Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit bringt die taz ein 16-seitiges Dossier über die Situation der Pressefreiheit in der Türkei unter Erdogan – maßgeblich gestaltet von KollegInnen aus der Türkei.
Wir, die taz, wollen nicht einfach zusehen, wie die Bundesregierung Repressionen gegen unsere türkischen KollegInnen leichtfertig ignoriert, um die Flüchtlingsfrage für Deutschland so bequem wie möglich zu lösen. Also ziehen wir unsere Konsequenzen: Zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai erscheinen wir mit einer Sonderausgabe.
Zum ersten Mal haben wir zwei türkische JournalistInnen aus Istanbul zu uns nach Berlin eingeladen. Gemeinsam werden wir eine zweisprachige taz produzieren. 16 Seiten Dossier zur Pressefreiheit in der Türkei. Auf türkisch und deutsch. taz. die günlük gazete. Denn Pressefreiheit geht uns alle an.
„Mit welcher Vehemenz der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die freie Presse in seinem Land bekämpft, ist nur durch eine massive Verdrängungsleistung zu übersehen.“
Auf einmal ist es wieder friedlich hier in Deutschland. Jetzt, da kaum noch Flüchtlinge ankommen. Im März wurden nur noch knapp 21.000 Asylsuchende registriert, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Berlin mitteilte. Im Februar waren es noch gut 60.000 gewesen, im Januar etwa 90.000. Zu Hoch-Zeiten im vergangenen November hatte die Zahl bei mehr als 200.000 gelegen.
Der Deal, den Angela Merkel mit der Türkei geschlossen hat, scheint zu wirken. Die Mehrheit derer, die noch unterwegs ist, hängen in Idomeni, Athen oder auf einer griechischen Insel fest. Von dort aus, werden sie – so der Plan aufgeht – in die Türkei zurück gebracht. Dafür dürfen zwar ein paar andere syrische Flüchtlinge – und nur diese – theoretisch in die EU. Aber dieses Verfahren läuft erst Mal eher schleppend an. Zahlenmäßig kein Vergleich zu der Maße, die vor Kurzem noch in Deutschland ankam.
Ist also alles wieder in Butter? Keine neuen Asylsuchenden, keine wütenden Bürger, die Menschen in Reisebussen anplärren, oder Flüchtlingsheime in Brand stecken – und auch kein so dringlicher Grund mehr, die AfD anderen konservativen Parteien vorzuziehen. Man könnte sich entspannt zurück lehnen und andere – in diesem Fall die Türkei – den Rest erledigen lassen. Hauptsache, es ist nicht mehr unser Problem.
Könnte man. Allerdings bedarf es dazu einer gehörige Portion Ignoranz. Mit welcher Vehemenz der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die freie Presse in seinem Land bekämpft, ist nur durch eine massive Verdrängungsleistung zu übersehen. Und die Bundesregierung, die auf türkisches Wohlwollen angewiesen ist, lässt es bis auf sporadisch gestreute, angebliche kritische Worte geschehen.
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Uns, der taz indes, ist die Pressefreiheit nicht egal. Zu dem Zweck, die deutsche Presselandschaft um eine kritische und unabhängige Stimme zu ergänzen, haben wir uns gegründet und so halten wir das teure Gut der Pressefreiheit auch in anderen Ländern hoch.
Am 3. Mai – dem Tag der Pressefreiheit – erscheint die taz, die tageszeitung deshalb zweisprachig. Auf türkisch und deutsch. taz, die günlük gazete wird unser Titel sein. Auf 16 Seiten schreiben türkische JournalistInnen auf, wie die Repression im System Erdogan genau funktioniert. Denn sie findet auf vielen verschiedenen Ebenen statt.
Und darüber sollten wir hier in Deutschland sehr genau Bescheid wissen. Denn diese Repressionen sind, ebenso wie die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und der andauernde Krieg gegen die Kurden im Osten der Türkei, der Preis, für unseren erkauften Frieden hier in Deutschland. Wir schauen ganz genau hin. Pressefreiheit geht uns alle an.
taz.die günlük gazete – taz.die tageszeitung erscheint erstmalig auf 16 Seiten in türkischer und deutscher Sprache. Neben zahlreichen AutorInnen, die aus der Türkei berichten werden, sind zwei JournalistInnen eingeladen, um die Sonderausgabe vor Ort mit der taz zu produzieren:
» Gözde Kazaz, 28, ist Redakteurin bei der Wochenzeitung Agos, die vom 2007 ermordeten türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink gegründet wurde. Zuvor war sie beim unabhängigen Radiosender Acik Radyo tätig. Kazaz beschäftigt sich vor allem mit den Themengebieten Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Umweltbewegungen. Sie lebt in Istanbul-Şişli.
» Erk Acarar, 43, ist Redakteur bei der Tageszeitung Birgün. Zuvor arbeitete er bereits u.a. für Milliyet, Cumhuriyet, Sabah. Acarer ist Autor mehrerer Romane und Sachbücher. Derzeit beschäftigt er sich vor allem mit der Flüchtlingskrise und den Beziehungen zwischen IS, Al-Nusra und der Türkei. Er ist kürzlich mit dem renommierten Metin-Göktepe-Preis ausgezeichnet worden. Er lebt in Istanbul.
Darüber hinaus diskutieren wir am Montag, 2. Mai 2016 ab 19.30 Uhr im taz Café:
„Basin özgürlügü hepimizi ilgilendirir“ – „Pressefreiheit geht uns alle an“
Auf dem Podium:
» Gözde Kazaz, Redaktion Agos
» Erk Acarer, Redaktion Birgün
» Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent Die Welt (angefragt)
» Claudia Roth, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags (Grüne)
» Moderation: Doris Akrap, Redaktion taz.am wochenende
Diskutieren Sie mit!
Mehr Infos, mehr Texte auf www.taz.de/turkiye
Text: Marlene Halser, Redakteurin im Ressort tazzwei; Titelbild: Omer Kuscu/AP
Bestimmt zu abstrakt mein Rumgekritel: Deniz Yücel, dieser intelligente kreative Mensch, der sein Linkssein geopfert hat für mehr journalistische Reichweite, mehr Geld (verstehe ich) und meiner Meinung nach mehr politische Unterstützung gegen Erdogan. Dieser Mensch, der sich selbst für die Springer-Presse entschieden hat. Dieser ebenselbe kam gestern zurück in die taz, nur als Diskussionsgast natürlich. Hat bestimmt gar nichts mit der Medien-Kooperation der taz mit den JournalistInnen aus der Türkei zu tun und so. Diente ja nur dem Diskussionsthema. Der tolle taz-Journalist Gereon Asmuth nutzt die Springer-Räumlichkeiten ja auch nur deshalb für seine Fernsehsendung auf tv.berlin, da es nicht anders geht, da das neue taz-Haus noch nicht fertig ist, macht-doch-nichts-blabla. Scheint sowieso en vogue, das sich verfestigende Zusammenarbeiten unterschiedlicher Medien. Macht die private Süddeutsche Zeitung mit den staatlichen Rundfunksendern WDR und NDR in einem Rechercheverbund auch dauernd …
Hallo geht’s denn noch?
Ich wünsche mir eine unabhängige taz! Unabhängig in verschiedensten Perspektiven! Selbst, wenn es einer guten Sache wie der Pressefreiheit in der Türkei dient. Mir reicht, dass die wichtigste deutsche Nachrichtenagentur unter Springers Dach produziert. So etwas fördert Stereotype über einen einheitlichen Medienbrei! Zwischen taz und Springer wünsche ich mir mehr Abstand, bitte.