vonSchröder & Kalender 02.03.2015

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Schon wieder haben Bösewichter die Berliner Fahne vom Schöneberger Rathaus geklaut, nun wissen wir nicht mehr, woher der Wind weht.
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Ab und zu bloggen wir Zitate aus antiquarischen Büchern, dieses Mal zogen wir ein Buch aus dem »Reading Company«-Stapel, das wir Ostern 2011 in der Bücherkiste fanden.

 

Jörg Schröder auf dem Flohmarkt mit Lob des Bettes, Schutzumschlag von Raymond Peynet. Foto: Barbara Kalender
Jörg Schröder auf dem Flohmarkt mit Lob des Bettes, Schutzumschlag von Raymond Peynet. Foto: Barbara Kalender

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›Wie man sich bettet, so liegt man‹

Die Betten der frühen Gotik, des Rokoko und des Empire sind auffallend klein, doch nicht nur, weil die Menschen damals kleiner waren als heute, sondern weil sie halbsitzend schliefen. Man hatte Angst vor Räubern, vor Mördern, man wollte bei Gefahr schnell aus dem Bett springen können; im Schlafraum brannte das Licht die ganze Nacht hindurch, vorsichtshalber.

Bis zum 13. Jahrhundert wickelten sich die Schläfer in ihre schmalen Laken ein wie in einen Kokon; erst später kamen sie darauf, dass man die Laken auch breiter weben könne. Immanuel Kant griff aus freien Stücken auf das Einwickel-System zurück; darüber berichtet Thomas de Quincey: »Dann legte er sich auf seine Matratze und hüllte sich in eine Decke ein, im Sommer in eine baumwollene, im Herbst in eine wollene. Beim Eintritt des Winters bediente er sich beider zusammen, und in der strengsten Kälte nahm er eine Federdecke von Eiderdaunen, von welcher der Teil, der die Schultern bedeckt, nicht mit Federn gefüllt war, sondern aus einem Ansatz von dickem wollenem Zeuge bestand. Durch vieljährige Gewohnheit hatte er eine besondere Fertigkeit erlangt, sich in die Decken einzuhüllen. Beim Schlafengehen setzte er sich zuerst ans Bett, schwang sich mit Leichtigkeit hinein, zog den einen Zipfel der Decke über die eine Schulter unter dem Rücken durch bis zur anderen und durch eine besondere Geschicklichkeit auch den anderen unter sich und dann weiter bis auf den Leib. So eingepackt und gleichsam wie ein Kokon eingesponnen, erwartete er den Schlaf, der sich meist sofort einstellte.«

Das ist ungemein systematisch, wie alles bei Kant, und die Zudecken sind fein abgestuft. Mangels einer Decke aus Eiderdaunen musste sich Liselotte von der Pfalz anders behelfen. In Winter 1701 schreibt sie: »Von einer Eiderdaunen-Decke hab ich mein Leben nichts gehört; was mich recht warm im Bett hält, sind sechs kleine Hündcher, so um mich herum liegen; keine Decke hält so warm als die guten Hündcher.«

Und das im üppigen Barock! Bekümmert denkt man ans 14. Jahrhundert zurück, das sich in kostbare Zudecken aus Seide, Samt, Brokat oder Pelz hüllte, und ans Jahr 1518, das Deutschland Federbetten bescherte. Doch nicht auf die Federbetten, sondern auf die Federn kommt es an. Im April 1792 schreibt Lichtenberg – als Strohwitwer – an seine Frau Margarete: »Höre mal, mit meinem Oberbette ist etwas vorgegangen. Ich glaube, die Hartmannin hat die Federn herausgenommen und Duckstein hineingestopft. Denn Vögel mit solchen Federn gibt es in ganz Europa nicht. Wenn ich des Morgens erst ein Bein heraushabe, so geht es ziemlich, ich halte mich am Ofen und ziehe dann das andere nach, aber das erste, das ist der Henker. Nein! liebes Fleisch von meinem Fleisch, das Bett mag für ein Paar Eheleute gut genug sein, aber für einen einzelnen Menschen wie ich ist es wahrlich zu schwer. Des Abends muss mich Georg zudecken, und dann drückt es mich so, dass meine Beine gemeiniglich eine halbe Stunde eher einschlafen als ich.«

