vonImma Luise Harms 18.07.2008

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Die Runde trinkt Schnaps. Währenddessen reden C. und S. über Tiere. S. ist 12 und will Schäfer werden. C. ist Land-, Garten- und Tierhalterin im Oderbruch. S. hat eine Mäusezucht und beliefert Zoohandlungen, aber auch von anderen Tieren weiß er viel. C. hat Hühner, Gänse und vier Schafe. Eines davon ist unseres. Das heißt, wir werden es essen, wenn es tot ist. Beziehungsweise, es kommt dann in unsere Kühltruhe. Auf dem Land braucht man große Kühltruhen. Ein längerer Stromausfall ist eine Katastrophe. Man muss sich dann wochenlang von Fleisch ernähren oder Notfeste feiern.
C.’s Huhn, das melierte, hat die Beete zerkratzt und wurde heute hingerichtet. S. will wissen, wie. Auf den Kopf hauen und dann Hals durchschneiden. St., der Mann von C., hat es gemacht und dabei geweint. Sie kennen das Huhn; das Huhn kennt sie, aber wenn es die Beete kaputt macht, das geht nicht.
„Und? Habt ihr das heute gegessen?“ „Nein, das frier ich immer erst mal ein. Auch die Schafe. So direkt essen kann ich das nicht. Das sind ja unsere Hausgenossen. Wenn ich die aus der Kühltruhe hole, dann sind sie wie von Aldi. Nur noch ein Stück Fleisch.“
Am Abend stand das zweite melierte Huhn am Beet und kratzte. „Ich hab ihm gesagt, wenn es das nicht lässt, kommt es morgen auch in die Kühltruhe.“

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https://blogs.taz.de/jottwehdeh/2008/07/18/ab_in_die_kuehltruhe/

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kommentare

  • Nein, sie sind nicht wie von Aldi. Sie sind viel, viel besser, denn wir wissen was sie gegessen haben: sie sind von uns. Aber die Wunde ist nicht mehr so frisch, der Magen nicht mehr so flau, die Trauer verflogen… lieber essen, was schwerfällt, als Unbekanntes in sich zu stopfen…

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