vonmanuelschubert 10.06.2015

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Die taz baut ein Haus, erhält dafür Fördermittel vom Land Berlin und zieht damit offenbar das Misstrauen der Kreuzberger CDU auf sich. (2. Update)

Allgemein bekannt ist, dass die taz Genossenschaft ein neues Haus baut – den „taz.neubau“. Bekannt ist auch warum wir das tun: Als wirtschaftliche Investition in die Zukunft der Genossenschaft und vor allem, um dem akuten Platzmangel in der taz Redaktion und dem Verlag abzuhelfen.

taz Verlag und Redaktion sind derzeit auf zwei Standorte verteilt, von denen einer teuer angemietet werden muss. An beiden Standorten ist, wie gesagt, der Platz mittlerweile ziemlich knapp.

Zur Erinnerung, wir finanzieren unseren Neubau auf vier Wegen:

1. Der Erwerb des Grundstücks und erste Planungen (Architekturwettbewerb) in Höhe von 3 Mio. EUR wurden mit vorhandenen Eigenmitteln der taz Genossenschaft bewerkstelligt.

2. Aus der taz Genossenschaft sind über Neumitglieder und Aufstockungen 6.326.000 EUR dazu kommen. Als Ergänzung konnten sich alle taz-GenossInnen als stille Gesellschafter an der taz Verlagsgenossenschaft beteiligen. Voraussetzung für eine stille Gesellschaft war die Mitgliedschaft in der taz Genossenschaft.

3. Für den voraussichtlichen Finanzierungsrest in Höhe von 7,5 Mio. EUR hat die taz die Aufnahme eines Annuitätendarlehens mit zehnjähriger Zinsbindung und 3 % Anfangstilgung mit ihrer Hausbank vereinbart.

4. Durch Gelder aus dem Fördermitteltopf »Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur« (GRW) sollten weitere etwa 3,3 Mio. Euro in das Projekt fließen. Unser entsprechender Antrag wurde mit Bescheid vom 05. Juni 2014 i.H.v. 3.779.970 EUR bewilligt. Vulgo: „Staatsknete“.

[vimeo]https://vimeo.com/104098992[/vimeo]

Die Anfrage des Abgeordneten W.

Letzteres rief nun die CDU auf den Plan, oder vielmehr das Kreuzberger Mitglied der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Kurt Wansner. Wansner, Jahrgang 1947, ist seit 2001 Kreisvorsitzender der CDU Friedrichshain-Kreuzberg, wird dort auch gerne mal „König Kurt“ genannt und ist seit 1995 Mitglied im Abgeordnetenhaus. Ein Mann, der von sich selber sagt, er sei in seiner Partei „ein Linker“.

In einer schriftlichen Anfrage vom 13. Mai 2015 (also fast ein Jahr nach Bewilligung unseres Fördermittelantrags) an den Senat wollte er unter Anderem Auskunft zu einer Frage:

„Wie viel Geld bekommt die Tageszeitung „taz“ für ihren Neubau in der Kreuzberger Friedrichstraße?“

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung antwortete dem Abgeordneten nun wie folgt:

1. Wie viel Geld bzw. geldwerte Vorteile (Fördergeder, Subventionen, Vergünstigungen etc.) erhält die „taz“ für ihren Gebäudeneubau in der Kreuzberger Friedrichstraße?

Zu 1.: Der Tageszeitung „taz“ wurden für das Investitionsvorhaben mit Bescheid vom 05.06.2014 Fördermittel in Höhe von 3.779.970 EUR bewilligt. Die Zuwendung betrifft nicht ausschließlich den Neubau des Verlagsgebäudes, sondern auch Investitionen in bewegliche und im materielle Wirtschaftsgüter, die teilweise schon am bisherigen Standort realisiert wurden und nach Fertigstellung des Neubaus mit in die neue Betriebsstätte genommen werden.

2. Aus welchen Programmen, Maßnahmen etc. stammen diese Gelder bzw. geldwerten Vorteile?

Zu 2.: Die Fördermittel stammen aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Aus weiteren Programmen wird das genannte Investitionsvorhaben nicht unterstützt.