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Der Spiegel schrieb am 2. Mai 1956: »Der Herausgeber – hinter dem Pseudonym Ohl versteckt: Kurt Kusenberg – bekennt, “Bücher wie das vorliegende werden aus anderen Büchern abgeschrieben”, und zitiert außer einigen Quellen exakt hundert prominente Autoren, deren fröhliche oder mißvergnügte Anmerkungen zur Kulturgeschichte des Bettes in den zwei Dutzend Kapiteln des abwechslungsvollen, von Raymond Peynet anmutig illustrierten Buches verwertet sind. (Rowohlt Verlag, Hamburg. 180 Seiten. 8,50 Mark.)«

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›Lob des Bettes. Eine klinophile Anthologie mit vielen Bett-Geschichten und schönen Bett-Gedichten‹, herausgegeben von Hans Ohl mit 26 Bildern von Raymond Peynet. Rowohlt Verlag Hamburg 1956«
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(HO /BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2015/03/02/lob-des-bettes/

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kommentare

  • Also ich schlafe in der Regel gleich ein. Schlafe meistens zu wenig, da geht das dann grundsätzlich fixer. Ging sogar mehrfach so weit, dass ich auf nacktem oder teppichbezogenem Fußboden ohne Kissen und Decke einschlief. Wenn ich zu Zeiten von Bachelorprüfungen und Abgabetermine nachts unbedingt weitermachen wollte, ohne einzuschlafen. Ich wachte erstaunlicherweise ohne Schmerzen wieder auf. Krass, oder? Das sind solche Momente, wo ich mich rückbesinne darauf, dass ich Teil der Homo Sapiens bin und unter den gegebenen Umständen fernab von Märkten auch selbst Essen jagen könnte und würde. Seitdem weiß ich jedenfalls: Zur Not kann ich überall schlafen, wo es einigermaßen warm ist. Am schönsten ist es aber, natürlich, zuhause, im eigenen, frisch bezogenen Bett mit Zeit zum Ausschlafen. Gute Nacht!

  • Wer da nicht gleich an Goethe dächte,
    der seine kummervollen Nächte
    im Bette sitzend einst verbrachte –
    Weil ihm die Liebe Kummer machte?

    Interessant,
    wie sich Herr Kant
    kunstvoll in die Laken wand.

    Wilhelm Busch lehrt uns sogleich,
    schon im allerersten Streich:
    „Drittens aber nimmt man auch
    Ihre Federn zum Gebrauch
    In die Kissen, in die Pfühle,
    denn wer liegt schon gerne kühle.”

    Dieses Buch, ich muss es haben,
    will mich damit im Bett vergraben
    und lustvoll in Gedichten blättern.
    Das täte gut bei solchen Wettern.
    Bei Hagel, Blitz, bei Eis und Schnee
    lern ich das Betten-Abc.

  • ›Wie man sich bettet, so liegt man‹
    Ist der Spruch nun doof oder nur doof?

    Die Louis Lane vom Handelsblatt von vor ein paar Jahren schrieb den Spruch irgendwann weiß nicht mehr welchem Zusammenhang. Seitdem fällt der mir lästigerweise von Zeit zu Zeit ein, wenn ich mal wieder kurz vor dem Einschlafen in einem Bett und einer Umgebung des Chaos erschöpft einschlafe.

    Und wieder aufwache … Morgens muss ich dann erstmal gut 20 Minuten aufräumen, Make-Up loswerden, Haarspray auch, Platz zum Bewegen schaffen, weggepfefferte Kleidungsstücke einsammeln, nicht auf den halben Teller Restabendbrot neben den Bett treten, aerophoben Raum mit neuem Sauerstoff füllen und so weiter und so fort

    … in dieser Tagesphase schwirren mir dann oft die gleichen Wunschfantasien durch den Kopf: Würde ich mich immer o-r-d-e-n-t-l-i-c-h betten, dann:::
    Ja, was dann eigentlich? Was meinte die Tante vom Handelsblatt bloß noch mal? Was möchte Hans Ohl mir mit dem Spruch sagen? Wäre ich dann erfolgreicher? Fitter? Besser auf den Tag vorbereitet? Langweiliger?

    Ach, die Fantasie verfliegt sowieso immer wieder.

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