vonSigrid Deitelhoff 29.06.2014

Prinzenbad-Blog

Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur, Gespräche und Gedanken unter der Dusche – der Blog über Deutschlands berühmteste Badeanstalt.

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Kultur Blind Date* in Zäckericker Loose. Wo? Zäckericker … Was? Loose! Genauer: Zollbrücke in Zäckericker Loose! Ein verwunschener Ort.

Ein Theater am Rand, dass mit der Landschaft verwoben zu sein scheint. Wo fängt die Landschaft an, wo hört das Theater auf? Es riecht nach Gras und Getreide, Sommer und Regen, aber auch nach frischem Brot mit Ziegenkäse. Letzteres wird vom nahegelegenen Ziegenhof in den Theater-Pausen angeboten. Das Dach des Theaters sieht seit unserem letzten Besuch ganz anders aus. Es erinnert an den sprechenden Zauberhut aus den Harry-Potter-Filmen. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich der obere Teil über der Dachhut-Krempe als Solardach.

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Theater am Rand mit Solardach / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

Der Oderbruch in Pastelltönen. In unmittelbarer Nähe zum Theater und Fluss ein Gasthaus mit nur wenigen Zimmern, die monatelang vorher reserviert werden müssen, weil sie so schnell vergeben sind. Der eher wortkarge, ehemalige Oder-Kapitän, der das Gasthaus Zollbrücke betreibt, hält seit Jahren daran fest, seine kleine Pension nicht zu einer Bettenburg umzubauen. Morgens vor seinem Tagwerk überprüft er zuerst den Wasserstand der Oder. Mit den Stammgästen plaudert er über die Biberplage der letzten Jahre, die  Schönheit der Oder-Landschaft im Winter und die Arbeit der Eisbrecher auf diesem Grenzfluss zwischen Deutschland und Polen. Seine Gesprächsbereitschaft ist eine Art Gradmesser für unsere Vertrautheit oder Fremdheit mit dieser Landschaft.

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Zäckericker Loose / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

 

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Zäckericker Loose / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

 

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Theater am Rand / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

Was treibt PrinzenbadlerInnen vom Schwimmbecken an die Oder? Geschwommen werden kann hier nicht wirklich, die Wasser-Strudel und Verwirbelungen in diesem Fluss machen ein Schwimmtraining zu gefährlich.

Wir hatten genug von den anstrengenden Diskussionen über den Unsinn der Berliner Bäderpolitik. Aber das allein trieb uns nicht in den Oderbruch. Die Stille dieser Landschaft lockt, tut gut. Die Trennung zwischen Kunst und Natur ist an diesem Ort aufgehoben. Theater und Landschaft verschmelzen miteinander und eröffnen andere Erfahrungslandschaften in uns selbst.

Ganz bewußt suchten wir uns diesmal kein bekanntes Theaterstück mit prominenten SchauspielerInnen heraus. Das Ensemble „Schnaftl Ufftschik“ spielte an einem der Abende, am anderen Tag gab es ein LeseTheater mit Nicole Haase: „Liebeswahn“ von Ian McEwan.

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Lesetheater mit Nicole Haase / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

Links vor uns ein Kristallleuchter, angebracht an einem Baum. Schräg oben rechts ein Schwalbennest. Über der Theaterbühne ein Seil, auf dem die Schwalben sitzen und dem Lesestück andächtig zuhören. Zwischendurch verlassen sie ihre eigene Zuschauertribüne und flitzen mit lautem Gezwitscher um den Kopf der Vortragenden herum.

Nicole Haase’s LeseTheater, fesselnd vorgetragen, läßt Raum und Zeit vergessen. Die Geschichte scheint ihre Zuhörer einzuatmen. Nach den Gesichtern und Mimiken um uns herum zu urteilen scheinen sich die vorgetragenen Szenen der Handlung in den Köpfen der Theaterbesucher zu einem Thriller zu formieren.

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Schnaftl Ufftschik: Johannes Siedel (Posaune), Stefan Gocht (Sousaphon), Christoph Renner (Percussion, Drums), Reinhard Gundelwein (Klarinette), Lutz Wolf (Trompete) / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

Beide Veranstaltungen sind ein Kulturgenuss. „Schnaftl Ufftischik“, bestehend aus 5 Musikern, verbinden Stilrichtungen wie Polka, Balkan-Beat, Klezmer und Ska miteinander. Ein multikulturelles Babylon der Gegenwart steht im Programmheft. Sie selbst nennen sich eine „Band aus West-Sibirien“.

 

Old Nigun – Schnaftl Ufftschik / Veröffentlicht am 29.10.2012

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Wer in Zäckericker Loose nicht nur die Kunst genießen möchte, kann auch Fahrrad-Touren entlang der Oder unternehmen. Seit einiger Zeit gibt es darüberhinaus eine Draisine in der Nähe des Theaters. Sie pendelt als Brückentaxi über die Europabrücke zwischen Deutschland und Polen.

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Mit der Draisine über die alte Eisenbahnbrücke. An dem Brutplatz eines Uhus vorbei / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

 

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Auf der Europabrücke:  Draisine als Brückentaxi / Foto: ©Sigrid Deitelhoff


Und ganz neu: „Schlafplatz am Rand“ für alle die in der Umgebung des Theaters einen Schlafplatz suchen.

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Gasthaus Zollbrücke in Zäckericker Loose / Foto: ©Sigrid Deitelhoff

 

Weitere Infos zum „Theater am Rand“:

„Theater am Rand“

„Accordion Mystery“, Blogbeitrag vom 24.05.2012

Blind Date im „Theater am Rand“, Blogbeitrag vom 16.07.2009

Was kostet eine Karte im Theater am Rand ?

„Erst wird angesehen, dann gezahlt.
Regulärer Eintritt bei Austritt.
Den Preis bestimmt der Zuschauer selbst.
Entscheiden Sie selbst über den Wert von Kultur.
Zahlen Sie, was wir brauchen…

Wenn Sie unser Theater verlassen, kommen Sie an unserer
Gläsernen Kasse vorbei. Dort geben Sie dann das hinein,
was Ihnen dieser Theaterbesuch bei uns wert war.

Wenn Ihr Betrag, für den Sie sich entscheiden,
zweistellig ist, dann sorgen Sie für die Zukunft des
Theaters am Rand.“

(… so lautet der Text, der nach jeder Vorstellung  vorgetragen wird)

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Alle Fotos: ©Sigrid Deitelhoff

 

Oder-Läufe: Theater am Rand / Veröffentlicht am 28.09.2012 im Oderkanal

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*Kultur Blind Date bedeutet: Einer unserer Prinzenbad/Kulturgruppe sucht ein Kultur- bzw. Kunst-Event aus und bereitet es vor. Nur der Termin wird bekanntgegeben. Alle anderen unserer Kultur-Gruppe lassen sich überraschen und können sich entspannt zurücklehnen. Die Organisation des Kultur Blind Date geht reihum.

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https://blogs.taz.de/prinzenbad/2014/06/29/auf-dem-weg-ins-prinzenbad-27/

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