Frage von Praktikanten ist, ob man heutzutage überhaupt noch an eine Festanstellung als Redakteur kommt. Ich sage dann immer, dass es bei der taz zumindest eine Chance gibt: Wir haben eine hohe Fluktuation, hier kommen viele Journalisten zu Beginn ihres Berufslebens hin und ziehen später weiter. Das heißt: Jedes Jahr werden hier wieder ein paar feste Stellen in der Redaktion frei.
Aber wie bekommt man nun eine dieser Stellen?
Der eine Weg ist die Seite www.taz.de/jobs, auf der es heißt: „Hier finden Sie aktuelle Stellenausschreibungen aus der Redaktion und dem Verlag.“ Das ist allerdings eine Sackgasse, denn Redakteursstellen werden bei der taz nie öffentlich ausgeschrieben.
Dafür gibt es zwei Gründe, die unabhängig voneinander sind und von denen jeder für sich genommen schon ausreicht, um zu diesem Ergebnis zu führen. Erstens kann man bei Berufseinsteigern anhand einer schriftlichen Bewerbung und einem persönlichen Vorstellungsgespräch nur mit vergleichsweise geringer Sicherheit vorhersehen, wie gut ihre Qualifikationen wirklich sind. Man weiß nicht, wie die Artikel, die andere Zeitungen gedruckt haben, vor dem Redigieren in der Erstfassung aussahen. Man weiß nicht, ob die Artikel rechtzeitig zu geplanten Redaktionsschluss fertig waren. Man weiß nicht, wie gut jemand die Texte anderer Leute redigieren kann. Wie gut jemand bei der Themenfindung ist. Wie man persönlich miteinander klarkommt.
Mit vergleichsweise besserer Sicherheit weiß man das bei den Leuten, die bereits in der Redaktion auf einer befristeten Stelle arbeiten. Es gibt immer eine Reihe befristeter Stellen in der taz, weil Redakteure in Elternzeit oder länger krank sind, weil sie sich zum Buchschreiben sechs Monate Auszeit nehmen oder weil im Rahmen eines Sonderprojektes (Relaunch der Wochenend-Ausgabe, Sonderseiten zu Olympischen Spielen, zur Fußball-WM oder zur Europawahl) zusätzliche Stellen für eine befristete Zeit geschaffen werden. Und wenn man ein paar Monate jeden Tag mit jemandem zusammenarbeitet, dann sieht man einfach viel besser, ob es passt.
Außerdem, und das ist der zweite, unabhängige Grund, geht man ja auch Mittagessen mit den befristet angestellten Kollegen oder abends ein Bier trinken und erzählt sich, was einen so bewegt, und bei den Kollegen gehört dazu oft auch die Sorge um ihre Zukunft und wie es nach Ende der Befristung wohl weitergeht. So entsteht auch eine gewisse soziale Verpflichtung, feste Stellen lieber an diese Kollegen zu geben, anstatt sie in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
Und wenn man schon weiß, wem man die feste Stelle geben will, dann wäre es unfair, sie trotzdem auf www.taz.de/jobs öffentlich auszuschreiben, weil andere Leute dann unnötigen Aufwand mit der Bewerbung haben und sich falsche Hoffnungen machen.
Wer als Berufseinsteiger an eine feste Stelle will, muss also erstmal fragen, wie man an eine befristete Stelle kommt. Hier wiederholt ein bisschen das zuvor Gesagte. Befristete Stellen gehen aus den bereits genannten Gründen eher an Leute, die wir schon kennen, weil sie hier ein Praktikum gemacht haben (200 Euro im Monat) und anschließend regelmäßig für uns als freie Mitarbeiter arbeiten (Einkommen schwankend, aber in der Regel nicht existenzsichernd).
