vonImma Luise Harms 27.02.2017

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Ich muss und will mich auf mein allmähliches Verschwinden vorbereiten. Nein, ich habe nicht vor, im nächsten Jahr zu sterben. Aber in fünf Jahren werde ich nicht mehr bauen, in zehn Jahren werde ich auch nicht mehr alles selbst reparieren, und in fünfzehn Jahren sitze ich vielleicht im Rollstuhl.

Ich muss und will Optionen abschmelzen, weniger Raum belegen, weniger unvollendete Projekte vor mir herschieben, verzichten und loslassen. Oder wenigstens versuchen, es schrittweise zu lernen. Bevor die großen Einschnitte kommen, fange ich mit den kleinen an. Ich habe mir vorgenommen, von jetzt an jeden Tag etwas wegzuwerfen, zu verschenken, zu verkaufen oder zu deportieren.

Heute ist Tag 1: Die Querflöte geht weg. Ich habe drei, von denen zwei nicht richtig zu spielen sind. Eine davon ist das billige Anfängermodell, das Jan sich mal gekauft hat und das später irgendwie bei mir gelandet ist. Es macht keinen schönen Ton, er hat sich längst eine bessere Flöte gekauft und will diese nicht wiederhaben. So habe ich beim Kleinanzeigenmarkt inseriert und gleich kommt der Aufkäufer, der 30 Euro dafür auszugeben bereit ist.

Und außerdem bringe ich die Silikon-Guglhupfform ins Büro auf den allgemeinen Verschenketisch unserer Wohnanlage, die brauch ich doch nie. Die wird mir nicht fehlen.

Der Aufkäufer war eine Aufkäuferin aus Strausberg, eine junge blonde Frau mit rundem Gesicht. Auf meine Gesprächsangebote reagiert sie wortkarg. Ja, die Tochter hat den Wunsch geäußert, Querflöte zu spielen. Ich erspare mir irgendwelche Ratschläge und hole den Flötenkasten. Sie hat die 30 Euro schon auf den Tisch gelegt. Nachdem ich  ein paar Probetöne gespielt habe, die Flöte wieder zerlegt und in den Kasten getan habe, greift sie schnell und wortlos danach und ist weg. Habe ich sie zu billig verkauft? Na, soll sie Freude haben. Die 30 Euro gehen an Jan.

 

 

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