3. Wie viele dieser Gelder bzw. geldwerten Vorteile wurden bisher in Anspruch genommen?

Zu 3.: Fördermittel sind bislang nicht ausgezahlt worden.

4. Ist die Rückzahlung der Gelder bzw. geldwerten Vorteile rechtlich gesichert, falls der Gebäudeneubau der „taz“ nicht zustande kommt?

Zu 4.: Die Auszahlung von Fördermitteln ist (erst) zulässig, wenn dem Förderzweck entsprechende Investitionen durch den Zuwendungsempfänger nachgewiesen sind. Bedeutet: Wird der Neubau nicht realisiert, werden auch keine Fördermittel ausgezahlt. Ein Rückforderungsanspruch kann aus diesem Grund nicht erwachsen.

Berlin, den 20.Mai 2015

Jetzt sind wir schon irgendwie neugierig, warum sich die Kreuzberger CDU so brennend für unseren „taz.neubau“ interessiert, dass sie dafür sogar den Senat beschäftigen muss? Freilich, als Parlamentarier hat Kurt Wansner natürlich das Recht, ja sogar die Pflicht Verwaltungshandeln zu hinterfragen.

Trotzdem bewegt uns die Frage, warum der Abgeordnete Wansner fast ein Jahr brauchte, um auf unser Projekt und dessen Teilfinanzierung mittels Fördergeldern aufmerksam zu werden. Wir haben von Anfang an klar und für alle nachvollziehbar kommuniziert, dass die Genossenschaft in der Finanzierung des Hausbaus auf 3,3 Mio. EUR Fördermittel setzt. Und die Hausbau-Kampagne läuft seit über einem Jahr.

Vielleicht war Herr Wasner einfach zu beschäftigt damit, gegen die Flüchtlinge in der Gerhart-Hauptmann-Schule und die „grüne ‘Kuschelpolitik’ im Görlitzer Park“ (sic!) mobil zu machen? Oder suchte er nach einem Thema, um seinen Namen medial platzieren zu können – im Sommerloch? Freilich: Pure Spekulation.

Nachtrag, 10.06.2015, 17.30 Uhr

Inzwischen wissen wir zumindest, worin die „Neugierde“ des Abgeordneten Wansner mündete: In einen Bericht im Rechtsaußen-Blatt Junge Freiheit. So zitiert die Postille den CDU-Abgeordneten mit den Worten: „Ich bin der Meinung, Medien sollten nicht durch Steuergelder gefördert werden. Das behindert sie in meinen Augen in ihrer Unabhängigkeit, gerade bei der politischen Berichterstattung.“

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Die Junge Freiheit online am 10. Juni 2015 | Screenshot: taz

Es gut zu wissen, dass in der Kreuzberger CDU noch Politiker wirken, die sich um die Unabhängigkeit des Journalismus von der Politik sorgen. Und die insbesondere im Fall der taz sicherstellen wollen, dass sie in ihrer (kritischen) politischen Berichterstattung auch zukünftig nicht beeinflusst wird.

Doch was treibt Herrn Wansner nun wirklich, der einstmals beim von der taz initiierten Kreuzberger Bürgerbegehren zur Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße eine schmerzhafte Schmach erlitten hatte?

Wie auch immer, erinnern möchten wir an einen Nebenaspekt, der uns in Herrn Wansners Ausführungen für die Junge Freiheit etwas zu kurz kommt: Die taz ist nicht nur irgendwas mit Medien und Straßennamen. Sie ist als Verlagsgenossenschaft auch Arbeitgeberin von fast 300 Menschen und zudem ein Ausbildungsbetrieb.

Die Junge Freiheit stichelt in ihrem Beitrag noch gegen die Förderung des Neubaus an der Friedrichstraße, die „eine der teuersten Adressen Berlins mitten in der in einem Bauboom steckenden Hauptstadt“ sei. Hier verkürzt das Blatt und verdreht die Tatsachen.