Das Problem ist allerdings: Im Jahr 2013 hatten wir rund 90 Praktikanten in der Redaktion (gezählt habe ich nur die sechs- bis zwölfwöchigen Praktika von Studenten oder Absolventen mitgezählt, nicht die zweiwöchigen Schülerpraktika). Nur wenige bleiben anschließend freie Mitarbeiter. Von denen wiederum erhalten nicht alle eine befristete Stelle. Und von denen mit einer befristeten Stelle erhalten nicht alle am Ende auch eine feste Stelle. Auf jeder Stufe siebt die taz wieder neu aus.
Im Ergebnis führt das zu einer Situation, die persönlich absurd finde. Die taz verlangt faktisch von Berufseinsteigern, die hier fest angestellt werden wollen, dass sie sich auf prekäre Arbeitsbedingungen einlassen und dass sie sich frühzeitig an diesen Verlag binden. Gleichzeitig lässt die taz die Leute in der Ungewissheit hängen, weil ihnen hier niemand zusichert, ob es denn mit der festen Stelle später irgendwann klappt und falls ja, wann ungefähr. Dafür gibt es neben den beiden genannten Gründen noch weitere:
– Es gibt keine zentrale Personalplanung für die ganze taz. Die Chefredaktion kann daher niemandem zusagen, dass er oder sie die nächste freie Stelle bekommt. Denn jedes Ressort entscheidet eigenständig, wen es als Redakteur anstellt.
– Man kann schlecht vorhersehen, wann Stellen frei werden. Festangestellte taz-Redakteure, die zu einer anderen Zeitung wechseln möchten, sind nicht verpflichtet, diese Absicht zu offenbaren. Und selbst wenn sie es sagen würden, dann könnte man schlecht vorhersehen, ob und wann ihnen der Wechsel gelingt und die Stelle dann frei wird.
– Journalismus ist als Beruf so attraktiv, dass viele Leute bereit sind, zu prekären Bedingungen zu arbeiten.
– Verlage nutzen diese Bereitschaft aus und beschäftigen Leute dann auch zu prekären Bedingungen, anstatt so viele Festangestellten mit Tarifgehältern einzustellen, dass diese alle anfallenden Arbeiten erledigen können.
– Bei der Zeitungsproduktion ist ein hoher Grad an Arbeitsteilung möglich und es braucht nur geringe Produktionsmittel für die Arbeit als Print-Journalist. Im Prinzip reicht ein Laptop und ein Telefon.
Anhand dieser Gründe lässt sich erklären, wie es zu der Ist-Situation kommt. Ich persönlich finde das Ergebnis aber sehr unbefriedigend. Unter anderem bedeutet es, dass Berufseinsteiger hier nur fest angestellt werden können, wenn sie durch eine unkalkulierbar lange Phase prekärer Bezahlung gehen, in der sie ihren Lebensunterhalt durch Ersparnisse, durch den Partner oder die Eltern finanzieren. Diese soziale Auswahl bei der taz und allen anderen Redaktionen, bei denen es ja nicht anders läuft, hat niemand gewollt. Aber mir scheint, dass das System durch seine Logiken im Ergebnis genau dazu führt: Zeitungsredakteur wird, wer es sich leisten kann.
Sebastian Heiser arbeitet in der Berliner Lokalredaktion der taz
Aus meiner Erfahrung schreibt die Taz Redakteursstellen sehr wohl aus, aber nur in Ihrem eigenem Medium. Klar spart Geld und wer die Taz nicht liest, ist auch nicht willkommen. Allerdings hatte ich die taz gelesen und bin über ein Stellenangebot gestolpert und habe mich natürlich beworben. Genommen wurde ich nicht. Nicht einmal ein Vorstellungsgespräch hatte es gegeben. Meine Bewerbung wurde mit der Begründung abgesagt ( ist wirklich war und keine Ironie!), dass man sich für einen Bewerber entschieden hat, der schon länger für die taz gearbeitet hat und deshalb die internen Anforderungen besser erfüllt?! Diese Begründung hätte auch von der Katholischen Kirche kommen können…