Denn die zukünftige taz-Adresse liegt eben nicht in einem boomenden Stadtteil, sondern in der südlichen Friedrichstadt. Einem Stadtquartier, dessen Entwicklung in den letzten 25 Jahren – gelinde gesagt – wenig prosperierend verlaufen ist.

Die taz hat sich in diesem Stadtteil, den der Bezirk sozial verträglich entwickeln will, mit ihrem Hauskonzept um ein Grundstück beworben, nicht nur um im historischen Zeitungsviertel Berlins bleiben zu können. Sondern vor allem, weil wir keinerlei Interesse daran haben einen x-beliebigen Renditebunker hochzuziehen. So wie es sonst (dem „Bauboom“ sei Dank) gerade überall in Berlin geschieht – selten zum Nutzen der AnwohnerInnen.

Unser neues Haus soll der Arbeitsplatz der tazlerInnen werden und ein unabhängiges, öffentliches Forum bieten für soziale Initiativen, Vereine und Verbände. Ähnlich wie es unser taz Café heute schon tut, nur eben (wie alles in der taz) auf viel zu engem Raum. Das müsste doch eigentlich auch einen „Linken“ wie Herrn Wansner freuen.

Nachtrag, 11. Juni 2015, 10 Uhr

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Frau Steinbach und ihr Twitter-Posting. | Screenshot: taz

Auch die Bundestagsabgeordnete Steinbach und erzkonservative Stimme der CDU fragt nun, ob die taz mit Millionen vom Staat subventioniert wird. Jedenfalls insinuiert sie dies auf ihrem Twitter-Kanal. Was Frau Steinbach übersieht, Deutschland ist nicht Frankreich. Zeitungsmedien können hierzulande – in ihrer täglichen Arbeit – nicht durch den Staat subventioniert werden.

Wobei manche Stimmen sicherlich einwenden könnten, dass schon der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7% auf Zeitungen eine indirekte Subventionierung darstellt. Folgt man diesem Gedanken, würde aber nicht nur die taz „subventioniert“ werden, sondern alle Zeitungsverlage der Republik – auch der Verlag der Jungen Freiheit.

Auf die Gefahr der Wiederholung hin, aber die Fördergelder des Landes Berlin für den Neubau der taz stellen eben keine Subvention in dem Sinne dar, wie Frau Steinbach es vielleicht gern lesen mochte.

Sie erfolgen nicht regelmäßig, sondern einmalig und zweckgebunden für die Realisierung des Hausbaus. (Senat: „Die Auszahlung von Fördermitteln ist (erst) zulässig, wenn dem Förderzweck entsprechende Investitionen durch den Zuwendungsempfänger nachgewiesen sind.“)

Diese Gelder dienen nicht dem Zuschuss zu einem dysfunktionalen Geschäftsmodell, das aus politischen Gründen erhalten werden soll. Sie finanzieren keine redaktionelle Arbeit oder die Erstellung eines Printprodukts.

Das Geschäftsmodell der taz (politisch unabhängiger, engagierter und kritischer Journalismus), funktioniert seit 35 Jahren weil knapp 60.000 AbonentInnen und 15.100 GenossInnen dafür sorgen, dass unsere Redaktion arbeiten und sechs Tage die Woche die taz heraus bringen kann. Außerdem beteiligen sich inzwischen 3.768 LeserInnen (Tendenz steigend) von taz.de freiwillig daran, dass taz.de auch in Zukunft für alle kostenlos zugänglich bleibt.

Liebe Frau Steinbach, seien Sie also ganz unbesorgt: Die taz braucht keine staatlichen Subventionen, um auch Ihr Handeln weiterhin kritisch verfolgen zu können. Die 3,7 Mio. „Subvention dienen der taz Verlagsgenossenschaft eG ausschließlich dazu, ein neues Haus zu bauen. Hier wird also nicht irgendwas subventioniert, sondern investiert – in die Zukunft.

[Anmerkung d. Autors: Vereinzelt wurden seit Erstellen des Textes Passagen im Ton korrigiert und inhaltlich präzisiert.]

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